(Cover: Amazon.de)
Tja - die Bilanz ist bis in alle Ewigkeit versaut... Allerdings kann man im Rückblick sagen: Ein Spiel, das trotz des Ergebnisses zwei Sieger hatte. Fußballzwerg DDR, als späterer Turniersechster durchaus ehrenvoll beim einzigen WM-Auftritt und die Bundesrepublik, die diese Niederlage wahrscheinlich erst zum Titel getrieben hat. Die Fakten der Ereignisse nach diesem Spiel sind allgemein bekannt: Palastrevolte gegen Bundestrainer Schön, Franz Beckenbauer diktiert die Aufstellung, die Mannschaft spielt danach wie ausgewechselt und erreicht das Finale. Wer weiß, wie es gelaufen wäre wenn nicht ein gewisser Herr Sparwasser den lichtesten Moment seines Fußballerlebens gehabt hätte, ein Ereignis, das er dennoch bis heute als Fluch und Segen zugleich bezeichnet.
Ich war mir im Vorfeld nicht sicher, ob ich diese Partie überhaupt schon einmal in voller Länge gesehen hatte. Daher nahm ich aufgrund gelesener Berichte an, dass die DFB-Truppe ein wahres Gurkenspiel abgeliefert hätte. Das stimmt aber nur teilweise. Gerade in der Anfangsphase sah es nach einer klaren Sache für den Favoriten aus, die DDR-Abwehr anfangs ein wahrer Hühnerhaufen, dazu noch die von Kreische kläglich vergebene Chance vor dem leeren Tor. Sieht man sich dann aber gerade die Mitte der zweiten Halbzeit an, geht auf Seiten der Weiß-Schwarzen fast gar nichts mehr, richtig schön behäbig nach vorn und selbst der vom Publikum lautstark geforderte und begeistert empfangene Günter Netzer konnte da nichts mehr richten. Hingegen sah man beim ausgewechselten Wolfgang Overath den Frust recht deutlich. Insgesamt eine mäßige Partie, die jedoch aufgrund der besonderen politischen Umstände sicherlich das Anforderungsprofil eines WM-Klassikers erfüllt.
Ein Wort zu den doch recht lautstarken DDR-"Touristen": Nun ja, wie das Begleitheft recht launig informiert, waren selbst die Sprechchöre genau instruiert. Aber solche "Highlights" wie "Hoy, hoy, hoy - Jürgen Croy!" rufen selbst bei mir als DDR-Kind latente Fremdschamgefühle hervor...
Die DVD bietet als Extra gleich zwei Tonspuren mit den beiden Originalkommentaren des ZDF (Werner Schneider) und dem des DDR-Fernsehens. Angesichts der bei den vor dieser DVD bisher erschienen drei '74er-DVDs doch recht lahmen Kommentare, habe ich mich zunächst für die Version Ost entschieden, nicht zuletzt, weil an jenem Abend in Hamburg eine Institution des DDR-Sports am Mikrofon saß - der für seine blumigen Formulierungen berühmt-berüchtigte Heinz-Florian Oertel. Geliebt, gehasst - polarisiert hat er auf jeden Fall.
Bei diesem Spiel hielt sich Oertel hingegen vergleichsweise zurück, mit einer Ausnahme. Über den späteren zeitweiligen Präsidenten von Hansa Rostock, Gerd Kische, heißt es:
"Kische...überall zu finden, der Hanseate! Oh, er spielt wie ein Wikinger..."
Wie immer werden im Begleitheft die herausragenden Spieler der Partie kurz porträtiert. Auf Seiten der DDR hätte ich anstatt der dargestellten Hamann, Bransch und Weise eher Torwart Croy und den nach persönlichen Alkoholproblemen 1997 gestorbenen Reinhard Lauck ausgewählt. Als Lokalpatriot muß ich natürlich noch darauf hinweisen, dass bei diesem historischen Ereignis mit Lothar Kurbjuweit auch ein gebürtiger Riesaer auf dem Platz stand...
Bewertung: 3 von 5
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