Der Zusammenbruch der DDR hatte auch auf mein Berufsleben einige Auswirkungen. Ich steckte damals noch mitten in meiner Lehre zum Elektronikfacharbeiter mit Abitur und aus der im letzten Lehrjahr angedachten praktischen Ausbildung in meinem lokalen Einstellungsbetrieb wurde ein mangels vorhandener Arbeit tage- und wochenlanges Rumgammeln. In diesem chaotischen Zeitraum der Jahre 1990/91 wurde auch die firmeneigene Bibliothek aufgelöst und die vorhandenen Bestände für eine symbolische DM pro Stück verschleudert. So hatten wir drei damals noch Lehrlinge genannte Azubis mangels anderer Tätigkeit ausgiebigst Gelegenheit, in den Büchern, Zeitschriften und Tonträgern zu stöbern und so manche früher im freien Handel nicht erhältliche Rarität für einen Spottpreis zu abzuschleppen.
Mein damaliger Internatszimmergenosse, heutiger Arbeitskollege und immer noch bester Freund J. hatte anscheinend den Kapitalismus am schnellsten begriffen und deckte sich vor allem mit ganzen Stapeln von Lizenzausgaben westlicher Schallplatten ein. Sonderlich wählerisch ging er dabei nicht zu Werke. Ob Schlager oder Uralt-Rock ’n’ Roll-Heuler - immer her damit! Auf meine verständnislose Frage "Was willste denn mit all dem Scheiß?" erntete ich nur ein wissendes Lächeln. Keine Woche später eröffnete mein umtriebiger Mitbewohner in unserem Lehrlingswohnheim in Radeberg eine ganz private Plattenbörse. Mit ordentlichem Aufpreis versehen, gingen die besten Stücke ruck-zuck weg, Ladenhüter schmälerten den Gewinn nur unerheblich.
Der unverkäufliche Rest wurde in vielen gemeinsam durchgefeierten Stunden im privaten Kreis genossen und so kam mir in einer wohl doch sehr sentimentalen Nacht "Und er geht und er singt" des auch im Osten hochgeschätzten und mehrfach gastierenden Niederländers Herman van Veen unter die Finger. Wenn zwei junge Männer das fast in Endlosschleife hören und sich anschließend halb heulend in den Armen liegen, muss das wohl etwas ganz Besonderes anrühren und in sehr emotionalen Momenten krame ich den Song heute noch hervor. Danke Mijnheer van Veen für diese Erfahrung...
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