Mittwoch, 22. Dezember 2010

CD-Rezensionen (212): Air - 10.000 Hz Legend (2001)

(Cover: Amazon.de)

Es ist immer so eine vertrackte Sache, wenn man sich als Anhänger eines bestimmten Bandsounds so richtig schön in seiner Erwartungshaltung eingekuschelt hat. Man legt die CD in den Player, freut sich auf Wohlbekanntes in neuer Ausgabe und bekommt dann hin und wieder ganz gepflegt eins mit der "Ätsch!"-Keule übergezogen. So in etwa dürften sich viele "Moon Safarirista" beim erstmaligen Hören des vierten Air-Outputs "10.000 Hz Legend" gefühlt haben.

Dabei haut der Opener "Electronic Performers" durchaus in die Kerbe des Vertrauten. Es blubbert und plöngt zwar etwas heftiger als in früheren Tagen der Franzosen, das geht aber durchaus in Ordnung. Etwas komplizierter schaut die Lage bei "How Does It Make You Feel" aus. Da wird in einer Schmalzballade ziemlich viel zusammengeklöppelt, das auf den ersten Blick nur schwer zueinanderpassen mag. "70er-Schwulst meets OMD meets Beatles". Oder so. Mein Geschmacksdaumen bleibt dabei aber dennoch nach oben gereckt. Die Singleauskopplung "Radio #1" hingegen trifft aber nun gar nicht meinen Geschmack, zu wild zusammengewürfelt wirkt das Ganze.

Und so setzt sich das leider fort. Uninspierierte Vocals treffen auf dahinplätschernde Melodielinien, die Perlen, für die Nicolas Godin und Jean-Benoît Dunckel eigentlich bekannt sind, muss man sich dabei echt herausuchen. "Radian" ist so eine funkelnde Ausnahme. Weltmusikanleihen treffen auf düstere Elektronik, ein nervöser Grundrhythmus gibt die Schlagzahl vor, bis sich alles in die Breite auflöst und den Weg für die gewohnten Air-Spielereien freigibt. Mein Lieblingsstück des Albums! Auch das hyperaktive "Lucky And Unhappy", das wahrhaft giftige "Sex Born Poison" oder das etwas an die frühen Goldfrapp erinnernde schräge "Wonder Milky Bitch" oder der Glam-Hoppler "Don't Be Light" dürfen sich zu den wirklich gelungenen Songs der Platte zählen.

Ansonsten gilt: leider mehr Füllmaterial als früher. Neben bereits erwähntem "Radio #1" fallen auch "People In The City", "Caramel Prisoner" und der Bonustrack "The Way You Look Tonight" in die "durchaus verzichtbar"-Kategorie. Daher muss sich "10.000 Hz Legend" im bandinternen Ranking etwas weiter hinten anstellen, schon blöd, wenn man gleich zu Karrierebeginn so einen Überklopper wie "Moon Safari" auf den Markt geworfen hat...

Bewertung: 3 von 5

Donnerstag, 16. Dezember 2010

CD-Rezensionen (211): Gipsy Kings - Greatest Hits (1994)

(Cover: Amazon.de)

Die ganz großen kommerziellen Erfolge der vielköpfigen Gitans-Truppe sind zwar schon einige Jahre her, die mit diversen außereuropäischen Einflüssen angereicherte Flamenco-Musik der Gitarrenvirtuosen kann aber auch noch heute innerhalb weniger Augenblicke gute Laune, Urlaunsstimmung oder einfach pures Tanzvergnügen vermitteln. Ich tingelte jahrelang als Party-DJ durch die Lande und wenn man dann zu fortgeschrittener Stunde Kracher wie "Baila me" oder "Bamboleo" auflegte, gab es praktisch kein Halten mehr. Da mutiert selbst ein braver deutscher Familienvater schon mal zum feurigen Tanzboden-Torero... 

Zwar geht den Tracks dieser "Best Of"-Kopplung, hintereinander gehört, gelegentlich etwas die Abwechslung ab, dafür schrammeln sich aber die Herren Reyes und Baliardo auf der Mehrzahl der Songs ordentlich die Finger wund. Nur gelegentlich gibt es geradezu liebevoll reduzierte Kleinode wie das anrührende Instrumental "Moorea" zu hören, eine entspannende Pause im doch sonst so dynamisch vorpreschenden Gipsy Kings-Katalog. Und selbst meine Wenigkeit, der der Coverei der persönlichen Lieblingssongs äußerst kritisch gegenübersteht, ist von der Flamenco-Variante des unsterblichen Sinatra-Klassikers "My Way" namens "A Mi Manera (Comme d'habitude)" schwer begeistert!

Gelegentlich geht es sogar regelrecht düster zur Sache. "Un Amor" ist ein etwa dreieinhalbminütiges Stück purer Schwermut und Melancholie und geht arg unter die Haut. Ein in jeglicher Hinsicht außergewöhnliches Stück stellt hingegen "Escucha me" dar. Angetrieben von einem locker-flockigen Reggae-Groove, spielt der Song darüber hinaus mit Bläsersätzen und indischen Sitar-Klängen - eine tolle Mischung! Auch "La quiero" bedient sich mit seinen Steel Drums in eher karibischen Gefilden, "Vamos a Bailar" wildert dafür im argentinischem Tango-Sound.

Insgesamt eine prima Sommermischung auch für kalte Wintertage mit einigen qualitativen Ausreißern nach oben und unten.

Bewertung: 4 von 5 

Montag, 13. Dezember 2010

CD-Rezensionen (210): Digital Orgasm - Appearances Are Deceptive (1992)

(Cover: Amazon.de)

Da beißt die Maus keinen Faden ab, die 90er waren die Dekade der tanzorientierten Musik. Hatten sich bereits etwa ab Mitte der 80er die Dancefloor-Produktionen auf eine kaum noch überschaubare und mit immer neuen Bezeichnungen versehene stilistische Spartenvielfalt aufgesplittet, differenzierte sich das Ganze im Folgejahrzehnt weiter aus. Wo soll man also dieses 1992 erschiene Album von Digital Orgasm, einem der zahlreichen Nebenprojekte des Lords of Acid-Machers Praga Khan, verorten?

Deutlich hörbar hört man der Platte die New Beat-Herkunft seiner Protagonisten an, auch wenn auf "Appearances Are Deceptive" aus allen Branchen munter zusammengemischt wird. Da rumpelt der Opener "Another World" mit seinem Drumloops und wilden Breaks wie The Prodigy zu ihren besten Zeiten, während dem ähnlich beginnenden "Running Out Of Time" ein geradezu simpler Tralala-Refrain im Kommerz-Houserhythmus untergejubelt wird. Ansonsen sehr viele sägende und blubbernde Acid-Klänge, teilweise tanzbar bis zum Exzess. Auf die Dauer geht den Tracks aber deutlich die Abwechslung ab, man ist da schon fast dankbar, wenn einem bei "Switch The Mood" wahre Synthie-Giftpfeile um die Ohren fliegen.

Gelegentlich geht es auch schwer daneben. "Startouchers" paart pure Beliebigkeit mit nichtssagenden Vocals, wirklich einer der Tiefpunkte. So bleibt eine durchwachsene Mischung, ein typisches Nebenprodukt eben. Am ehesten vergleichbar mit dem "White Room"-Album der Pop-Radikalinskis The KLF, freilich ohne jemals dessen Klasse zu erreichen. Anspieltips: "Another World", "Reality" und die an Moments Of Love" von The Art Of Noise erinnernde Hammerballade "Forever And A Day".

Bewertung: 3 von 5

Donnerstag, 9. Dezember 2010

Soundtrack Of My Life (023): George Michael/Wham! - Careless Whisper (1984)

Durch einen nur acht Tage nach meiner Heirat angetretenen neuen Job war es anno 2000 mit einer großangelegten Hochzeitsreise natürlich Essig. Die Frischangetraute und ich holten das dann im Frühjahr 2001 nach, wobei uns die Tour in karibische Gefilde in die Dominikanische Republik führte, damals leider gerade auf dem besten Wege in das tropische Ballermannparadies von heute.

Um nicht völlig im Hotel zu versumpfen, unternahmen wir diverse Ausflüge nach draußen, wobei uns eine Tour an die Südküste in die Nähe von La Romana führte, um mit einem Boot auf die unbewohnte Isla Catalina überzusetzen, ein paar Schnorchelstops inklusive. Die etwa 70 Kilometer lange Anreise zum Hafen überstand die Gattin nicht ohne körperliche Malaisen, Bus fahren (gerade auf herausforderndem Straßenbelag) ist nun wirklich nicht ihre große Stärke. Dementsprechend grün um die Nase ging sie dann an Bord, doch das Schaukeln des Boots machte die Geschichte freilich auch nicht besser, im Gegenteil. Besserung stellte sich erst nach Landgang, dem Essen und der Rücktour ein, die uns noch einen Zwischenstop an einer geradezu traumhaften Sandbank bescherte. Vom Boot wurden diverse hochprozentige Mischgetränke ins etwa 28 Grad warme und sattgrüne Wasser gereicht, dazu die malerische Aussicht ans Ufer und noch die mir vorher nicht bekannte Extended Version von George Michaels (bzw. Wham!, wenn man mal über die etwas komplizierte Entstehungsgeschichte des Songs nachdenkt) Riesenhit "Careless Whisper" im Hintergrund - so stelle ich mir das Paradies vor.

Und so konnte ein mir damals schon seit über 15 Jahren liebgewonnenes Stück noch einmal völlig neue Stärken entfalten. Immer wenn ich etwas Sonnenschein im Gemüt brauche, pfeife ich auf die eigentliche Intention des Texts, werfe Herrn Panayiotou in den Player und schon ist die Wärme da...