Samstag, 1. Mai 2010

DVD-Rezensionen (188): Das Rätsel der Sandbank (1985)

(Cover: Amazon.de)

In meiner hart am Rande des sogenanten "Tals der Ahnungslosen" gelegenen DDR-Heimatstadt war die Empfangbarkeit des bundesdeutschen Fernsehens immer eine wetterabhängige Glückssache, musste man doch auf das terrestrische Antennensignal des fast 200 Kilometer entfernten Westberlins zugreifen. Und so kam es auch durchaus vor, dass man Serien eben nicht komplett sehen konnte, weil gerade im entscheidenden Moment wieder nur der verhasste Schnee auf dem Schirm zu sehen war. Das ging mir unter anderem 1985 mit der großartigen Serie "Das Rätsel der Sandbank" so, weswegen ich schon alleine aus nostalgischen Gründen sehr erfreut über die DVD-Veröffentlichung dieses Zehnteilers bin.

Zum Teil etwas sehr frei nach Motiven des gleichnamigen Romans von Robert Erskine Childers aus dem Jahre 1903 gestaltet, erzählt die Serie die Geschichte der zwei englischen Segler Arthur Davies (Burghart Klaußner) und Carruthers (Peter Sattmann), die im Herbst 1904 auf der kleinen Segelyacht "Dulcibella" im deutschen Wattenmeer unterwegs sind. Davies will, als Entenjäger getarnt, die Küste der ostfriesische Inseln kartographieren und sich damit für eine Offizierslaufbahn bei der Royal Navy empfehlen. Doch er und der darüber zunächst im Unklaren gelassene ehemalige Schulkamerad Carruthers - ein Dandy, der im britischen Außenministerium beschäftigt ist - geraten in eine brisante und lebensgefährliche politisch-militärische Affäre hinein, in der der angeblich schwedische Kaufmann Dollmann (Gunnar Möller) und seine Tochter Clara (Isabell Varell) eine mysteriöse Rolle spielen...

Für heutige Sehgewohnheiten wirkt der Erzählstil der Serie etwas gemächlich, richtig Fahrt nimmt die Handlung erst ab Folge drei auf. Dann wird es aber spannend, denn das fiktive Szenario einer möglichen kriegerischen Auseinandersetzung zwischen dem deutschen Kaiserreich und dem britischen Empire, das Childers kurz nach der Jahrhundertwende entwickelte, wirkt angesichts des 11 Jahre später ausgebrochenen Ersten Weltkriegs aus nachträglicher Sicht geradezu seherisch.

Natürlich sieht man auch in technischer Hinsicht der Serie ihr Alter etwas an. Bild und Ton gehen aber noch mit vertretbaren Mängeln durch, vielmehr bemerkt man die heute doch arg gestrig wirkenden Kombinationen aus Studio- und Außenaufnahmen oder die unnatürlich ins Bild hineinkopierten Motive eines eine Schleuse passierenden Kriegsschiffs. Gelegentlich kann man sogar im Hintergrund fahrende Autos erkennen.

Dies wird jedoch wettgemacht von großartigen Bildern der rauen Nordseelandschaft, den eindrucksvollen Veränderungen des Wattenmeers bei Gezeitenwechsel und dem guten Spiel der beiden Hauptdarsteller, die sowohl Seglerkameradschaft als auch den beim Leben auf so engem Raum nicht ausbleibenden "Bootskoller" gut zu vermitteln wissen. Peter Sattmann verändert sich vom anfangs versnobten Londoner Salonlöwen zum zupackenden Naturburschen, während der bedauernswerte Burghart Klaußner sich in nahezu jeder Folge nackt in die sichtlich unwirtlich kalten Fluten stürzen musste. Gunnar Möller und Dietmar Mues geben ihre zwielichtigen Nebenrollen ebenfalls sehr gut, während man Isabell Varell in ihrer ersten richtigen Schauspielertätigkeit doch noch eine gewisse Hölzernheit attestieren muss, wofür sie aber mit dem mit mächtiger Röhre intonierten Titelsong entschädigt.

Die Box mit ihren vier DVDs ist sehr ansprechend gestaltet, einzig und allein am Bonusmaterial wurde arg gespart. Der als "Drehbericht" annoncierte Vierminüter auf DVD 4 stammt dem eingeblendeten Logo nach aus dem Bremer Regionalmagazin "buten un binnen" und ist daher eher ein kurzer Nachrichtenbeitrag als ernsthafte Dokumentation zum Thema. Hier hätte ich mich eher über rückblickende Interviews oder Audiokommentare mit den Protagonisten gefreut. Doch trotz dieses Mangels ein ganz tolles Stück deutscher TV-Geschichte!

Bewertung: 4 von 5