Donnerstag, 25. November 2010

CD-Rezensionen (209): H-Blockx - Time To Move (1994)

(Cover: Amazon.de)

Wenn in der laut LivCom-Award "lebenswertesten Stadt der Welt" Münster mal eben so ein Debütalbum aus dem Armel geschüttelt wird, das dem geneigten Hörer ordentlich den Rost aus den Knochen zu pusten weiß, dann ist das schon mehr als nur bemerkenswert. Im beschaulichen Westfalen entstand somit ein echter Crossover-Kracher, der deutlich mehr als nur mehrere Hitsingles mit putzigen Musikvideos aufzubieten hat. Zwar erfanden die Mannen um Henning Wehland das Genre nicht neu, für deutsche Ohren gab es da zuvor aber vergleichsweise wenig zu hören, gleich gar nicht im Lichte einer breiten Medienöffentlichkeit.

Es rumpelt, kracht und scheppert also an allen Enden, dies alles getragen von einem zur körperlicher Aktivität anregenden Beat. Gelegentlich vermeint man diverse Vorbilder um die Ecke schauen zu sehen, wie beispielsweise die Red Hot Chili Peppers bei "Say Baby" (ein wild dazu springender Flea drängt sich da vor meinem inneren Auge förmlich auf), dies ist aber alles andere als pures Epigonentum. Vielmehr liefert man mit "Move" ein wirkliches Brett ab, nicht zu Unrecht als Single ausgewählt. 

Erst bei Track gibt es mit der Ballade "Little Girl" eine kleine Atempause, doch selbst die entfaltet noch ausreichend Druck, um den Gesamteindruck des Albums aufrecht zu erhalten. Sollte trotzdem der unwahrscheinliche Fall eingetreten sein, diesen Song zu schlaff zu finden, wird schon unmittelbar darauf mit "Risin' High" der Puls wieder ordentlich in die Höhe gejagt. Sägende Megaphon-Raps á la Mike D (Beastie Boys) wechseln sich ab mit amtlichem Gitarren-Geknüppel. Sehr fein, das! "Real Love" packt noch mal ordentlich Speed drauf, falls es also jemanden bis dato zu langsam zugegangen sein sollte - bitte sehr, damit kann im Wortsinn schnellstens Abhilfe geschaffen werden, wie auch bei "Go Freaky".

In der Summe gesehen ein erstaunliches Debütalbum, dem - in der Gesamtheit betrachtet - vielleicht ein wenig die Abwechslung abgeht, dies führt aber nur zu minimalen Abstrichen.

Bewertung: 4 von 5

Donnerstag, 18. November 2010

CD-Rezensionen (208): Beck - Loser (MCD) (1994)

(Cover: Amazon.de)

Da von dieser Single-Veröffentlichung diverse Formate mit differierendem Tracklisting existieren, eine Anmerkung vorneweg: Diese Rezension bezieht sich auf die vier Songs enthaltende Veröffentlichung von 1994.

"I'm A Loser Baby, So Why Don't You Kill Me?" Dieses lässig hingerotzte Statement passt wie die Faust aufs Auge für die 1994 mit dem Tod von Kurt Cobain zeitweise völlig gelähmte Grunge- und Alternative-Szene, auch wenn der Song schon im Jahr zuvor in Kleinstauflage bei einem Minilabel erschienen war. Doch erst mit der Wiederauflage beim mächtigen Geffen-Konzern schoss die schräge Nummer auf hohe Chartspositionen (Platz 10 in den USA, immerhin Position 18 in Deutschland). Dabei hat "Loser", bei Lichte besehen, alles andere als Hitpotential. Herr Hansen rappt mit Absicht leicht neben der Spur, alle Instrumente klingen irgendwie verstimmt, der Track schlurft im Zeitlupentempo vor sich hin und der Text ist ist an Abgedrehtheit auch kaum zu überbieten. Aber irgendwie ist die Nummer mit den Sitarklängen in ihrer Schluffigkeit verdammt cool.

In diesem Stile geht es weiter, auch "Totally Confused" klingt wie aus einer Riesen-Marihuanawolke vorgetragen. Ein dominierender Bass plongt nebst unterstützendem Schlagzeug scheinbar ziellos vor sich hin, während Beck damenunterstützt über die Liebe räsoniert. Das hat fast schon Woodstock-Qualitäten! "Corvette Bummer" hingegen läd trotz schaumgebremstem Tempo dank seines lässigen Grooves sogar zum gepflegten Abhotten ein. Sehr genehm, das!

Das wenig schmeichelhafte Statement "MTV Makes Me Want To Smoke Crack" gibt gleichnamigen Song seine Titelzeile - wenn ich mich recht erinnere, war die damals noch hauptsächlich Musik sendende Station so selbstironisch, dies als gelegentlichen Jingle einzuspielen. Der gesamte Song ist eine interessante Soundcollage, die ein wenig planlos beginnt, sich dann aber dann zu einer Las Vegas-Entertainernummer á la "Rat Pack" entwickelt. Ungewöhnlich, aber gut, was für die gesamte Maxi-CD gilt. Knapp 16 Minuten originelle Alternative-Musik!

Bewertung: 4 von 5

Donnerstag, 11. November 2010

Soundtrack Of My Life (022): Kim Wilde - The Second Time (1984)

Ich habe es in dieser Rubrik schon mehrfach erwähnt - als Jugendlicher in der DDR war man nicht eben gesegnet mit Originaltonträgern westlicher Bands und Solisten. Hatte man keine spendable Verwandschaft jenseits der Grenze oder schickte man nicht die reiseberechtigte eigene Oma zum Plattenkauf gen Westen, musste halt das rührige Jugendradio DT64 mit seinen zahlreichen Mitschnittsendungen oder auch das normale Tagesprogramm - welches auch dankenswerterweise die gespielten Songs ohne störendes Reingequatsche der Moderatoren sendete - herhalten. Um so etwas wie Copyright scherte man sich im Funkhaus in der Ostberliner Nalepastraße ohehin wenig bis gar nicht.

Irgendwann im Frühwinter 1984 hockte ich dann mit meinen knapp 13 Jahren auch erstmals bewußt vor dem Radiorecorder, stundenlang auf der Jagd nach Hits und seltenen Stücken. Ich kann mich sogar noch sehr genau an meine ersten Beutestücke jenes kalten Nachmittags erinnern, auch wenn die damals aufgenommene ORWO-Kassette schon längst den Weg alles Irdischen gegangen ist. Ein völlig wilder Stilmix kam da zusammen, "Some Guys Have All The Luck" von Rod Stewart, "Tea In The Sahara" von The Police, "Thank God It's Christmas" von Queen und "Nutbush City Limits" von Ike & Tina Turner. Den Höhepunkt dieses ersten bewußten Musikhörens stellte wohl aber ein absoluter New Wave/New Romantics-Heuler dar, das damals brandneue "The Second Time (Go For It)" der Britin Kim Wilde. Aus heutiger Sicht eine recht schräge Nummer mit all seinen Staccato-Klängen, Miss Wildes dünnem Stimmchen und den fräsendem Synthie-Geplärr. Trotzdem: Schon aus nostalgischen Aufwallungen eine von mir immer wieder gern herausgekramte Nummer.

PS: Über meine damalige lautmalerische Niederschrift der Songtitel im Kassetten-Inlay decken wir an dieser Stelle mal besser den großen dunklen Mantel des Schweigens. Zur Entschuldigung: Mein Englischunterricht in der Schule hatte erst ein Vierteljahr zuvor begonnen...

Samstag, 6. November 2010

CD-Rezensionen (207): Enya - The Memory Of Trees (1995)

(Cover: Amazon.de)

Das Gute an Enya-Alben ist für mich die Tatsache, dass man so herrlich kontrovers darüber diskutieren kann. Wunderschöne Kontinuität oder der in Töne gegossene Stillstand, das Hochhalten irisch-keltischer Traditionen oder mit Klangbombast überzuckerter Edelkitsch - so ganz wird man sich da wohl nie einigen können. Ich gebe zu, dass ich die Erzeugnisse aus dem Hause Bhraonáin/Brennan auch nicht täglich genießen kann, aber bei entsprechender Situation und Gefühlslage gibt es wenig, das mir derart innere Ruhe verschafft.

Auch beim vierten Album geht es aus oben genannten Gründen vertraut zur Sache. Getragenes Tempo, vielfältige Hall- und Soundeffekte plus Enyas gar nicht mal umfangreiche, aber dennoch sehr berührende Stimme, die sowohl englische als auch lateinische und gälische Texte interpretiert, erzeugen einen Film im Kopf, bei dem man buchstäblich ganze Heerscharen von Tolkienschen Fantasy-Gestalten durch abenteuerliche Landschaften wandeln sieht. Herausragend hierbei "Pax Deorum", das mit seinen düsteren Klängen eine bedrohliche Atmosphäre erzeugt. "Anywhere Is" hingegen gelangte durch umfangreichen Radioeinsatz zu Weltruhm (immerhin Platz 7 in den britischen Charts).

Gelegentlich rutscht die Irin aber doch deutlich über die Kitschgrenze ("Hope Has A Place"), zudem ist im Allgemeinen die Gefahr der Verwechselbarkeit einzelner Songs aufgrund der gelegentlich sehr ähnlichen Arrangements groß. Eine echte Ausnahme bietet da "Tea-House Moon" mit seinen asiatisch angehauchten Sounds. Und für Enya-Verhältnisse geradezu fröhlich-optimistisch geht das Album mit "On My Way Home" zu Ende. Insgesamt eine wiederum typische Veröffentlichung, die an schlechtgelaunten Tagen drei, an melancholischen vier Wertungspunkte einfährt.

Bewertung: 4 von 5

Donnerstag, 4. November 2010

"Haste Scheiße am Fuß..." - Part Three!

Langsam mache ich mir über meine Alltagstauglichkeit Sorgen. Ich fühle mich derzeit arg an die Folge der Kult-Sitcom "Eine schrecklich nette Familie" erinnert, in der Bud "Dumpfbacke" Kelly für die Teilnahme an einem TV-Sportquiz brieft. Zum Schluss der Vorbereitung ist Kellys Kopf dann zwar randvoll mit allerlei Sportstatistiken und Athletennamen, für die Speicherkapazität mussten dann aber ein paar Basics im Hirn gelöscht werden. Genauso fühle ich mich seit einigen Tagen auch. Schießt sich eine Einser-Klausur und bekommt dann privat kein Bein mehr auf den Boden. Aber wieder einmal hübsch der Reihe nach.

In den Wochen wie dieser, in der ich mich arbeitstechnisch der Spätschicht widme, gehört es zu meinen Aufgaben, den Junior in den Kindergarten zu bringen. Man steht auf, macht Sohnemann Frühstück und begibt sich dann kurz nach Acht auf den Weg - solange das Wetter noch mitspielt, per Rad. Ich greife mir also heute Rucksack und Helm für den Zwerg, der mir schon stolz wie Bolle draußen die Schuhe zum Anziehen hingestellt hat. Ich ziehe also die Tür hinter mir zu und merke in gleichen Moment, dass der Schlüssel noch steckt - innen! Gleich panisches Kopfkino: Handy dabei? Nö, wozu auch, geh ja nicht auf Weltreise. Fahrrad nicht greifbar, da eingeschlossen und Kindergarten knapp 2 Kilometer weg, also zu weit zu Fuß. Letzter Ausweg: meine Eltern, zumindestens um den Kleinen an seinen Bestimmungsort zu bringen. Macht auch 25 Minuten Fußweg, die Sohnemann aber klaglos und mit Interesse durch die Blättermassen stapfend, absolviert.

Also mit Dad automobile Rundtour, da meine letzte Hoffung den Namen meiner Schwiegermutter trägt, da bei ihr ein Ersatzschlüssel geparkt ist. Aber auf der Arbeitsstelle treffe ich sie nicht an und zu Hause geht weder jemand ans Telefon noch wird die Tür trotz Sturmklingelns aufgemacht. Dabei steht das Auto vor der Tür und eine Jalousie ist noch unten - verdammt!

Nächster Anlauf: Schwägerin. Hat die nicht auch einen? Hmmmm...also raus aufs Land. Auto steht da, Glück gehabt! Der Freund empfängt mich mit "Pssst, Nachtschicht..." Geminsames Suchen in den Schlüsselbeständen - kein Ergebnis. Wieder zurück, wieder Anruf bei der Schwiegermutter - keiner da. Letzte Hoffnung: die Großeltern meiner Frau. Vielleicht steckt SchwieMu ja da? Kurzes Telefonat - negativ. Juniors Urgroßeltern versprechen mir allerdings, sich an der Fahndung zu beteiligen und bekommen irgendwann später die Gesuchte doch noch ans Telefon, die mich dann endlich bei meinen Eltern zurückruft. Also wieder Aufbruch - Zweitschlüssel abholen. Dabei plagt mich immer mehr ein Gedanke. Der Schlüssel steckte doch innen - oder doch nicht? Und falls ja, lässt sich dann der Ersatz überhaupt einstecken und schließen?

Gemeinsam mit meinem Geduldigen Senior stehe ich dann schlussendlich vor meiner Wohnungstür. Der große Moment fällt erwartungsgemäß unerfreulich aus. Der Schlüssel geht zwar ins Schloss, drehen läss er sich allem Ruckeln und Drücken zum Trotz aber nicht. Zudem werden wir misstrauisch von ein paar Möbelpackern beäugt, die im Haus einen Umzug stemmen. Sieht ja auch seltsam aus, wie sich gleich zwei an einem Türschloss zu schaffen machen.

Ich will gerade entnervt die vorher rausgesuchte Nummer des Schüsseldienstes anrufen, als meinem alten Herrn noch eine Idee kommt. "Die Tür ist doch nur rangezogen, nicht zugeschlossen oder?" Ich nicke stumm. "Das macht der Schlüsseldienst auch nur mit so einer Art Karte auf, das probieren wir mal. " Ich überlege noch, welches meiner Plastikteile am ehesten Bruch machen darf und finde im Portemonnaie Gott sei Dank noch eine Payback-Punktekarte, um die es nicht weiter schade wäre. Na, wenn jetzt die Möbelfritzen kommen...

Zwei, drei Rüttler und Stochereien später ist die Tür auf. In meiner Familie tummeln sich schon komische Talente...und ich brauch dringend was mit Ginseng!

Dienstag, 2. November 2010

CD-Rezensionen (206): DJ Bobo - Take Control (MCD) (1993)

(Cover: Amazon.de)

Genau drei Tonträger des umtriebigen Schweizers haben es in meine CD-Bestände geschafft, allesamt durch großzügige Überlassungen meines zum Erscheinungszeitpunkt der Maxi-Singles elfjährigen Bruders. Gelegentlich werden also aus Nostalgiegründen im Familienkreis die drei 93er-Erscheinungen "Somebody Dance With Me", "Keep On Dancing!" und "Take Control" herausgekramt. Was erwartet also nun den geneigten Hörer bei diesem dritten Streich?

"Nur kein Risiko" schien hier die vorherrschende Devise zu sein, denn auch wenn sich der Song durchaus eigenständiger anhört als seine sich wie ein Ei dem anderen gleichenden Vorgänger, gibt es dennoch all den üblichen Zutatenmischmasch der damaligen Eurodance-Ära zu hören. Herr Baumann rappt Knallerzeilen á la "You Take, You Shake, You Break, I'm Not Fake" und eine nicht weiter erwähnenswerte Dame darf im Refrain ebenfalls Lyrics sinnbefreiter Art zum Besten geben. Da muss "Trance" natürlich auf "Dance" folgen - reim Dich oder ich fress Dich!

Diese Höhenflüge mitteleuropäischen Tonschaffens gibt es hier in drei Versionen (Radio Mix, Club Dance Mix und Instrumental), wobei der gestreckte Clubremix einen gewissen trashigen Reiz hat. Richtig dreist allerdings der Bonustrack "Move Your Feet", der einerseits billig aus Schnipseln der anderen Singles wie auch als schamlos geklauten Passagen des Haddaway-Heulers "What Is Love?" aus dem selben Jahr zusammengeschustert wurde. Als Krönung dazu noch ein paar Alltime-Tanzboden-Phrasen wie "Move Your Feet To The Rhythm Of The Beat" oder "Pump Up The Volume" und fertig ist ein Produkt mit aufpappendem Recycling-Siegel.

Nach nicht ganz zwanzig Minuten ist der Spaß zu Ende. Fazit: Musik mit deutlichen Verfallserscheinungen, aber einem nicht unsympathischen Nostalgiefaktor.

Bewertung: 2 von 5