Langsam mache ich mir über meine Alltagstauglichkeit Sorgen. Ich fühle mich derzeit arg an die Folge der Kult-Sitcom "Eine schrecklich nette Familie" erinnert, in der Bud "Dumpfbacke" Kelly für die Teilnahme an einem TV-Sportquiz brieft. Zum Schluss der Vorbereitung ist Kellys Kopf dann zwar randvoll mit allerlei Sportstatistiken und Athletennamen, für die Speicherkapazität mussten dann aber ein paar Basics im Hirn gelöscht werden. Genauso fühle ich mich seit einigen Tagen auch. Schießt sich eine Einser-Klausur und bekommt dann privat kein Bein mehr auf den Boden. Aber wieder einmal hübsch der Reihe nach.
In den Wochen wie dieser, in der ich mich arbeitstechnisch der Spätschicht widme, gehört es zu meinen Aufgaben, den Junior in den Kindergarten zu bringen. Man steht auf, macht Sohnemann Frühstück und begibt sich dann kurz nach Acht auf den Weg - solange das Wetter noch mitspielt, per Rad. Ich greife mir also heute Rucksack und Helm für den Zwerg, der mir schon stolz wie Bolle draußen die Schuhe zum Anziehen hingestellt hat. Ich ziehe also die Tür hinter mir zu und merke in gleichen Moment, dass der Schlüssel noch steckt - innen! Gleich panisches Kopfkino: Handy dabei? Nö, wozu auch, geh ja nicht auf Weltreise. Fahrrad nicht greifbar, da eingeschlossen und Kindergarten knapp 2 Kilometer weg, also zu weit zu Fuß. Letzter Ausweg: meine Eltern, zumindestens um den Kleinen an seinen Bestimmungsort zu bringen. Macht auch 25 Minuten Fußweg, die Sohnemann aber klaglos und mit Interesse durch die Blättermassen stapfend, absolviert.
Also mit Dad automobile Rundtour, da meine letzte Hoffung den Namen meiner Schwiegermutter trägt, da bei ihr ein Ersatzschlüssel geparkt ist. Aber auf der Arbeitsstelle treffe ich sie nicht an und zu Hause geht weder jemand ans Telefon noch wird die Tür trotz Sturmklingelns aufgemacht. Dabei steht das Auto vor der Tür und eine Jalousie ist noch unten - verdammt!
Nächster Anlauf: Schwägerin. Hat die nicht auch einen? Hmmmm...also raus aufs Land. Auto steht da, Glück gehabt! Der Freund empfängt mich mit "Pssst, Nachtschicht..." Geminsames Suchen in den Schlüsselbeständen - kein Ergebnis. Wieder zurück, wieder Anruf bei der Schwiegermutter - keiner da. Letzte Hoffnung: die Großeltern meiner Frau. Vielleicht steckt SchwieMu ja da? Kurzes Telefonat - negativ. Juniors Urgroßeltern versprechen mir allerdings, sich an der Fahndung zu beteiligen und bekommen irgendwann später die Gesuchte doch noch ans Telefon, die mich dann endlich bei meinen Eltern zurückruft. Also wieder Aufbruch - Zweitschlüssel abholen. Dabei plagt mich immer mehr ein Gedanke. Der Schlüssel steckte doch innen - oder doch nicht? Und falls ja, lässt sich dann der Ersatz überhaupt einstecken und schließen?
Gemeinsam mit meinem Geduldigen Senior stehe ich dann schlussendlich vor meiner Wohnungstür. Der große Moment fällt erwartungsgemäß unerfreulich aus. Der Schlüssel geht zwar ins Schloss, drehen läss er sich allem Ruckeln und Drücken zum Trotz aber nicht. Zudem werden wir misstrauisch von ein paar Möbelpackern beäugt, die im Haus einen Umzug stemmen. Sieht ja auch seltsam aus, wie sich gleich zwei an einem Türschloss zu schaffen machen.
Ich will gerade entnervt die vorher rausgesuchte Nummer des Schüsseldienstes anrufen, als meinem alten Herrn noch eine Idee kommt. "Die Tür ist doch nur rangezogen, nicht zugeschlossen oder?" Ich nicke stumm. "Das macht der Schlüsseldienst auch nur mit so einer Art Karte auf, das probieren wir mal. " Ich überlege noch, welches meiner Plastikteile am ehesten Bruch machen darf und finde im Portemonnaie Gott sei Dank noch eine Payback-Punktekarte, um die es nicht weiter schade wäre. Na, wenn jetzt die Möbelfritzen kommen...
Zwei, drei Rüttler und Stochereien später ist die Tür auf. In meiner Familie tummeln sich schon komische Talente...und ich brauch dringend was mit Ginseng!