Sonntag, 8. März 2009

DVD-Rezensionen (129): Leningrad Cowboys Double Feature (1989/1994)

(Cover: Amazon.de)

Die Finnen sind schon ein gar wunderliches Völkchen. Wer Weltmeisterschaften in "Sportarten" wie Handy-Weitwurf oder Ehefrau-Tragen ausrichtet, ja, der ist auch prädestiniert dafür, wunderbar verschrobene Filme über die "schlechteste Rock 'n' Roll-Band der Welt" zu machen! Umso schöner, wenn man sie wie hier gleich im Doppelpack zum unschlagbar günstigen Preis bekommt.

Leningrad Cowboys Go America (1989)

Das erste der beiden Roadmovies hat sicherlich den größeren Kultstatus inne. Die komplett erfolglose sibirische Kapelle LENINGRAD COWBOYS versucht in Amerika ihr Glück, angeführt von ihrem skrupellosen Manager Vladimir (Matti Pellonpää). Die Reise führt per Auto von New York quer durch den Süden der USA bis nach Mexiko, wo die Kapelle auf einer Dorfhochzeit (!) ihren kommerziellen Durchbruch feiert.

Natürlich hat der Film (ähnlich Helge Schneiders Kinoausflügen) nicht wirklich eine Handlung, dafür trifft die Band bezaubernd schräge Laiendarsteller und wartet mit einigen wirklich mitreißenden Auftritten in versifften Bars und schäbigen Motels auf. Selbst als Beerdigungsprozessions-Kapelle verdingt man sich, immer begleitet vom Sarg mit ihrem erforenen Kameraden, der praktischerweise gleich als Bierkühler dient.

Regisseur Jim Jarmusch spielt eine kleine Gastrolle als windiger Gebrauchtwagenhändler und auch Bluesgitarrist Duke Robillard sowie der Rockabilly-Sänger Colonel Robert Morris haben Cameo-Auftritte.

Leningrad Cowboys Meet Moses (1994)

5 Jahre später hängen die LENINGRAD COWBOYS immer noch in Mexiko herum. Der Tequila hat die Hälfte der Band dahingerafft und ihr Manager Vladimir hat sich schon vor Jahren in die Einsamkeit der Wüste zurückgezogen. Doch plötzlich kehrt er im religiösen Wahn zurück, lässt sich fortan Moses nennen und verspricht der Truppe, sie wie einst sein Namensvorbild die Israeliten in das gelobte Land, die Heimat, zurückzuführen. Doch der Weg nach Sibirien ist weit und aufgrund des Diebstahls der Nase einer gewissen New Yorker Großstatue hat sich auch noch ein CIA-Agent (André Wilms) auf die Fährte der Reisenden gesetzt...

Obwohl dieser Film im Vergleich zum Vorgänger nahezu unbeachtet blieb, hat er mir doch etwas besser gefallen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Der Film spielt gleich in sieben Ländern (Mexiko, USA, Frankreich, Deutschland, Tschechien, Polen, Russland) und hat neben den schönen Landschaftsaufnahmen ganz einfach eine deutlich bessere Bildqualität mit satten Farben. Dabei vernachlässigt er keinesfalls die Stärken des ersten Films. Immer noch gibt es schräge Polka- und Rockmusik en masse und auch die Begegnungen mit außergewöhnlichen Gestalten kommen nicht zu kurz.

Dabei ist die ganze Geschichte eine wunderbare Interpretation des biblischen Exodus-Motivs, was zu sagenhaft bizarren Szenen führt. So liefern sich "Moses" und ein als Lenin gestyltes Mitglied der Band auf dem Leipziger Hauptbahnhof (!!!) ein wortreiches Zitatenduell mit Versen des Alten Testaments und Wendungen aus dem Kommunistischen Manifest, was einer der Mexiko-Exilanten schulterzuckend mit "Gringo Talk..." kommentiert. Und selbst die berühmte Szene mit Gott im brennenden Dornbusch fehlt nicht, auch wenn jener Busch diesmal ein durch "Moses" selbst in Brand gesteckter klappriger Tannenbaum ist...

Einige der für die Szenen in Sachsen (Dresden, Leipzig, Elbland) genutzen Örtlichkeiten kamen mir sehr bekannt (wenn auch in den letzten 15 Jahren sehr verändert) vor, was den Film für mich gleich eine Art Vertrautheit verlieh. Allerdings wurde auch die Logik äußerst schräg gehandhabt, nach Dresden fährt man von Leipzig kommend nun mal nicht elbabwärts und warum man von dort aus über Tschechien nach Warschau reisen sollte, wird wohl des Regisseurs Geheimnis bleiben. Auch das Heimatdorf des Cowboys hat sich im Vergleich zum ersten Film sehr verändert und sieht statt wirklich "sibirisch" nunmehr nach einer pittoresken Bauernsiedlung in der Hohen Tatra aus...

Beide Filme rund um die chaotischen Träger von Extrem-Haartollen und Schnabelschuhen wurden von Aki Kaurismäki absolut puristisch inszeniert. Das heißt im Klartext: Schrifttafeln, um die neue Örtlichkeit anzukündigen, keinerlei Extras und auf Wunsch des Regisseurs nicht einmal Kapitel. Immerhin gibt es deutsche Untertitel für den als einzige Tonspur vorhandenen Originalton. Egal, um es mit einem von der Kapelle live oftmals geäußerten Zitat zu sagen: Thank you very many!

Bewertung: 4 von 5