Montag, 26. Juli 2010

DVD-Rezensionen (193): WM-Klassikersammlung, Ausgabe 35 - Viertelfinale 2006 BR Deutschland - Argentinien (5:3 n.E.) (2006)

(Cover: Amazon.de)

Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland veröffentlichte die "BILD am Sonntag" zusammen mit dem Sammelserien-Spezialisten DeAgostini eine ursprünglich auf 30 Ausgaben angelegte, dann aber mit den hinzugefügten sieben Spielen der DFB-Elf bei der WM auf 37 DVDs erweiterte Reihe, die große Partien der deutschen Elf bei Weltmeisterschaften sowie einige Klassiker ohne deutsche Beteiligung in nicht-chronologischer Reihenfolge enthielt. Allen Scheiben war ein Begleitheft mit weiterführenden Informationen über Vorgeschichte, Hintergründe sowie statistischen Elementen wie Aufstellungen etc. beigefügt.

Wie man aus den Erfahrungen des WM-Jahres 2010 weiß - Geschichte wiederholt sich. Denn wie in Südafrika kreuzten sich vier Jahre zuvor im Viertelfinale die Wege des deutschenTeams und Argentiniens, wobei letzteres zuvor - auch genau wie 2010 - die Mannschaft Mexikos aus dem Weg geräumt hatte. 2006 gingen die "Albiceleste" sicherlich noch mit einem größeren Favoritenrucksack ins Rennen, hatte man doch in der Vorrunde brilliert und mit genialen Spielzügen unter anderem die Mannschaft Serbien-Montenegros mit 6:0 auseinandergenommen.

Nach der durchgehend gewonnenen Vorrunde und dem souverän bestrittenen Achtelfinale gegen Schweden somit der erste richtig schwere Brocken für das deutsche Team. Gerade die erste Halbzeit macht im Rückblick deutlich, mit welchen Problemen man gegen die auch in den Verteidigerreihen offensivstarken Südamerikaner hatte. Daher ist es nur fair, einmal auf die besondere Rolle David Odonkors in diesem Spiel hinzuweisen. Oftmals als "One Trick Pony" verspottet und beim Rückblick auf dieses Turnier einzig und allein auf seine Vorlage beim in letzter Minute gewonnen Vorrundenspiel gegen Polen reduziert, band er nach seiner Einwechslung mit seinen Tempoläufen auf der rechten Seite wirkungsvoll den in Durchgang eins immer wieder nach vorn stürmenden Juan Pablo Sorín und sorgte somit für eine spürbare Entlastung.

Dennoch: alles andere als ein leichtes Stück Arbeit. Man geriet erstmals bei diesem Turnier in Rückstand und profitierte darüber hinaus noch von der verletzungsbedingten Auswechslung des argentinischen Stammtorwarts Abbondanzieri, der mit dem viel zu ungestümen Miroslav Klose zusammenprallte. Ersatzkeeper Leo Franco sah weder bei Kloses Ausgleichstreffer 10 Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit sonderlich glücklich aus, noch hatte er eine nennenswerte Chance beim entscheidenden Elfmeterschießen. Und das Trainer José Pekerman bei einem derartig knappen Vorsprung mit Riquelme den wichtigsten Mann aus dem Spiel nahm, darf als einer der folgenreichsten taktischen Fehler dieses Turniers gelten.

Das Nervenspiel vom Punkt bildete sicherlich in vielerlei Hinsicht den Höhepunkt des Spiels im Berliner Olympiastadion. Neben dem sportlichen Duell bildete ein schnöde bekritzelter Zettel mit dem Briefkopf des "Schlosshotels im Grunewald" den zentralen Aufreger. Immer wieder von Torwart Jens Lehmann demonstrativ aus dem Stutzen gekramt und eingehend studiert, wurde erst im Nachhinein der Inhalt - die Schuss-Vorlieben der argentinischen Schützen - bekannt. Allgemein stand der damalige Arsenal-Torhüter im Focus, die versöhnliche Shakehands-Szene mit Dauerrivale Oliver Kahn vor dem Elfmeterschießen wurde legendär. Dass die Nummer Eins noch gleich zwei Strafstöße hielt, passt zum Bild dieses Tages.

Das Nachspiel, in dem die frustierten Argentinier eine hässliche Rangelei auf dem Platz anzettelten samt der daraus resultierenden nachträglichen Sperre für Torsten Frings ist ob seiner Entstehung und seiner Folgen für das deutsche Team bis in jede Einzelheit analysiert worden. Fest steht, dass die DFB-Elf für das Halbfinale gegen Italien geschwächt wurde, der Einfluss des ausgerechnet italienischen Senders Sky Italia bei der Bekanntmachung der zur Beweisführung herangezogenen TV-Bilder ein gewisses "Gschmäckle" hatte und die Fifa bei der WM 2010 in puncto nachträgliche Bestrafung eine im Vergleich geradezu absurde Gleichgültigkeit an den Tag legte.

Sportlich vielleicht nicht die beste Partie des Turniers, sicherlich aber jedoch eines der dramatischsten. Positiv an dieser DVD: wie bei den anderen ARD-Mitschnitten der sieben angebotenen Spiele der WM 2006 beschränkt sich das Angebot nicht allein auf das Match, sondern in den deutlich über drei Stunden Material sind auch die Vorbetrachtungen und Halbzeitanalysen von Gerhard Delling und Günter Netzer, sowie Halbzeitinterviews mit Monica Lierhaus enthalten. Unterirdisch hingegen die Bildqualität, jede Menge störende Artefakte trüben den Sehgenuss doch ganz erheblich. Und über die Kommentier-Fähigkeiten von Reinhold Beckmann möge man den gnädigen Mantel des Schweigens legen...

Bewertung: 4 von 5