Montag, 29. Dezember 2008

DVD-Rezensionen (110): Deutschland. Ein Sommermärchen (2006)

(Cover: Amazon.de)

Dass der Dokumentarfilm "Les Yeux dans les Bleus", der die französische Nationalmannschaft auf dem Weg zum Titelgewinn bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land 1998 zeigt, Sönke Wortmann auf die Idee brachte, ein eigenes Projekt mit der DFB-Elf zur WM 2006 in Deutschland auf die Beine zu stellen, ist bekannt. Aber anscheinend hatte der Regisseur dermassene Panik, als reiner Plagiator dazustehen, dass er versuchte, alles krampfhaft auf "anders" zu bürsten. Soll heißen: wenig Spielszenen, kaum Originalkommentare, keine dramatische Musik, nichts. Das wird vor allem im Audiokommentar als "bewusst Kontraste setzen" schöngeredet. Ich nenne das eher: Verpasste Chance.

Auch ich gehörte zu den zahlreichen erwartungsfrohen Fußballfans, denen der Sommer 2006 ein unglaubliches Freuden- und Zusammengehörigkeitsgefühl gab und der deshalb diesem mit vielerlei Vorschusslorbeeren versehenen Dokumentarfilm entgegenfieberte. Ein Bericht aus dem inneren Zirkel, ganz nah dran an der Mannschaft? Was mußte das für interessante Einblicke geben, Neues, nie vorher Gesehenes bieten?

Umso schlimmer die Enttäuschung nach der TV-Ausstrahlung. Kaum Spannung, fast keine Stimmung, keine Magie des "Sommermärchens", gar nichts. Alles, was halbwegs interessant zu werden droht, wird nur angerissen, überflogen, abgehakt, abgewürgt. Was für eine vertane Gelegenheit! Der kommerzielle Erfolg des Filmes sollte darüber nicht hinwegtäuschen, zumal ihm dieser aufgrund des Spendenanteils an karitative Kindereinrichtungen ohnehin zu wünschen war.

Das traurige Bild setzt sich beim Bonusmaterial fort. Ein Audiokommentar von Wortmann und Bastian Schweinsteiger, der sich größtenteils auf Dialoge á la "Ja, daran kann ich mich noch erinnern" oder "Ja, das war wirklich schön" beschränkt. Weiterführende Informationen weitestgehend Fehlanzeige. Geschnittene Szenen, denen man sofort ansieht, warum sie im fertigen Film keine Verwendung fanden. Und Bilder von der Berliner Premiere, die auch in den im Vorfeld der Aufführung aufgezeichneten Prominenten-Interviews die riesige Erwartungshaltung widerspiegeln. Mich hätte einmal die Meinung von Monica Lierhaus, Anne Will & Co. nach der Premiere interessiert...

Sportdokumentationen müssen nicht zwangsweise nur einen Erfolg begleiten, auch Scheitern kann ein interessantes Sujet sein. Aber eines dürfen sie keinesfalls: langweilen. Man kennt den Ausgang der Geschichte und kann so nur bei einem richtig packend gestalteten Film mitfiebern. Wie so etwas auch in Deutschland gelingen kann, hat der Handball-WM-Begleitfilm "Projekt Gold" eindrucksvoll bewiesen, dieser sei Sportfans wärmstens ans Herz gelegt, da dort auch der Restinhalt der DVD stimmig ist. Allein die dortigen geschnittenen Szenen sind witzig und informativ und die eingebundenen, vom Originalkommentar begleiteten Spielszenen reißen alles mit.

Ich besitze die sieben WM 2006-Matches der DFB-Elf auf DVD. Diese werden wohl oft noch den Weg in meinen Player finden. "Deutschland. Ein Sommermärchen" eher nur noch zur Ergänzung. Schade, da war deutlich mehr drin.

Bewertung: 2 von 5