Erstaunlich, welche Parallelen zum eigenen Leben man gelegentlich in jahrhundertealter Lyrik findet, denn die Geschichte, die "Versagter Abschied" von Wilhelm Jordan (1819-1904) erzählt, habe ich fast genau so im Frühsommer 1990 auf Rügen erlebt...
Vergebens, die letzte Minute verfloß
Und du hast mich nicht wiedersehn wollen.
Schon schnaubt das eiserne Feuerroß
Und die Räder beginnen zu rollen.
So sind wir denn wieder nach Tagen voll Glück
Wer weiß auf wie lange geschieden;
Ich ziehe den Kopf in den Wagen zurück
Getäuscht – und dennoch zufrieden.
So voll war des Wiedersehns Schlußakkord
Daß ich Tieferes wahrlich kaum wüßte,
Als ich gestern Abend beim Scheidewort
Die Hand herzinnig dir küßte.
Wohl auch heute nicht hätt' ich zu glauben gewagt
Daß Gehorsam mir freigestellt sei,
Wie lockend und laut mein Herz mir auch sagt
Daß an ihm dein Platz in der Welt sei.
In Eile wächst der uns trennende Raum
Und einsam im rasselnden Wagen
Durchleb' ich noch einmal in wachem Traum
Diese Reihe von glücklichen Tagen.
Fast reut's mich daß ich verzichten gelernt
Und ich strecke die Arme in's Leere,
Empfindend, als ob ich von dir entfernt
Ein Stück von mir selber entbehre.
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