Donnerstag, 22. Juli 2010

Geschockt

Kann man um jemanden trauern, den man kaum kennt? Rückblick: Am Osterwochenende musste ich mich wegen einer akuten Lungenentzündung per Notarzt ins örtliche  Krankenhaus begeben und blieb dort anderthalb Wochen. Etwa am dritten Tag bekam ich einen sehr netten Zimmergenossen, mit dem ich die doch recht triste Zeit nach bester Möglichkeit totschlug.

Da der Chefarzt die gesamte Woche nach den Feiertagen im Urlaub war, bekamen wir beide vom vertretenden Personal bezüglich unserer Diagnosen nur ausweichende Antworten. Er irgendwas mit dem Magen, bei mir irgendwelche verrückt spielenden Blutwerte. Erst nach der Rückkehr des Professors bekam ich endgültige Klarheit und wurde bei der Gelegenheit auch gleich entlassen, während ich bei der Visite aus Richtung des Nachbarbetts noch die ärztlichen Worte "was gefunden", "gefällt mir nicht" und "Chemotherapie fangen wir gleich morgen an" aufschnappte. Mit ein paar aufmunternden Wünschen und der Mahnung, ja nicht aufzugeben, verabschiedete ich mich am Mittag dieses Tages mit gemischten Gefühlen von meinem Leidensgenossen auf Zeit. Einerseits froh, halbwegs glimpflich davongekommen zu sein, andererseits mit ziemlichen Bedenken ob der gehörten Worte.

Heute nun der mentale Hammer. Mehr zufällig schlage ich im Pausenraum meiner Firma die herumliegende Zeitung auf und bleibe beim Blick über die Todesanzeigen an einem vertrauten Namen hängen. R., gerade einmal 53 Jahre alt, hat am 12.07. nach nur drei Monaten den Kampf gegen den Krebs verloren. Ich fühle mich sehr elend.

Noch einmal eingangs erwähnte Frage: Kann man um jemanden trauern, den man kaum kennt? Wie ich heute an mir feststellen musste - ja.