Dienstag, 25. Januar 2011

CD-Rezensionen (215): Garland Jeffreys - Don't Call Me Buckwheat (1992)

(Cover: Amazon.de)

Es gibt sie noch, die glücklichen Zufälle im Leben, die einem großartige Musik näherbringen. Irgendwann im Jahre 1992 oder 1993 saß ich in einer heute schon längst nicht mehr existierenden Kneipe und lauschte einer im Hintergrund abgespielten CD, die mir ungemein gut gefiel, deren Interpreten ich allerdings nicht so recht einzusortieren wusste. Ja, das war immer die gleiche Stimme, dennoch hatte jedes Stück einen komplett anderen Stil zu bieten. Hier mal etwas Gospel ("Moonshine In The Cornfield") und da groovte ein Boogie-Woogie ("Don't Call Me Buckwheat") durch die Boxen. Erst als der damalige Singlehit "Hail Hail Rock 'N' Roll" erklang, konnte ich dieses Sammelsurium dem 1980 durch den Chartserfolg "Matador" zu Bekanntheit gelangten Garland Jeffreys zuordnen.

Dieses Album hat einen textlich roten Faden: Rassismus in der US-Gesellschaft und die damit verbundenen privaten Erfahrungen des Sängers, eines Mischlings. So fröhlich die Musik (z.B. die im Reggae-Sound gehaltenen "Color Line", "Bottle Of Love" und "Murder Jubilee") stellenweise wirken mag, die bitteren Zeilen gehen oftmals schwer an die Nieren, saß doch Jeffreys aufgrund seiner Herkunft oftmals zwischen allen Stühlen.

Die zweite Single-Auskopplung "The Answer" wurde ebenfalls noch zum mittleren Hit, so dass dieses Album Anspruch und kommerziellen Erfolg sehr gut miteinander zu verbinden weiß. Dazu eine beeindruckende Mischung aus karibischen, lateinamerikanischen und gängigen Popklängen sowie einer äußerst wandlungsfähigen Stimme - volle Punktzahl!

Bewertung: 5 von 5

Samstag, 22. Januar 2011

Soundtrack Of My Life (026): Johnny Hates Jazz - Shattered Dreams (1987)

Die heutige Geschichte dreht sich eigentlich weniger um Musik, sondern um - Klamotten.

Bekanntlich kam man in der DDR zwar per Radio durchaus an die gängigen West-Hits, die zugehörigen Musikvideos bekam man aber höchst selten zu Gesicht. Im heimischen TV lief sowas praktisch gar nicht, mit viel Glück konnte man hier, hart am Rand des sogenannten "Tals der Ahnungslosen", mal halbwegs bildrauschfrei "Formel Eins" empfangen, oftmals blieb aber auch das nur Illusion. So kam es, dass ich den Clip des 87'er Hits von Johnny Hates Jazz erst mit einigen Jahren Verspätung so um das Jahr 1992/93 herum erstmals sah. Sänger Clark Datchler stiefelte darin, wenn er nicht mal gerade in schnieke End-Achtziger-Tapete gewandet war, in einer Art 20er Jahre Working Class-Outfit herum, das mir ausnehmend gut gefiel. Ich besorgte mir also umgehend ein paar Hosenträger (meiner Erinnerung nach ein paar hundsteure aus der CAMEL COLLECTION), ein weißes Hemd fand sich noch irgendwo im Schrank, dies mit ein paar Retro-Hosen und passenden Schuhen kombiniert und fertig war mein neuer Ausgehlook, gerne auch vervollständigt durch eine Schiebermütze, ein Familienerbstück. Das war wohl zwar alles andere als 90er Stil, aber mir war das wurscht.

In dieser Zeit pendelte mein Freundeskreis beim wochenendlichen "Pistengang" immer zwischen zwei weit auseinanderliegenden Clubs hin und her. Der eine lag praktisch vor der Haustür, der andere im etwa 150 Kilometer entfernten tschechischen Chomutov. Dort war es Anfang des Jahrzehnts natürlich spottbillig, wie quartierten uns für 14 DM/Nacht in einem Dreibettzimmer ein und waren selbst nach durchfeierter Nacht alles andere als pleite. Ein wenig musste man allerdings aufpassen, ob die dort herumtanzenden Damen rein privat oder aus "gewerblichen" Zwecken anwesend waren. Als mir beispielsweise in einer Freitagnacht die Luft in dem wohl halbillegalen und nicht viel mehr als wohnungsgroßen Etablissement doch zu schneidend wurde, trat ich auf die vorgelagerte Straße und wurde umgehend von zwei sichtlich aufgekratzten Vertreterinnen des Berufsstands angesprochen. Obwohl ich wenig Lust auf ungeplante Finanzausgaben verspürte, wurde mein "Shattered Dreams"-Gedächtnis-Hemd kurzerhand mit zahlreichen Lippenstift-Abdrücken dekoriert, ehe das Duo feixend weiter seines Weges zog. Ich war einfach zu perplex, um dagegen aufzumucken und bei der morgendlichen Inspektion des Kleidungsstücks wirkte das Kussmund-Muster schon wieder in irgendeiner Form cool.

Das wiederum brachte mich auf die verrückte Idee, das Teil in diesem Zustand am wieder in heimatlichen Gefilden verbrachten Samstagabend erneut anzuziehen. Verschwitzt, verraucht, nicht mehr taufrisch? Egal, ordentlich gelüftet und einparfümiert und es war wieder tragbar! Aus heutiger Sicht ist die ganze Geschichte zwar höchstgradig albern und spätpubertär, aber mit dem im Schwarzlicht odentlich hervorstechenden vollgeknutschten Hemd kam man sich in der Kleinstadtdisse wirklich vor wie die coolste Sau im Schweinestall... Danke, Clark!

Donnerstag, 20. Januar 2011

Soundtrack Of My Life (025): Stephan Remmler - Vogel der Nacht (1988)

Von Oktober 1994 bis September 1995 absolvierte ich meinen Wehrdienst in der Regensburger Nibelungenkaserne. Eines der oftmals angesteuerten Ziele nach Dienstschluss war das Mannschaftsheim, ein Mix aus Kneipe und Laden. Sei es, weil das Abendessen wieder einmal wenig einladend gewesen war oder man sich irgend eine Zeitschrift, diversen Soldaten-Nippes oder einfach nur eine Briefmarke für den Brief nach Hause leisten wollte, schließlich reden wir hier über die Prä-WWW-Zeit.

Einer der Mittelpunkte des hölzernen Einrichtungsalptraums war eine uralte Jukebox, deren musikalischer Inhalt scheinbar seit den ausgehenden 80er Jahren nicht mehr ausgetauscht worden war. Immerhin fanden sich darin für ein Mainstreampublikum doch recht ungewöhnliche musikalische Perlen wie "Close To Me" von The Cure, eindeutig meist gewähltetes Stück war jedoch der Schnulzenheuler "Vogel der Nacht" des ehemaligen Trio-Frontmanns Stephan Remmler und das hatte einen ganz bestimmten Grund.

Wurden die auf das Dienstende zusteuernden Rekruten der NVA im truppeninternen Jargon "EK's" (Entlassungskandidaten) genannt, so hatte sich bei der Bundeswehr der Begriff "Ausscheider" oder verknappend einfach "Scheider" eingebürgert. Dies wurde bei jeder sich bietenden Gelegenheit lautstark rufend zum Besten gegeben, manche hatten in der Betonung und Proklamation dieses Begriffs eine geradezu bewundernswerte Kreativität aufzubieten. Also von "Auuuuuuuuuuuuuuuusscheider" über "Aus! Schei! Der!" bis hin zum anbrüllenden "Scheider, Du Ratz!" gegenüber den eingeschüchterten "Frischlingen". Und um dem Ganzen auch noch eine musikalische Komponente hinzuzufügen, hatte man sich nun ausgerechnet des bereits erwähnten Remmler-Songs bemächtigt. Und so schallte es nach Geldeinwurf und Drücken der entsprechenden Taste regelmäßig im Rumbarhythmus durch das Mannschaftsheim:

"Scheider der Nacht! Flieg hinauf bis zum Mond..."

Montag, 17. Januar 2011

CD-Rezensionen (214): Farin Urlaub Racing Team - Die Wahrheit übers Lügen (2008)

(Cover: Amazon.de)

Wie so viele meiner Altersgenossen, die ihre Jugend in der DDR der 80er Jahre verbracht haben, bin ich ein langjähriger Ärzte-Fan, der Trennung und Wiederbeginn mit verändertem Stil wohlwollend begleitet hat. Irgendwann kristallisierte sich dann heraus, dass mir persönlich die Songs aus der Feder Farin Urlaubs sowohl in textlicher als auch musikalischer Hinsicht am deutlichsten zusagten. Insofern erschien es mir gar nicht einmal unlogisch, dass ich großen Gefallen an den beiden Soloveröffentlichungen des Blondschopfs, dem bissig-frechen "Endlich Urlaub!" (2001) und dem viel nachdenklicheren "Am Ende der Sonne" (2005) fand. Somit lag sowohl die Messlatte als auch meine Erwartungshaltung sehr hoch, als, nunmehr auch im Studio offiziell von seiner vielköpfigen Livetruppe "Farin Urlaub Racing Team" unterstützt, der dritte Solo-Silberling in die heimischen Plattenbestände wanderte.

Und scheinbar fügte sich alles wie gehabt zusammen. Gleich mit dem ersten Track-Trio kann ich prima leben, selbst wenn der eine oder andere Melodieverlauf arg vertraut erscheint. Die Single-Auskoppplung "Nichimgriff" knüppelt fröhlich vor sich hin, "Unscharf" thematisiert einmal mehr die Vertracktheit zwischenmenschlicher Kommunikation und das mit ordentlich Bläsereinsatz angeschärfte "Gobi Todic" rast durch seinen vor lauter Absurditäten geradezu strotzenden Text. Das ist nicht immer die hehre Kunst, aber mir gefällt's!

Schwieriger wird es danach. Farin Urlaub ist ein eigenwilliger und hochintelligenter Kopf, dessen persönliche Ansichten sich nicht immer mit den meinen decken. Sei's drum, ich mag es nur nicht, wenn ich vor lauter erhobenem Zeigefinger nicht mehr zum Musikhören komme. Das war schon bei "Lieber Staat" auf seinem Solo-Debüt so und setzt sich hier mit "Seltsam" fort. Ja, Pelze sind scheiße, aber das konnte man auch schon mal deutlich unplatter formulieren, schließlich hat man es doch hier eigentlich mit einem Meister des Wortwitzes zu tun.

"Krieg" (herrjeh, "Bap-schuwadiwadi"-Chöre habe ich das letzte Mal anno 1974 bei "Sugar Baby Love" von den Rubettes gehört...) trägt textlich und musikalisch geradezu Helge Schneidersche Züge und da ich den Mülheimer Jazzgott sehr verehre, kann also auch dieser Track bei mir punkten, ganz im Gegensatz zu "Pakistan". Die Reiselust des Autoren mal zu thematisieren ist sicherlich keine schlechte Idee, aber dies geschieht auf mich wenig packende Weise, das Liedchen plätschert halt vor sich hin, ohne jemals so richtig die Kurve zu kriegen.

"Niemals" hätte sehr gut auf "Das Ende der Sonne" gepasst, erneut werden unerwiderte Gefühle auf markerschütternde Art und Weise beschrieben, eindeutig eins der Highlights des Albums und bei "Leiche" ist der alte Zyniker Urlaub ganz in seinem Element. Vor zwei Dekaden hätte das eventuell einmal mehr die Indizierungsbeauftragten auf den Plan gerufen, heute wirkt das wunderbar entspannt. Sehr gut! "Monster" ist textlich zwar wahnsinnig plakativ, aber die Frage sei erlaubt: Trifft die Beschreibung der deutschen Formatradiolandschaft nicht den Nagel auf den Kopf? Und nach dem wunderschönen Liebeslied "Atem" wird bei "Karten" nochmal ordentlich in die Saiten gegriffen, leider ist der Refrain nur ein Wiedergänger von "Unter Wasser".

Damit wäre die "Büffelherde" benamste Haupt-CD abgeschlossen und der Vier-Track-Mini "Ponyhof" darf zu seinen Ehren kommen. Musikalisch komplett konträr wird hier in Reggae- und Dancehall-Gefilden gewildert, "I.F.D.G." groovt da mitsamt seinen bissigen Zeilen derart relaxt durch die Boxen, dass sich gleich ordentlich gute Laune einstellt. "Zu heiss", "Insel" blubbern da aber deutlich schwächer und uninspirierter vor sich hin. Wer mit derlei Musik ohnehin nichts anfangen kann, wird sich freilich irritiert abwenden. Wenigstens darf mit "Trotzdem" noch mal im Affentempo die Ska-Sau durchs Dorf gehetzt werden, selbst wenn der Text zum zigsten Mal die "Loser dieser Welt, gebt nicht auf!"-Thematik beackert. Insgesamt ein eher durchwachsenen Bonus.

Ich gebe zu, dass der Urlaub-Drittling im Gegensatz zu meinen Vorläufern deutlich mehr Durchläufe benötigte, um bei mir zu punkten. Ich mache das eigentlich ungern, entweder es packt mich sofort oder eben auch nicht. Dennoch hat es sich in diesem Falle durchaus gelohnt, auch wenn die zweithöchste Wertung nur für die Haupt-CD allein gilt, im Verbund mit dem "Ponyhof"-Anhang wird die um einen Punkt tiefere gezückt.

Bewertung: 4 von 5

Donnerstag, 6. Januar 2011

CD-Rezensionen (213): Blind Passengers - Born To Die (MCD) (1994)

(Cover: Amazon.de)

Sich musikalisch mit dem emotionalen Thema Tierversuche zu beschäftigen, ist auf dem ersten Blick erst einmal wohlfeil. Ein paar ergreifende Worte gegen die Qualen der Kreatur, dazu ein emotional aufwühlendes Coverfoto und der allseitige Beifall ist sicher. Ob man dann selbst im Alltag von den Ergebnissen der umstrittenen Tests profitiert oder sich konsequent deren Auswirkungen auf das Privatleben verweigert, ist dann freilich oftmals eine andere Sache. Unterstellen wir jedoch einmal den Berlinern bei ihrer 1994 erschienenen Single nur die besten Absichten.

Im Grunde genommen lässt sich "Born To Die" als Bindeglied zwischen den 1993 und 1996 erschienenen ersten beiden Alben der Blind Passengers verstehen, bietet der Tonträger doch einen Remix des von "The Glamour Of Darkness" bereits bekannten "Yes, Sir!" und mit den beiden Versionen des Titelstücks bereits einen Vorgriff auf den später erschienenen Zweitling "Destroyka". Kann aber der "Hospital-Mix" des erstgenannten Stücks mit gesteigerter Aggressivität und pumpendem Rhythmus noch einige Qualitätspunkte zulegen, fiel die schlußendlich für das '96er-Album verwendete Version von "Born To Die" deutlich schwächer aus als der hier verwendete Edit und der über sechsminütige "Gen-Mix".

Mit dem wild vorwärtsstürmenden "Headache... (New Prosperity)" und dem Instrumental "Sarajevo", welches mit getragenen Synthie-Streicherklängen den damals noch tobenden Bosnien-Krieg thematisiert, werden netterweise noch zwei qualitativ hochwertige B-Seiten als Bonus dreingegeben, in Zeiten, in denen auch mal gerne auschließlich Remixe ein und desselben Stücks auf Maxi-CDs gepressst wurden, ein sehr fanfreundlicher Umstand! Alles in allem bekommt man etwa 22 Minuten im Stil der frühen Bandphase geboten, bevor sich die Herren um Nik Page deutlich härteren Klängen zuwandten.

Bewertung: 4 von 5

Mittwoch, 5. Januar 2011

Soundtrack Of My Life (024): David Bowie & Pat Metheny Group - This Is Not America (1985)

Die heutige Anekdote beinhaltet ein Missverständnis: Für einige Zeit ordnete ich die "This Is Not America" intonierende Stimme falsch zu und vermeinte Boy George und nicht David Bowie singen zu hören. Zu meiner Ehrenrettung sei gesagt, dass ich - für ein Kind der DDR logisch - niemals den Originaltonträger in die Finger bekam und den damaligen Welthit anno 1985 nicht im Radio, sondern in aufregenden Sommertagen an der polnischen Ostseeküste kennenlernte. Aber hübsch der Reihe nach.

Nach der Ausrufung des Kriegsrechts durch General Jaruzelski Ende 1981 kam man als DDR-Bürger nicht mehr einfach so nach Polen hinein. Die Oberen in Ost-Berlin wollten schon aus Eigenschutz verhindern, dass irgendwelche oppositionellen Gedanken á la Solidarność per Urlaubsverkehr ins Land sickerten. Allerdings war die Abschottung nicht vollständig, per Einladung aus Polen oder organisierter Tour konnte man durchaus noch die Grenze überschreiten. Ein glücklicher Zufall wollte es, dass die damalige Firma, in der mein Vater arbeitete, im Austausch gegen eigene Kontingente in der DDR Ferienlagerplätze in der Nähe von Danzig organisiert hatte. Wow, 2 Wochen elternloses Ausland mit 13 Jahren und ich durfte dabeisein!

Treffpunkt Dresden Hauptbahnhof am frühen Nachmittag, ich sehe einige bekannte Gesichter aus einem Erzgebirgs-Camp des Jahres 1982 wieder, alle sind aufgrund der Reise, die bis zum darauffolgenden Morgen dauern wird, recht hibbelig. Und wie das als pubertierender Jüngling so ist - man schaut sich um und sondiert unter den mitreisenden Damen "die Marktlage". Ja, die wäre ja nett, oder die...wenn man nicht so verdammt schüchtern wäre!

Zwischenstop Berlin mit Besichtigung der Ost-Berliner Highlights Fernsehturm und Palast der Republik, inklusive Abendessen in "Erichs Lampenladen" - für ein sächsisches Provinzkind alles andere als eine normale Erfahrung. Der Trip ist schon in den ersten Stunden so neu, so aufregend, dass ich es kaum fassen kann.

Der Nachtzug nach Gdańsk, wie wir damals natürlich sagen, fährt etwa gegen 22 Uhr vom Bahnhof Berlin-Lichtenberg ab, wir sortieren uns irgendwie in unser Abteil ein, an Schlaf denkt schon aufgrund der Enge kaum jemand. Über Stettin, Köslin, Stolp und Gdingen kämpft sich der Zug entlang der Ostseeküste bis nach Danzig, welches wir - komplett übermüdet und zerschlagen - in den frühen Morgenstunden erreichen. Da sich das Ferienlager etwa 40 Kilometer außerhalb der Stadt befindet, werden wir in Busse verfrachtet und machen während der Fahrt durch die Straßen die Erfahrung, dass Danzig stellenweise sehr arm und heruntergekommen aussieht, was bei einem DDR-Einwohner, der auch nicht gerade in luxuriosen Verhältnissen residiert, schon einiges heißen will.

Die folgenden Tage vergehen wie im Fluge und mit einer Fülle von Ereignissen. Ob Besuche der Westerplatte, des Hafens oder einfach Abhängen am Strand - es ist traumhaft. Es wird wild durcheinandergeflirtet, die Sprachbarrieren zwischen anwesenden Polen, Tschechen und Deutschen werden irgendwie mit Händen und Füßen sowie dem von allen ungeliebten Schulrussisch überwunden. Ich ertrinke fast, als mich eine Welle umwirft und ich unter Wasser 20 Meter in Richtung Strand gespült werde, wo ich nach Luft japsend wieder auftauche, mir wird das richtige Küssen beigebracht (unter anderem abseits eines Lagerfeuers am nächtlichen Strand, zu dem wir mehrere Kilometer durch den stockfinsteren Wald gelaufen sind) und ich erlebe eine wilde Fummelnacht auf der Rückfahrt, als ein Liegewagenabteil im Zug mit Decken blickdicht gemacht und somit zum Liebesnest umfunktioniert wird.

All das und noch so einiges mehr wird immer wie von selbst in meiner Erinnerung abgerufen wenn die Zeilen "A little piece of you, the little peace in me, will die..." zu hören sind. Zwei Jahre später werde ich an diesen für mich magischen Ort zurückkehren und dort meine erste große Liebe erleben, natürlich begleitet von erinnernswerter Musik. Aber das ist eine andere Geschichte...