Dienstag, 31. August 2010

Buch-Rezensionen (199): Thomas Hermanns - für immer d.i.s.c.o. (Hörbuch) (2009)

(Cover: Amazon.de)

Selten habe ich mich derart im Nachhinein zu der Entscheidung beglückwünscht, die Audiovariante eines Buches gewählt zu haben wie bei den Jugenderinnerungen des TV-Entertainers Thomas Hermanns. Die höchst unterhaltsamen Ausführungen über die zweite Hälfte der Siebziger und die frühen Achtziger Jahre, die damals die Tanzflächen beherrschende Disco-Music und Hermanns' erste Schritte in der Schwulenszene mögen auch in gedruckter Form funktionieren, aber wer einmal die brüllend komische Schilderung - besser: Nachinszenierung - eines geradezu bizarren Amanda Lear-"Konzerts" in der Nürnberger Meistersinger-Halle gehört hat, wird verstehen, was ich meine. Zusätzlich werden höchst passend im Text erwähnte Titel als Hintergrundmusik eingespielt, was die Wirkung und Verständlichkeit enorm erhöht.

Der Erfinder des "Quatsch Comedy Clubs" spannt einen weiten Bogen über seine von viel Musik in trister Wohnumgebung geprägten Kinder- und Jugendjahre in Nürnberg bis hin zu seinem Studium in München und den später erfolgten beruflichen Durchbruch. Zwar ist der überwiegende Teil von "für immer d.i.s.c.o." von Humor geprägt und wird von Hermanns in angenehmem Tonfall gewohnt charmant gelesen. Dennoch werden ernst Themen nicht ausgespart, angefangen von der ersten Gefühlsverwirrung, das eigene Coming Out über Schwulenfeindlichkeit im In- und Ausland bis hin zum HIV- und AIDS-Schock der frühen 80er mitsamt seiner Todesspur im Bereich der Disco-Musik. Dass ein dermaßen amüsierendes Buch immer wieder durch diese extremen Gegensätze radikal gebrochen wird, hat mir ganz besonders imponiert.

Ein weiteres Plus der Audiobookversion: Auf CD 4 sind noch einmal alle im Buch verwendeten Tracks in voller Länge - von Thomas Hermanns kurz anmoderiert - enthalten. Da darf man gleich mal die gegebenen Hustle-Tanzlektionen in die Praxis umsetzen...

Zielgruppe dieses Buchs? Vielfältig, möchte ich meinen. Der offen oder versteckt lebende Schwule wird sich ebenso einfinden wie das Kind der Siebziger, Interessierte an Musikgeschichte und Popkultur sowieso. Zwar kann "für immer d.i.s.c.o." nicht für sich in Anspruch nehmen, eine umfassende historische Darstellung dieses Musikstils zu liefern. Dafür werden ein paar allzu gewagte Verschwörungstheorien über das Ende der Ära aufgestellt. Schließlich verendete Disco nicht (wie von Hermanns und diversen ehemaligen Protagonisten suggeriert) an den permanenten Störmanövern von Gegnern in Musikbiz und Gesellschaft sondern schlicht und einfach an einem der normalsten Vorgänge der Musikwelt - der kontinuierlichen Weiterentwicklung. Jede Musik hat ihre Zeit, gelegentlich mit diversen Retrowellen geadelt. Doch diese gelegentlichen Ungereimtheiten seien einem bekennenden Disco-Aficionado nachgesehen - für mich ein klasse Hörbuch mit einigen persönlichen Musik-Neuentdeckungen, kam doch die Disco-Welle für mich ein dreiviertel Jahrzehnt zu früh...

Bewertung: 5 von 5

Montag, 30. August 2010

DVD-Rezensionen (199): WM-Klassikersammlung, Ausgabe 37 - Kleines Finale 2006 BR Deutschland - Portugal (3:1) (2006)

(Cover: Amazon.de)

Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland veröffentlichte die "BILD am Sonntag" zusammen mit dem Sammelserien-Spezialisten DeAgostini eine ursprünglich auf 30 Ausgaben angelegte, dann aber mit den hinzugefügten sieben Spielen der DFB-Elf bei der WM auf 37 DVDs erweiterte Reihe, die große Partien der deutschen Elf bei Weltmeisterschaften sowie einige Klassiker ohne deutsche Beteiligung in nicht-chronologischer Reihenfolge enthielt. Allen Scheiben war ein Begleitheft mit weiterführenden Informationen über Vorgeschichte, Hintergründe sowie statistischen Elementen wie Aufstellungen etc. beigefügt.

Mit dieser DVD endet die WM-Klassikersammlung und um es vorneweg zu sagen: Die Reihe hätte keinen besseren Abschluss finden können. Die das "Sommermärchen" beendende Partie gerät gleichzeitig zur Party und beinhaltet eine ganze Reihe emotionaler Momente, ergreifender Abschiede und stimmungsvoller Eindrücke und das nicht nur auf dem Rasen. Doch hübsch der Reihe nach.

Da wäre zum einen der sportliche Aspekt. Wie die oftmals als "Spiel um die Goldene Ananas" verschrieenen Matches um den 3. Platz einer Weltmeisterschaft bei früheren und auch späteren Turnieren gezeigt haben, bieten sie im Regelfall einen deutlich höheren Unterhaltungswert als die völlig verkrampften und bisweilen richtig hässlichen Finalspiele. So auch hier. Beide Mannschaften hatten den Ehrgeiz, sich mit erhobenem Haupt aus dem Turnier zu verabschieden und gaben - allen Umstellungen im Kader zu Trotz - ihr Bestes. Hatte Portugal in der ersten Hälfte noch mehr vom Spiel, mutierte die Begegnung in der zweiten Hälfte zur One-Man-Show von Bastian Schweinsteiger. Zwei praktisch identische Tore und ein halbes (Eigentor von Petit) führten zu einem bejubelten 3:1 Sieg und einem versöhnlichen Ende nach dem Schock des Ausscheidens im Halbfinale. Besonderen Schwung erhält das Ganze durch ein nimmermüdes und frenetisches Publikum im Stuttgarter Gottlieb-Daimler-Stadion, das von Sprechchören für einzelne Spieler über trotzige, das verpasste Finale kommentierende Gesänge wie "Stuttgart ist viel schöner als Berlin" bis zu begeistertem Getöse alles auffährt, was das Fan-Arsenal so hergibt. Besonders anrührend hierbei die feiernden Rufe für den fantastisch agierenden Oliver Kahn (bemerkenswert insbesondere angesichts seiner immer polarisierenden Person in der Vergangenheit) und den ebenfalls sein letztes Länderspiel bestreitenden Luís Figo auf portugiesischer Seite. Ein ganzes Stadion steht für einen Abschied nehmenden Spieler der gegnerisches Mannschaft auf - solche Gesten werden neben vielen anderen Eindrücken die WM 2006 für mich unvergesslich machen.

Die ganz großen Gefühle kommen nach Abpfiff zum Vorschein. Keiner mag nach Hause gehen, die Zuschauer feiern das Team und sich noch lange nach der Ehrung des dritten Platzes, genießen Feuerwerk und Ehrenrunden und zeigen auf unzähligen mit viel Liebe gebastelten Transparenten ihre Verbundenheit zum Team. Tenor hierbei: "Klinsi bleib!", eine Meinung, die ich damals auch inbrünstig vertrat. Andere wollten einfach nur "Danke" sagen für das unglaubliche Erlebnis in jenem Sommer. Kommentator Béla Réthy hatte wohl recht, als er meinte, dass der Kater im Land nach dieser Riesenparty namens Weltmeisterschaft wohl gigantisch werden wird. Mit seiner persönlichen Einschätzung, dass der Bundestrainer weitermachen würde, lag er allerdings - wie man heute weiß - gründlich daneben. Ich gebe zu, dass mir aufgrund der Wucht der Eindrücke an jenem Abend die Augen feucht wurden und noch immer berührt mich die ganze Szenerie sehr.

Auch ansonsten bietet diese letzte Folge volles Programm. Kurzanalyse in der Halbzeit mit Johannes B. Kerner, Jürgen Klopp und Urs Meier sowie ein Interview mit Michael Schumacher, nach der Partie Interviews mit Oliver Kahn, Jens Nowotny und Joachim Löw. Bei der Siegerehrung ein mit versteinertem Blick (er muss seine von ihm offen zugegebene Abneigung gegen die Deutschen ja nicht bei jeder Gelegenheit zeigen) in den Innenraum stapfender und vom Publikum mit "Allez, les Bleus!" begrüßter UEFA-Präsident Michel Platini, ein mit ohrenbetäubendem Jubel gefeierter Organisationskomitee-Chef Franz Beckenbauer und ein gnadenlos ausgepfiffener Gerhard Mayer-Vorfelder - neben Christiano Ronaldo die einzige Person im Stadion, der offene Ablehnung entgegenschlägt. Selbst die Jürgen Klinsmann herzende Kanzlerin wird da deutlich gnädiger empfangen. Neben dem vielfältig geäußerten Wunsch über die Fortsetzung der Bundestrainertätigkeit wird noch ein anderer Plakatspruch unerfüllt bleiben: "Sönke Wortmann, schenk uns einen tollen Fußballfilm!" Aber das ist eine andere Geschichte...

Fazit: Satte 140 Minuten pure Emotion - volle Punktzahl!

Bewertung: 5 von 5

Freitag, 27. August 2010

CD-Rezensionen (198): Enigma - The Screen Behind The Mirror (2000)

(Cover: Amazon.de)

Michael Cretu stand nach dem dritten Enigma-Album "Le Roi est mort, vive le Roi!" von 1996 vor einem echten Dilemma, hatte er doch auf diesem die Sounds der beiden ersten Platten "MCMXC A.D" (1990) und "The Cross Of Changes" (1993) in eine doch sehr gelungene Symbiose gebracht. Wie nun mit dem Nachfolger verfahren? Der Wahl-Ibizaer entschied sich zum Griff in die Klassikkiste und pickte sich ausgerechnet das komplett überstrapazierte "O Fortuna" aus Carl Orffs "Carmina Burana" als Leitmotiv heraus - eine denkbar schlechte Wahl. Die sattsam bekannten Chorpassagen zerstören so manchen Song, die eigentlich recht ordentliche Singleauskopplung "Gravity Of Love" oder das wüst stampfende "Camera Obscura" inklusive.

Ansonsten bleibt vieles beim Alten. Der Enigma-Konsument weiß im Regelfall ohnehin, was ihn vorher erwartet, doch hier wird das Sound- und Sample-Recycling auf die Spitze getrieben, exemplarisch hierfür "Smell Of Desire", in dem ganze Passagen des vom ersten Album stammenden "Mea Culpa" zitiert werden oder für "The Screen Behind The Mirror" gleich mal die Drumspur von "Sadeness" erneute Anwendung findet. Das wirkt wenig inspiriert und nur manchmal zucken ein paar Geistesblitze auf, wie wenn beispielsweise im sonst recht grobschlächtigen "Modern Crusaders" plötzlich sekundenlang Bachs berühmte Toccata D-Moll auftaucht.

Stark percussionsorientierte und ruhige Tracks wechseln sich ab, wobei in letzteren eigentlich die größere Stärke des Soundtüftlers Cretu liegt. Doch diesmal scheint stellenweise verkehrte Welt zu herrschen, "Traces (Light And Weight)" langweilt einfach, während "Push The Limits" für Enigma-Verhältnisse sogar richtig tanzbar ist und einen echten Höhepunkt des Albums darstellt.

In der Gesamtheit betrachtet ein schwächeres Enigma-Album, immer vorausgesetzt, dass man mit New Age- und Ethno-Sounds überhaupt etwas anfangen kann. Anspieltips: "Push The Limits", "Between Mind & Heart" und das den Schlusspunkt setzende "Silence Must Be Heard".

Bewertung: 3 von 5

Donnerstag, 26. August 2010

Neue Entwicklungen

Wegen der zeitlichen Beanspruchung von Familie, Job und Studium sind meine Bemühungen in der Familienforschung naturgemäß etwas hintenangestellt. Ich schreibe mal eine E-Mail an Ämter und Archive oder tätige gelegentlich einen Anruf - für mich als bekennenden Telefon-Hasser jedesmal eine echte Überwindung. Allerdings habe ich festgestellt, dass sich die öffentlichen Bediensteten mit der Reaktion auf elektronische Post im Regelfall sehr schwer tun, man muss sie scheinbar immer persönlich kitzeln. Umso lobenswerter die schnelle und unbürokratische Hilfe der Friedhofsverwaltung im brandenburgischen Birkenwerder, die mir einige erstaunliche Erkenntnisse brachte.

Rückblick: Ich habe die Wurzeln meiner Familie in ein kleines oberschlesisches Dorf zurückverfolgen können. Dank des Archivs des Evangelischen Kichenkreisverbandes Schlesische Oberlausitz in Görlitz verfüge ich über Kopien diverser Tauf- und Sterbeunterlagen meiner Vorfahren, die älteste aus dem Jahre 1758. Dadurch konnte ich auch einen durch Zufall in einem brandenburgischen Branchenbuch von 1938 entdeckten Verwandten als 1946 verstorbenen Cousin meines Urgroßvaters identifizieren. Durch eine andere Datenbank wusste ich ebenfalls von einem 1958 ebenfalls in Birkenwerder beerdigten Sohn dieses als Sattler tätigen Mannes.

Mein Erstaunen war nun freilich nicht schlecht, als mir die dortige Friedhofsverwaltung auf meine Anfrage neben nützlichen Informationen (letzte Adressen, Todesursachen etc.) mitteilte, dass beide Gräber immer noch existieren und ich sie mir nach Terminabsprache gerne einmal anschauen kann. Da die normale Ruhezeit beider Grabstellen schon längst abgelaufen ist, stellt sich mir natürlich die Frage, ob sich noch jemand aus der Nachkommenschaft um diese kümmert. Ich werde da noch einmal nachhaken, vielleicht habe ich ja die Möglichkeit, mit einem bisher unbekannten Teil der Familie in Kontakt zu kommen?

Desweiteren bin ich in der glücklichen Lage, durch das soziale Netwerk Facebook eine junge polnischen Dame kennengelernt zu haben, die in eben jenem erwähnten Dorf meiner Vorfahren lebt und sich dankenswerterweise als sehr hilfsbereit in Übersetzungsdingen und Informationen über die Gemeinde erwiesen hat.

Momentan steht noch ein wenig Kleinkram an, Dokumente sind zu sichten, neue Anfragen zu stellen. Nach meiner Klausur am 09.09. werde ich das Ganze sicherlich wieder etwas intensivieren können. Mehr dazu dann an dieser Stelle.

Mittwoch, 25. August 2010

Soundtrack Of My Life (019): Herman van Veen - Und er geht und er singt (1983)

Der Zusammenbruch der DDR hatte auch auf mein Berufsleben einige Auswirkungen. Ich steckte damals noch mitten in meiner Lehre zum Elektronikfacharbeiter mit Abitur und aus der im letzten Lehrjahr angedachten praktischen Ausbildung in meinem lokalen Einstellungsbetrieb wurde ein mangels vorhandener Arbeit tage- und wochenlanges Rumgammeln. In diesem chaotischen Zeitraum der Jahre 1990/91 wurde auch die firmeneigene Bibliothek aufgelöst und die vorhandenen Bestände für eine symbolische DM pro Stück verschleudert. So hatten wir drei damals noch Lehrlinge genannte Azubis mangels anderer Tätigkeit ausgiebigst Gelegenheit, in den Büchern, Zeitschriften und Tonträgern zu stöbern und so manche früher im freien Handel nicht erhältliche Rarität für einen Spottpreis zu abzuschleppen.

Mein damaliger Internatszimmergenosse, heutiger Arbeitskollege und immer noch bester Freund J. hatte anscheinend den Kapitalismus am schnellsten begriffen und deckte sich vor allem mit ganzen Stapeln von Lizenzausgaben westlicher Schallplatten ein. Sonderlich wählerisch ging er dabei nicht zu Werke. Ob Schlager oder Uralt-Rock ’n’ Roll-Heuler - immer her damit! Auf meine verständnislose Frage "Was willste denn mit all dem Scheiß?" erntete ich nur ein wissendes Lächeln. Keine Woche später eröffnete mein umtriebiger Mitbewohner in unserem Lehrlingswohnheim in Radeberg eine ganz private Plattenbörse. Mit ordentlichem Aufpreis versehen, gingen die besten Stücke ruck-zuck weg, Ladenhüter schmälerten den Gewinn nur unerheblich.

Der unverkäufliche Rest wurde in vielen gemeinsam durchgefeierten Stunden im privaten Kreis genossen und so kam mir in einer wohl doch sehr sentimentalen Nacht "Und er geht und er singt" des auch im Osten hochgeschätzten und mehrfach gastierenden Niederländers Herman van Veen unter die Finger. Wenn zwei junge Männer das fast in Endlosschleife hören und sich anschließend halb heulend in den Armen liegen, muss das wohl etwas ganz Besonderes anrühren und in sehr emotionalen Momenten krame ich den Song heute noch hervor. Danke Mijnheer van Veen für diese Erfahrung...

Dienstag, 24. August 2010

Lothar Loewe †

(Foto: Wikipedia)

Auch wenn die Ausweisung des ehemaligen Ost-Berliner ARD-Korrespondenten Lothar Loewe durch die DDR-Oberen nach einem kritischen Tagesschau-Kommentar zum Grenzregime 1976 etwas vor meiner aktiven Fernsehzeit lag, habe ich später immer mal wiederholte Reportagen mit großem Interesse verfolgt. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, drehte er sogar einmal in meiner Heimatstadt. Ein sehr bewegtes Journalistenleben ist gestern im Alter von 81 Jahren zu Ende gegangen. R.I.P.

Montag, 23. August 2010

Buch-Rezensionen (198): Michael Köhlmeier - Biblische Geschichten (Hörbuch) (2002)

(Cover: Amazon.de)

Ohne Frage kann man auch als Atheist an der Bibel Interesse finden. So vermittelt sie immer noch gültige ethische Werte und man stellt immer wieder fest, wie viele Redewendungen, Geschichten und Personen in den Alltagssprachgebrauch eingegangen sind. Und so kam es, dass ich diese von mir durch einen Zufall entdeckte Veröffentlichung mit großer Aufmerksamkeit verfolgt habe.

Diese auf 5 CDs versammelte Geschichtensammlung des Österreichers Michael Köhlmeier ist keine Lesung biblischer Texte, wie sie beispielsweise Ben Becker in seinem beeindruckenden Bühnenprogramm darbietet. Er erzählt sie eher im leichten Plauderton nach und bringt sie somit in einer zeitgerechten Fassung an den interessierten Zuhörer. Es handelt sich ausnahmslos um Schilderungen des Alten Testaments, eines bis auf wenige Ausnahme (Schöpfungsgeschichte, Sündenfall etc.) in der allgemeinen Wahrnehmung eher vernachlässigten Teils der Heiligen Schrift. Es ist ohnehin nicht leicht, sich in der dort vorherrschenden puren Masse von Namen zurechtzufinden, daher ist Köhlmeiers Ansatz, die Personen und ihre wechselseitige Beziehung etwas näher aufzudröseln, sehr lobenswert.

Zwar wirkt das ganze manchmal etwas improvisiert und unfertig, dennoch ist diese unorthodoxe Methode alles andere als misslungen. Keine Höchstwertung zwar, aber nahe dran - empfehlenswert!

Bewertung: 4 von 5

DVD-Rezensionen (198): Der Maulwurf als Filmstar (1987-1988)

(Cover: Amazon.de)

An und für sich ist gegen diese DVD mit dem liebenswerten Racker aus unserem Nachbarland nichts einzuwenden. Liebevoll gezeichnet wie immer, gewaltfrei und mit so manchem Aha-Effekt für Kinder versehen. Der Knackpunkt liegt eher in der Zusammenstellung dieser Scheibe. Im Gegensatz zu den auf den meisten anderen Ausgaben dieser Edition vertretenen 5 bis 14 Minuten langen Episoden hat man es hier mit zwei etwas weniger bekannten Halbstündern aus den Jahren 1987 (Der Maulwurf und Medizin) und 1988 (Der Maulwurf als Filmstar) zu tun. Da die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsspanne von Kindern bekanntlich begrenzt ist, sollte man daher diese doch recht langen Brocken nicht gerade den Kleinsten vorführen.

Inhaltlich gibt es nix zu meckern. Der hilfsbereite Maulwurf sucht in einer Episode eine Medizin für die erkrankte Maus und muss dafür eine abenteuerliche und sehr lehrreiche Reise um die Welt unternehmen. In anderer Geschichte bekommt es der kleine Wühler mit den Schattenseiten des Ruhms als Filmstar zu tun. Auch das vielleicht für die Jüngsten etwas kompliziert zu begreifen.

Die Bildqualität ist nicht sonderlich gut und keineswegs mit heutigen Hochglanzproduktionen zu vergleichen. Immerhin verfügen die im unrestaurierten Bildformat 4:3 vorliegenden Episoden über das Tonformat Dolby Digital 2.0, Bonusmaterial fehlt hingegen völlig. Für Sammler sicherlich ein Grund zuzuschlagen, wer dem Nachwuchs jedoch erst einmal die Figur nahebringen will, sollte zu anderen DVDs wie beispielsweise "Der kleine Maulwurf und seine Abenteuer mit dem Igel" aus der gleichen Reihe greifen.

Bewertung: 4 von 5

Sonntag, 22. August 2010

Christoph Schlingensief †

(Foto: tagesschau.de)

Ich gebe zu, dass ich mich mit dem modernen Regietheater sehr schwer tue. Vieles daran erscheint mir als allzu bemühte Provokation, auffallen um des Auffallens willen. Von daher wußte ich auch nie so recht, wie ich Christoph Schlingensief, das Enfant terrible des deutschen Kulturwesens, für mich einordnen solle. Genialer Provokateur oder nur maßlos übertriebener Medienhype? Die breite Bestürzung, die der gestrige Lungenkrebstod des gerade einmal 49jährigen auslöste, ist jedenfalls umfassend, hier beispielhaft Nachrufe aus SPIEGEL, ZEIT und Süddeutscher Zeitung. R.I.P.

Freitag, 20. August 2010

Nachtgedanken (096)

Eine ziemlich kräftezehrende Arbeitswoche liegt hinter mir, aber sie ist noch nicht beendet, denn auch noch morgen heißt es um 04.45 Uhr: aufstehen! Ich hatte daher für die heutige Ausgabe eigentlich etwas mit dem Bezug zur Erwerbswelt gesucht und bin dabei auf den nicht ganz unumstrittenen Arbeiterdichter Heinrich Lersch (1889-1936) gestoßen. Titel: "Der Künstler" (1919).

Ich leb mein Leben schneller, Mensch, als du.
Mich kann der Dinge Schein nicht lange halten.
Mein Blick hat jedes Ding entzwei gespalten.
Ich schmeck den Kern und eile Neuem zu.

Im Weltensausen bin ich tiefste Ruh.
Denn ich bin eine von den Kraftgewalten,
die Welt in sich und sich zu Welt gestalten.
So ist mir alles ich und ich bin allem du.

Mich hält nicht Schönheit, Glanz, nicht Glück noch Macht.
Was gestern ich war, hab ich heut vergessen –
Wo euch noch Chaos stürzt, blüht mir schon Kosmos-Pracht.

Ihr staunt, daß gestern ich bei euch gesessen.....
Heut bin ich schon von neuem Trieb besessen
und taumle trunken in die neue Nacht.

Ob sie mich schimpfen oder sie mich loben.
das rührt, Geliebte, meine Seele nicht.
Mein Tun und Lassen, Tagwerk und Gedicht
sind bunte Bilder in mein Sein gewoben.

Und leuchten ruhig in ihr eitles Toben.
Ich funkle ja aus meinem eignen Licht,
das blitzgleich in ihr armes Dunkel bricht.
Ich bin so über allem Volk erhoben,

daß jedermann mich sehen muß und sieht,
daß ich dem einen Ziel, dem andern Abscheu bin,
daß der mir nachfolgt, daß mich jener flieht.

Doch flucht und lockt mich keiner zu sich hin.
Unwandelbar treibt mich der Gottheit Sinn.
Und was durch mich geschehen muß, geschieht!

Donnerstag, 19. August 2010

CD-Rezensionen (197): Gunther Schmäche - Gartenlied (MCD) (1996)

(Cover: Amazon.de)

"Gunther wer?" war meine verständnislose Frage, als mein Bruder begeistert von einem schnell bundeslandweit zur Kultfigur avancierten Radiocomedy-Original sprach. Als weitestgehender Formatradio-Abstinenzler war mir der zuerst auf dem Sender NRJ und später bei Radio PSR in heftigstem Leipziger Dialekt losblödelnde angebliche Kleinpösnaer Kleingartenfreund bis dato völlig unbekannt. Das änderte sich schnell, als umgehend diese CD den Weg in die eigenen Bestände fand.

Gleich zwei der größten Gassenhauer des von Jan Schlegel verkörperten renitenten Sachsen befinden sich auf dieser Maxi-CD. Das "Gartenlied", in dem das favorisierte Freizeitdomizil Schmäches besungen und gleichzeitig über die angeblich das Blumenwachstum fördernden Eigenschaften von menschlichem Erbrochenen philosophiert wird. Das Ganze wird in zwei Versionen, dem "Kleinen Pösna-Mix" und der "Rogg-Version" dargeboten, wobei letztere natürlich um Einiges tempoverschärft und gitarrenlastiger zur Sache geht. Zum bierseligen Mitgröhlen ist freilich die gemütliche Originalversion deutlich besser geeignet.

Apropos Bier. Ich kenne nur wenige Lobeshymnen an den Gerstensaft, die so festzeltgeeignet sind wie das "Bierlied". Banjo und Westernfiedel sorgen für gute Laune und Texthighlights á la "komm ich um drei nach Hause, da trink ich keine Brause" bedürfen keiner weiteren Erklärung. Prost! Abgerundet wird die CD von den wie immer enthaltenen Anrufbeantwortersprüchen. Leider ist der ganze Spaß schon nach knapp 12 Minuten vorüber (dafür etwas Wertungsabzug), es sei daher an dieser Stelle auf den ersten (und besten!) Longplayer Schmäches namens "Genau, genau, genau...!" aus dem gleichen Jahr verwiesen.

Fazit: Peinlich schlechte Sächsisch-Imitatoren gibt es zuhauf, warum also nicht lieber gleich etwas Originales?

Bewertung: 4 von 5

Mittwoch, 18. August 2010

Buch-Rezensionen (197): Jochen Hauser - Zwei Krähen fliegen aus (1979)

(Cover: Amazon.de)

Wie man ein an für sich ernstes Sujet humorvoll und augenzwinkernd darstellen kann, zeigt dieses 1979 erschienene Kinderbuch des sächsischen Autors Jochen Hauser. Thematisiert werden die Probleme alleinerziehender Eltern und deren Kinder im Alltag der DDR, immer beobachtet von den beiden verfressenen Krähen Kratsch und Kretsch.

Der neunjährige Jens und sein nach einem Verkehrsunfall verwitweter Vater ziehen in eine Kleinstadt nahe eines Braunkohletagebaus. Gleich am Tag seiner Ankunft gerät Jens mit dem gleichaltrigen Martin aneinander, der sich ausgerechnet noch als Mitschüler entpuppt. Beide Drittklässler bemühen sich um die Freundschaft zur aufgeweckten Mia, was die Rivalität nur noch verstärkt. Nach Monaten voller Gehässigkeiten und Missgunst platzt die Bombe - Jens' Vater und Martins geschiedene Mutter haben sich ineinander verliebt und schmieden Zukunftspläne. Das ist zu viel, beide Jungen reißen unabhängig voneinander von zu Hause aus. Doch die clevere Mia lockt sie auf dieselbe Insel...

Die DDR-typische Altersempfehlung des Buchs nennt die gleiche Jahreszahl wie das Alter der Protagonisten. Neunjährige dürfen sich also sowohl an einer kindgerechten Geschichte als auch an den tollen Illustrationen von Harri Parschau erfreuen. Der ernste Hintergrund wird wohl nur eher Erwachsenen auffallen, so dass ich mit Erstaunen feststellen konnte, nach so vielen Jahren immer noch deutliches Gefallen und Interesse an diesem Buch gefunden zu haben, auch wenn man ihm freilich den Entstehungszeitpunkt und -ort deutlich anmerkt. Dennoch: Unterhaltung für jung und alt - eine feine Mischung!

Bewertung: 4 von 5

Dienstag, 17. August 2010

DVD-Rezensionen (197): WM-Klassikersammlung, Ausgabe 36 - Halbfinale 2006 BR Deutschland - Italien (0:2 n.V.) (2006)

(Cover: Amazon.de)

Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland veröffentlichte die "BILD am Sonntag" zusammen mit dem Sammelserien-Spezialisten DeAgostini eine ursprünglich auf 30 Ausgaben angelegte, dann aber mit den hinzugefügten sieben Spielen der DFB-Elf bei der WM auf 37 DVDs erweiterte Reihe, die große Partien der deutschen Elf bei Weltmeisterschaften sowie einige Klassiker ohne deutsche Beteiligung in nicht-chronologischer Reihenfolge enthielt. Allen Scheiben war ein Begleitheft mit weiterführenden Informationen über Vorgeschichte, Hintergründe sowie statistischen Elementen wie Aufstellungen etc. beigefügt.

Ich gebe zu, dass ich erst weit über ein Jahr nach Erhalt dieser DVD in der Lage war, mir diese anzuschauen. Zu tief saß noch der Schock des 04. Juli 2006 in Dortmund. Ich kann mich an praktisch keine Fußball-Niederlage erinnern, die mich emotional dermaßen aufgewühlt hat wie das Halbfinal-Aus beim Turnier im eigenen Land. Über die Gründe für meine Scheu kann ich nach wie vor nur spekulieren. Wahrscheinlich kamen gleich mehrere Faktoren zusammen. Die Medienschlacht im Vorfeld nach der aus den Tumulten im Argentinienspiel resutierenden Sperre von Torsten Frings, deren Initiierung eine breite Öffentlichkeit bei italienischen Medien verortete und die kurzzeitig das WM-Motto "Zu Gast bei Freunden" außer Kraft setzte. Oder der mehr als unglückliche Zeitpunkt des ersten italienischen Tores durch Fabio Grosso, nur wenige Momente vor dem Elfmeterschießen. Vielleicht aber auch das eine oder andere Ereignis des italienischen Wegs ins Viertelfinale, sei es der unglaublich herausgeschundene Elfmeter gegen Australien im Achtelfinale oder De Rossis (mit Rot geahndeter) eine blutige Platzwunde hervorrufende Ellenbogencheck gegen Brian McBride (USA) in der Vorrunde.

Schaut man sich das Spiel allerdings heute noch einmal mit einigem Abstand und etwas emotionsloser an, werden einige Dinge sichtbar. Hier trafen sich zwei Mannschaften auf Augenhöhe zum wahrscheinlich besten Spiel des Turniers. Italien und vor allem seinem Coach Marcello Lippi darf man attestieren, entschlossener agiert zu haben. Während sich das DFB-Team schon auf die Entscheidung vom Punkt einzustellen schien und beim 0:1 (zu dessen Vorbereitung Pirlo in aller Seelenruhe die deutsche Strafraumgrenze ablaufen durfte, um dann den tödlichen Pass zu spielen) geistig regelrecht abwesend wirkte, drängten die Azzurri noch unablässig auf das Tor und spielten gegen Ende der Verlängerung mit drei Stürmern. Von den zwei Treffern an Pfosten und Latte innerhalb von 60 Sekunden unmittelbar nach Anpfiff der Extrazeit ganz zu schweigen. Das muss man einfach als fairer Sportsmann anerkennen. Deutschland hatte durch Schneider und Podolski Riesenchancen. Keine Tore - kein Sieg.

Das Bild der DVD ist etwas besser als das grauslige Gepixel der vorangegangenen Ausgabe. Neben dem Spiel gibt es noch eine kurze Halbzeitanalyse mit Johannes B. Kerner, Jürgen Klopp und Urs Meier sowie nach dem Spiel ein Interview mit Miroslav Klose. Macht insgesamt etwa 160 Minuten Inhalt.

Bewertung: 5 von 5

Montag, 16. August 2010

Nachtgedanken (095)

Eigentlich heute ein ähnlicher Anlass wie in der 94. Ausgabe. Ich habe mich in den letzten Tagen im Netz einige Male mit dem Freiheitsbegriff beschäftigen müssen. Sei es jetzt die Meinungs-, die Presse- oder ganz simpel die persönliche Freiheit. Mich erschreckt, welch geradezu diktatorischen Vorstellungen weit verbreitet sind, gepaart mit gefährlichem Halbwissen eine explosive Mischung. Also ein Hohelied auf die Freiheit, aufgeschrieben vom Österreicher Friedrich Halm (1806-1871):

Freiheit ist Liebe, Freiheit ist Recht,
Zum Menschen weiht und adelt sie den Knecht,
Bewaffnet steht sie an des Thrones Stufen,
Und Achtung dem Gesetz hört man sie rufen.
Achtung uns selbst und unsrer Menschenpflicht.
Wer sie verletzt, verdient die Freiheit nicht!

Freitag, 13. August 2010

CD-Rezensionen (196): Culture Beat - Got To Get It (MCD) (1993)

(Cover: Amazon.de)

Der Name Culture Beat steht geradezu symptomatisch für die die kommerziellen Charts beherrschende Schwemme von Eurodance-Produzentenprojekten der ersten Hälfte der 90er Jahre. Üblicherweise nach dem simplen Schnittmuster Rapper/Sängerin zusammengestellt und in Fließbandproduktion veröffentlicht, wechselte die Besetzung nicht selten, der Erfolg blieb in den meisten Fällen auf ein oder zwei Singlehits beschränkt. Der Kopf hinter dieser hessischen Version, der DJ und Soundtüftler Torsten Fenslau, kam nach Veröffentlichung dieser Single, dem Nachfolger des europaweiten Tophits "Mr. Vain" (Nummer 1 u.a. in Deutschland und dem Vereinigten Königreich) im November 1993 bei einem Verkehrsunfall ums Leben.

Wie in diesem Genre üblich, wird bei dieser Maxi-CD auf separate Bonustitel verzichtet. "Got To Get It" liegt also als einziger Song in insgesamt fünf Remixen (Raw Deal Mix, Club Mix, Extended Album Mix, Hypnotic Mix und Radio Mix) von insgesamt knapp 30 Minuten Lauflänge vor. Stilistisch natürlich eng an den Hit-Vorgänger angelegt, gibt es wenig Aufregendes zu hören. Die üblichen wechselnden Rap- und Vocal-Passagen, das typische synthetische Hi-Hat-Gedengel im Hintergrund und werden gedeckelt von flächigen Trance-Sounds. Insgesamt ist das Tempo nicht sonderlich hoch und die Mixe ähneln sich bis auf den Extended Album Mix und den Hypnotic Mix (Empfehlung im Booklet: Kopfhörer benutzen!) doch sehr. Ersterer beinhaltet ein paar interessante Instrumentalmomente mit zirpenden Synthiesounds, zweiterer hat mit seinen teilweise beruhigenden, teilweise sägenden Klängen tatächlich geradezu hypnotische Wirkung - eindeutig die stärkste Version!

Insgesamt eher Zeitdokument als wirklich musikalischer Erkenntnisgewinn. Durch eine Sammlungsübernahme in meine Bestände gelangt.

Bewertung: 2 von 5

Donnerstag, 12. August 2010

Buch-Rezensionen (196): Wolfgang Held - ...auch ohne Gold und Lorbeerkranz (1983)

(Cover: Amazon.de)

Nach einem schweren gesundheitlichen Schicksalsschlag wieder in das normale Leben zurückzufinden, dürfte zu den härtesten Prüfungen zählen, die einem Menschen auferlegt werden können. Schlimmer noch, wenn davon Kinder und Jugendliche getroffen werden. Von einem solchen Kampf um wieder zu erlangende Normalität erzählt dieses 1983 in der DDR erschienene Jugendbuch des Thüringer Autors Wolfgang Held.

Der zwölfjährige Sebastian, ein vielversprechender Nachwuchsturner, verliert bei einem Verkehrsunfall einen Teil seines linken Fußes. Mit diesem körperlichen Handicap scheint es unmöglich zu sein, den geliebten und bisher den Lebensmittelpunkt bildenden Sport weiter auszuüben. Denn auch wenn sein Trainer und die Freunde Koni, Eule, Heinz und Steffen aus seiner "Die Musketiere" genannten Turnriege an ihn glauben - wie soll er mit Schmerzen und einem halben Fuß die Anforderungen des Leistungssports erfüllen? Zumal ihn der erfolgssüchtige Sektionsleiter Waldemann aus dem Verein drängen will...

Auch wenn sich die fiktive "BSG Elektron Tannenthal" aufgrund ihrer Eigenschaft als sogenannte Betriebssportgemeinschaft nur auf einer unteren Hierarchiestufe des DDR-Sportsystems befindet, bekommt man in diesem Buch dennoch einen rechts guten Einblick in das Förder- und Leistungssystem des untergegangenen Staates. Der Unsympath Waldemann steht dabei symptomatisch für die verknöcherte Sportfunktionärskaste, denen für den auf die eigene Person abstrahlenden Erfolg kein Mittel und keine Intrige zu schade ist. Und auch wenn die sehr einfühlsam geschriebene Geschichte Sebastians im Vordergrund steht, kann man dennoch die knallharten Ausmaße des landestypischen Selektionsprinzips erahnen.

Ein gewisses Hintergrundwissen erleichtert die Lektüre des Buchs, muss man sich doch mit DDR-typischen Wortschöpfungen wie "Rollbrett" als Synonym für Skateboard auseinandersetzen. Die damals herausgegebene Altersempfehlung beträgt 12 Jahre, Leser dieses Jahrgangs dürften sich aber aufgrund des ihnen sehr fremden Szenarios und des für heutige Verhältnisse gemächlichen Erzähltempos langweilen. Daher aufgrund der gegebenen Einsichten in den ostdeutschen Alltag eher ein Lesetip für Erwachsene aus Ost und West.

Bewertung: 4 von 5

Mittwoch, 11. August 2010

DVD-Rezensionen (196): Prison Break - Die komplette Season 4 (2008)

(Cover: Amazon.de)

Man hatte nach der missratenen dritten Staffel ein ums andere mal das Gefühl: hier ist die Luft raus! Zu lustlos und hingeschludert wirkten die Folgen der in Panama spielenden Season, wohl dem damals tobenden US-Autorenstreik geschuldet. Die Lust auf eine vierte Runde war bei mir daher deutlich gesunken, aber die positive und unerwartete Überraschung befindet sich in dieser optisch wieder sehr netten Box in Form von 22 Episoden auf sechs DVDs.

Das große Finale steht an und der Endkampf gegen die allmächtige COMPANY hat begonnen. Michael Scofield (Wentworth Miller) und seine Schicksalsgenossen werden gegen die Zusage von Straffreiheit vom FBI-Agenten Don Self (Michael Rapaport) beauftragt, das mysteriöse Speichermedium Scylla zu stehlen, welches Informationen enthalten soll, die zur Vernichtung der scheinbar allmächtigen Organisation notwendig sind. Doch hinter Scylla sind auch noch mehrere andere Interessengruppen her, so dass die Jagd zum tödlichen Wettlauf wird. Schlimmer noch: es wird nötig, in die hochgesicherte Zentrale der COMPANY einzubrechen...

Es geht wieder einmal recht heftig zu im "Prison Break"-Universum. Da wird (wie in US-Serien in letzter Zeit häufiger zu sehen) gefoltert, um an Informationen zu kommen und der Body Count ist unverändert hoch. Ob das in jedem Fall sein muss, möchte ich einmal dahingestellt lassen. Viel ärgerlicher ist eher, dass eine ein der dritten Staffel mit viel Tamtam eingeführte Figur (der von Chris Vance gespielte James Whistler) gleich zu Beginn der Season äußerst lieblos aus der Handlung geschmissen wird. Damit wird der ähnlich unbefriedigende Abgang von Anwältin Veronica Donovan (Robin Tunney) zu Beginn von Staffel zwei wiederholt. Ich kann mir das nur mit zu hohen Gagenfoderungen/anderen Verpflichtungen der betreffenden Schauspieler erklären.

Eines vorneweg: dies ist TV-Entertainment, das seine Spannung aus der Erzählgeschwindigkeit, irren Plot Points und permanent wechselnden Freund-Feind-Konstellationen zieht. Die Logik ist dabei schon lange auf der Strecke geblieben, Puristen mögen sich also aufgrund einiger hanebüchener Szenen mit Grausen abwenden. Ist man aber in der Lage, sich fern jedes Bierernstes auf das Verfolgen des Einbruchsdramas einzulassen, wird man stellenweise nervenzerfetzende Spannung genießen können. Dies ist wohl eine Glaubens- und Ansichtssache, ohne große Möglichkeiten von Zwischentönen. Ich bin an für sich ein TV-Muffel im Allgemeinen und kein großer Serienfan im Speziellen. Aber dennoch: "Prison Break" hat mich gepackt!

Lobenswert wie immer die sehr ordentliche Bild- und Tonqualität und das erneut umfangreiche Bonusmaterial (u.a. 9 Audiokommentare). Auch die deutsche Synchronisation geht in Ordnung, wobei man sich aber bewusst sein sollte, dass diese Box die von RTL verantwortete Schnittfassung der letzten Episoden enthält. Das heißt, dass der in den Staaten separat gesendete Epilog "The Final Break" hier in chronologischer Reihenfolge integriert ist.

Ob man letztendlich die gesamte Serie mit dem Wissen um die Entwicklungen ein zweites Mal genießen kann, weiß ich noch nicht - ich werde diesen Versuch auf jeden Fall bei Gelegenheit angehen...

Bewertung: 4 von 5

Dienstag, 10. August 2010

CD-Rezensionen (195): Herbert Grönemeyer - Gemischte Gefühle (1983)

(Cover: Amazon.de)

Mit seinem vierten Album aus dem Jahre 1983 begann Herbert Grönemeyer, sich endlich vom schwerverdaulichen Jazzrock seiner frühen Jahre zu lösen. Zwar bot schon auch die ein Jahr zuvor veröffentlichte LP "Total egal" den einen oder anderen vielversprechenden Ansatz, jedoch wirkte das alles noch viel zu sprunghaft und unausgegoren. Hier jedoch schaltete der Mann mit der Knödelstimme weitestgehend auf den schnörkellosen Deutschrock um, der ihn letztendlich berühmt machen sollte.

Symptomatisch steht dafür vielleicht das einleitende "Musik nur, wenn sie laut ist", soweit ich mich erinnern kann, der erste TV-Auftritt, den ich von Grönemeyer je sah. Der eingängige Song über ein taubes Mädchen wird zwar vom damals noch mit verwegenem Scheitel ausstaffierten Barden mit äußerst gepresster Stimme - seinem Markenzeichen über lange Jahre - vorgetragen, die Melodie haut aber gut ins Kontor. Allgemein wird sich in textlicher Hinsicht einer ganzen Palette von Problematiken gewidmet, seien es das Schicksal von damals noch "Gastarbeiter" genannten Migranten ("Onur"), Konsumterror ("Kaufen"), Homophobie ("Etwas Warmes") oder des Mannes liebstes Spielzeug ("Kadett"). Das Thema Liebe wird eher aus pessimistischer Sicht behandelt. Gerade das sehr schöne "Moccaaugen" geht schwer ans Gemüt und auch "Ich hab' Dich bloß geliebt" versprüht alles andere als Lebensfreude. Dann schon das schräge und voller Dissonanzen steckende "Hallo, was macht'n Ihr?" als Ausklang mitsingen...

Zwar ist hier noch nicht alles Gold, was glänzt, denn Schwachpunkte wie das furchtbar kitschige "Komm zurück", das völlig gegen den Baum gefahrene "Kadett" oder "Diamant" finden sich durchaus noch, auch "Kaufen" sagt mir wenig zu. Aber: insgesamt sehr hörenswert und ausbaufähig!

Half letztendlich alles nix - nach dieser kommerziell einmal mehr nicht erfolgreichen Platte kündigte Grönemeyers Plattenfirma Intercord den Vertrag. Ob das nun angesichts des mit dem nächsten Album folgenden Durchbruchs eine hilfreiche oder grenzenlos dumme Entscheidung darstellte, wird wohl nie mehr geklärt werden können...

Bewertung: 3 von 5

Montag, 9. August 2010

Buch-Rezensionen (195): Suleikas Hochzeitsgeschenk (1967)

(Cover: Amazon.de)

Nachdruckband sieben der Ritter Runkel-Serie enthält wiederum sechs Hefte des Mosaiks von Hannes Hegen aus dem originalen Veröffentlichungszeitraum Juli bis Dezember 1967, historisch betrachtet wirklich hochdramatischen Monaten. Während also in der realen Welt praktisch täglich Geschichte geschrieben wurde, befindet man sich in der Welt der Digedags immer noch im ausgehenden 13. Jahrhundert.

Dig, Dag und Runkel haben mittlerweile das Gebiet erreicht, in dem Runkels Vater vor vielen Jahren einen legendären Schatz versteckt zurücklassen musste. Das Gebiet wird von einem Emir beherrscht, der Vater und Schwiegervater von guten alten Bekannten des Trios ist - Suleika und ihr Mann Janos Koloda. Runkel eckt mit seiner plumpen und tollpatschigen Art ein ums andere Mal beim sittenstrengen Herrscher an, der aufgrund einer seit Jahrhunderten geführten Familienchronik so einige Märchen der Rübensteinschen Familiengeschichtsschreibung entlarvt. Aber Runkel ist von seinen Schatzsucherplänen nicht abzubringen...

Die erste Hälfte dieses Sammelbands widmet sich der Schatzsuche in Kleinasien, mit interessanten Rückblicken in die Zeit um 1205, in der Dig und Dags verschollener Gefährte Digedag höchstselbst eigene Erlebnisse in die Chronik der Burg Neurübenstein einträgt. Die zweiten drei Hefte begleiten die Abenteurer auf ihrer Weiterreise am Euphrat, in dem sie es mit kriegerischen Mongolen, dem Scheich von Basra und drei Alchemisten-Scharlatanen zu tun bekommen. Und auch auf diesem Abschnitt der Reise hat Digedag seine Spuren hinterlassen. Das Finale gipfelt in einer turbulenten Geschichte im Harem von Basra, Verfolgungsjagden und Kissenschlachten inklusive.

In dieser Ausgabe geht es wahrlich quirlig zu, es passiert praktisch nonstop etwas Aufregendes. Selbst die Geschichtsrückblicke sind für das Verständnis der Handlung informativ, wird dort doch beispielsweise der Ursprung der Fehde zwischen den Geschlechtern derer von Rübenstein und Kuckucksberg erklärt. Trotzdem ist das Szenario stellenweise sehr düster, sowohl die kriegerischen Mongolen als auch der die durch viele Kämpfe heruntergekommene Stadt Basra beherrschende Scheich sind aller Komik zum Trotz recht finstere Gesellen. Aber nach dem stellenweise recht langatmigen sechsten Band der Nachdrucke ist dieser Nachfolger aufgrund seiner einzigartigen Mischung aus Spannung und Bildung wieder vorbehaltlos zu empfehlen!

Bewertung: 5 von 5

Donnerstag, 5. August 2010

DVD-Rezensionen (195): Harry Potter und der Halbblutprinz (2-Disc-Edition) (2009)

(Cover: Amazon.de)

Die sechste Harry Potter-Verfilmung geht schon mit einem ganz entscheidenden Handicap in die Startblöcke, liegt doch der erneut von Regisseur David Yates verantworteten Bebilderung des Millionensellers von Joanne K. Rowling der - Achtung, subjektive Meinung! - schwächste Band der Zauberer-Saga zugrunde. Dieser erschöpft sich über weite Strecken in Rückblenden in die frühen Jahre des später zum Potter-Erzfeind avancierten Tom Riddle alias Lord Voldemort und bietet, von einem furiosen Showdown abgesehen, wenig blockbustertaugliches Potential.

Ich gebe also zu, dass ich mit relativ geringen Erwartungen an den 147 Minuten langen Streifen herangegangen bin und sah mich leider in meinen Befürchtungen bestätigt. Schlimmer noch, ausgerechnet die Spannung und filmtaugliche Action versprechenden Passagen gegen Ende des Buchs fielen einer allgemein in weiten Teilen schwer nachvollziehbaren Änderungswut der Drehbuchautoren zum Opfer. Eine Bearbeitung ist unausweichlich, wenn es um die notwendige Straffung eines umfangreichen Vorlagenstoffs geht. Ärgerlich wird es nur dann, wenn wie schon in diversen Vorgängerfilmen einerseits für das Verständnis der Handlung wichtige Informationen unter den Tisch fallen und andererseits völlig neu erfundene Szenen eingebaut werden. Das verwirrt Außenstehende und verprellt die kundigen Leser.

Bei einigen Veränderungen wird zudem die Absicht deutlich, mittels Abmilderung des Stoffs durch die mehr Umsatz versprechende niedrigere Altersfreigabe zu rutschen. Die Höhlenszene mit Harry Potter und Dumbledore ist beispielsweise einer der beklemmendsten Momente der ganzen Heptalogie. Die Qual und die Schmerzen beim Austrinken der vergifteten Flüssigkeit wird besonders im Hörbuch deutlich, in dem sich Rufus Beck praktisch die Seele aus dem Leib schreit und den Ohrenzeugen erschüttert zurücklässt. Hier wird das Ganze praktisch en passant abgehandelt und man muss sich nach der Notwendigkeit solcher Änderungen fragen, ist doch das gesamte Szenario schon längst nichts mehr, was man in irgendeiner Art und Weise mit dem Genre "Kinderfilm" in Verbindung bringen würde.

Da auch die Logik und Stringenz ein ums andere Mal aus dem Ruder läuft, bleiben am Ende Enttäuschung und selbst Langeweile nicht aus, erschöpft sich doch der Film in wenig überzeugend gespielten ersten Schritten im Bereich der pubertären Gefühlsaufwallungen. Man muss der Mehrheit der versammelten jugendlichen Schauspielerriege attestieren, sich trotz der von Jahr zu Jahr gesammelten Erfahrung nicht wirklich weiterentwickelt zu haben. Richtig schlecht sehen Radcliffe, Grint & Co. immer dann aus, wenn sie es direkt mit solch bühnen- und filmgestählten Schauspiel-Cracks wie Alan Rickman, Robbie Coltrane oder Helena Bonham Carter zu tun haben, denn dann wird der Unterschied im Können und die Limitiertheit der Jungdarsteller in Ausdruck und Mimik geradezu schmerzhaft deutlich. Ich bin mir relativ sicher, dass der eine oder andere Verantwortliche im Hause Warner Brothers so manche mit dem ersten Film für die weiteren Teile festgelegte Besetzungsentscheidung mittlerweile bereut.

Technisch rangiert diese Doppel-DVD weitab jeder Referenz im Mittelfeld. Das Bild ist relativ dunkel und kontrastarm, heimische Soundsysteme werden aufgrund der Dialoglastigkeit des Films auch nur selten wirklich gefordert. Dann allerdings rumpelt es ordentlich in den Boxen, da der Lautstärkeunterschied für meinen Geschmack etwas drastisch ausgefallen ist.

Die Bonus Disc bietet ein gutes Dutzend entfallener Szenen, die allerdings bis auf zwei Ausnahmen (Professor Flitwick dirigiert während eines aufziehenden Unwetters den Schulchor/Harry, Ron und Hermine auf dem Astronomieturm) berechtigt aus dem Hauptfilm gekippt wurden. Desweiteren gibt es drei recht launige Kurzdokus, die von Matthew Lewis, Alfred Enoch und Tom Felton, den Darstellern der Charaktere Neville Longbottom, Dean Thomas und Draco Malfoy, moderiert werden. Hierfür sollte man allerdings über belastbare Fremdsprachenkenntnisse verfügen, da die nur in der englischen Tonspur vorliegenden Einblicke hinter die Kulissen und Darstellerinterviews dermaßen rasant geschnitten sind, dass die zuschaltbaren Untertitel mangels langer Einblendung praktisch kaum lesbar sein dürften. Ebenfalls ohne wirklichen Nutzwert sind die Vorabinformationen über den mittlerweile eröffneten Harry Potter-Themenpark in Orlando, Florida, da für diesen DVD-Bonus nur Modellaufbauten aus der Planungsphase des Parks zur Verfügung standen.

Richtig gut hingegen die etwa 45minütige Reportage über Joanne K. Rowling, die ein Jahr mit der Kamera begleitet wurde. So unter anderem in dem Moment, in dem in einem Glasgower Hotel der letzte Potter-Band beendet wurde. Sehr erstaunlich, wie normal und humorvoll die Multimillionärin geblieben zu sein scheint und wie offen die Autorin über leidvolle Lebenserfahrungen spricht, nicht selten den Tränen nahe. Ich gebe zu - dieses Porträt hat mich sehr beeindruckt!

Bewertung: 2 von 5

Mittwoch, 4. August 2010

CD-Rezensionen (194): The Beatles - Beatles For Sale (1964)

(Cover: Amazon.de)

Man kann sich heutzutage wahrscheinlich gar nicht mehr den dauerhaften Stress vorstellen, dem die vier Liverpooler Herren in der Hochphase der Beatlemania ausgesetzt waren. Das Musikvideo als terminlich entlastendes Promotioninstrument setzte sich erst später auf breiter Front durch und so hieß es Mitte der 60er Jahre praktisch am Stück: touren, TV- und Pressetermine absolvieren, auf allen Kontinenten seine Aufwartung machen - wo da noch Zeit für songwriterische Kreativität übrig bleiben sollte, war daher mehr als fraglich.

Glück also für Band und Plattenfirma, dass im Clubkonzert-gestählten Repertoire des Quartetts noch ausreichend Stoff in Form von Coverversionen und bereits fertiggestellten Stücken vorhanden war - ausreichend, um den mittlerweilen vierten Longlayer unter das nach Nachschub gierende Fanvolk zu werfen. Man merkt diese Improvisation allerdings recht deutlich, denn die Qualitätsschwankungen zwischen den 14 Songs, von denen sechs nicht aus der Feder des Duos Lennon/McCartney stammen, sind doch teilweise recht erheblich.

Dabei hat das noch nicht einmal unbedingt etwas mit der Urheberschaft der Songs zu tun. Der alte Chuck Berry-Heuler "Rock And Roll Music" aus dem Jahr 1957 funktioniert auch im Beatles-Sound super, während hingegen die Herren John und Paul auch schon lichtere Kompositionsmomente als das schnulzige "I'll Follow The Sun" hatten. Wenigstens ist mit "Eight Days A Week" einer der Bandklassiker vertreten, aber auch "No Reply", "I'm A Loser", "Every Little Thing" und "I Don't Wanna Spoil The Party" bringen den typischen Sound der ersten Schaffensphase sehr gefällig zum Tragen. Dennoch hat man häufig das Gefühl, einem recht unausgegorenen Schnellschussprodukt beizuwohnen. Gerade wenn sich die Platte mit dem doch recht erklecklichen Rest des Beatles-Œuvres messen lassen muss, fällt dieser Abfall doch recht deutlich ins Gewicht. Trotzdem bleibt auch "Beatles For Sale" auf einem vergleichsweise hohen Niveau, muss aber im internen Vergleich einige Federn lassen.

Bewertung: 3 von 5

Dienstag, 3. August 2010

Buch-Rezensionen (194): Eoin Colfer - Artemis Fowl-Die verlorene Kolonie (Hörbuch) (2008)

(Cover: Amazon.de)

Eines vorneweg: ich bin ein erklärter Fan das Handlungsuniversums rund um das jugendliche irische Superhirn Artemis Fowl und seiner unterirdischen Freunde. Dennoch: mit diesem fünften Band der Reihe hat sich Autor Eoin Colfer meines Erachtens keinen Gefallen getan und richtig gründlich danebengegriffen. Der intelligente Mix aus Fantasy und Technikelementen plus Artemis' ausgeklügelten Gaunereien, der die vorangegangenen Romane so spannend und unterhaltsam machte, scheint hier leider vollständig abhanden gekommen zu sein.

Diesmal dreht sich alles um die neu eingeführte Rasse der Dämonen, die durch einen missglückten Bann auf einer Insel im Zeitmeer leben. Da dieser Bann an Wirkung verliert und durchlässig zu werden scheint, droht die Gefahr des Eindringens der Dämonen in die menschliche Dimension. Neben Artemis scheinen sich noch andere zwielichtige Gestalten für diese neuen Entwicklungen zu interessieren, bis die Lage nach einem ungewollten Dimensionssprung dramatisch zuspitzt...

Auf dem Papier scheinen eigentlich alle Zutaten für einen erneut spannenden Plot vorhanden zu sein. Bekannte und liebgewonnene Gestalten geben sich einmal mehr ein Stelldichein, die Handlung vollführt ihre gewohnten wilden Schlenker und reale und fiktive Örtlichkeiten und Technik werden geschickt miteinander verwoben. Dennoch hat mich diese Folge trotz des erneuten Mitwirken meines absoluten Lieblings, des kleptomanischen Zwergs Mulch Diggums, seltsam kalt gelassen. Das gewohnte atemlose Mitfiebern mit den Protagonisten will sich selten bis überhaupt nicht einstellen und auch die neu eingeführten Gegenspieler wirken unangenehm blutleer und unausgereift. Da kann auch diesmal Rufus Beck mit seiner Stimmakrobatik nicht viel ausrichten - es hakt einfach an zu vielen Enden!

Doch es kann Entwarnung gegeben werden. Nach diesem zwischenzeitlichen Tief besann sich Colfer wieder auf seine Stärken und lieferte mit dem Nachfolger "Das Zeitparadox" wieder erstklassige Qualitätsarbeit ab. Somit sollte man "Die verlorene Kolonie" als verzeihbares Schwächeln ansehen und sich der Vollständigkeit zuliebe auch einmal dieses Bands annehmen.

Bewertung: 2 von 5

Montag, 2. August 2010

DVD-Rezensionen (194): Doctor's Diary - Männer sind die beste Medizin: Staffel 1 (2008)

(Cover: Amazon.de)

Es mag ja sein, dass beim Überraschungs-TV-Erfolg "Doctor's Diary" die eine oder andere US-Sitcom aus dem Bereich des Gesundheitswesens um die Ecke lugt oder die deutsch-österreichische Co-Produktion auf ein eher weibliches Zielpublikum setzt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich mich (als Mann!) durchaus köstlich über die Liebesnöte der permanent mit Männer- und Gewichtsproblemen kämpfenden Gretchen Haase (Diana Amft) amüsiert habe. Selten war aus heimischen Gefilden eine humorvolle Serie mit einem dermaßenen Tempo zu sehen, die allen Gags zum Trotz durchaus auch besinnliche oder gar tragische Erzählmomente beinhaltet.

Ort der Handlung ist eine Berliner Klinik, deren Chefarzt Gretchen Haases fremdgehender Vater (Peter Prager) ist. Dieser macht seiner nach einer in letzter Minute geplatzten Hochzeit vor einem Trümmerhaufen stehenden Tochter das Angebot, ihre Facharztausbildung in seinem Krankenhaus zu beenden. Zu dumm, dass der chirurgischen Station ausgerechnet der Schwarm ihrer Jugend, der Egoist Marc Meier (Florian David Fitz), als Oberarzt vorsteht. Emotionale Probleme sind damit vorprogrammiert, die der sensible Gynäkologe Dr. Kaan (Kai Schumann) nur noch verschlimmert...

Freilich dürfte es in keinem Krankenhaus so turbulent zugehen wie hier dargestellt. Dennoch fließt ordentlich Filmblut und auch Tod und menschliches Leid werden nicht ausgespart. Das bedeutet, dass bei "Doctor's Diary" keineswegs nur Klamauk und Pointen im Sekundentakt vorherrschen, sondern auch nachdenklich machende Schicksale thematisiert werden. Hier haben Erfinder Bora Dağtekin, der schon mit "Türkisch für Anfänger" eine von der Kritik hochgelobte, jedoch vom TV-Publikum weniger goutierte Serie verantwortete und seine Co-Autoren ganze Arbeit geleistet. Wohl nicht umsonst wirkten diverse Haupt- und Nebendarsteller der Weißkittel-Episoden in beiden Serien mit. Meine persönliche Favoritin ist hierbei die herrlich trockene Annette Strasser als Darstellerin der Stationschwester Sabine, einer geradezu hinreißend schrägen Träne.

Bild und Tonqualität dieser DVD-Box sind solider TV-Durchschnitt, Bonusmaterial gibt es in Form diverser Audiokommentare und Interviews, eines alternativen Pilotfilm-Beginns, geschnittenen Szenen sowie der für eine Sitcom wohl unvermeidlichen Outtakes. Prima Unterhaltung, von mir volle Punktzahl!

Bewertung: 5 von 5