Sonntag, 25. Juli 2010

CD-Rezensionen (192): Camouflage - Bodega Bohemia (1993)

(Cover: Amazon.de)

Der Schock über den kommerziellen Misserfolg ihres dritten Albums "Meanwhile" muss Heiko Maile und Marcus Meyn mächtig in den Knochen gesteckt haben, vollzog man doch nach den - durchaus gelungenen - Experimenten mit akustischen Instrumenten auf der Vorgängerplatte und der damit verbundenen Abwanderung eines großen Teils der Fanschar eine zackige Kehrtwendung und besann sich auf dem Tonträger mit dem Frittencover wieder der alten Wurzeln. So dominieren auf "Bodega Bohemia" wieder die Synthieklänge, die die gelegentlich zu hörenden Gitarren, Bläser und realen Drums in den Hintergrund drängen.

Dass das als Comeback-Versuch konzipierte Werk dennoch eine verkaufstechnische Bruchlandung hinlegte, kreideten die Bietigheimer noch Jahre später hauptsächlich ihrem damaligen Distributor Metronome an, der die Promotionmittel zur Bewerbung des Albums rabiat eindampfte und stattdessen alle Kraft auf die Vermarktung des damaligen internationalen Top-Acts Ace of Base konzentrierte.

Dabei hat "Bodega Bohemia" ganz gewiss das Zeug zum All-Time-Klassiker innerhalb seines Genres. Eingängig poppig-tanzbare Nummern wie das zielgerichtet als Single-Auskopplung ausgewählte (dort allerdings mit einem recht üblen Remix versehene) "Suspicious Love" oder "Crime" werden durch ruhige, geradezu introvertierte Tracks wie "Pedestrian's Adventures", "Time Is Over", das traumhafte "Falling" oder "Bondage People" ergänzt. Einziger Schwachpunkt vielleicht "Jealousy", das mit seiner bemühten Rockigkeit und der hörbaren Überanspruchung der Stimme Marcus Meyns noch am wenigsten meinen persönlichen Geschmack trifft.

Dieser kleine Durchhänger wird aber komplett durch den Umstand konterkariert, dass das Album zu seinem Ende eine geradezu grandiose Steigerung hinlegt. Die sich in ihrer Art sehr ähnelnden "Close" und vor allem das nahezu neunminütige und in Kraftwerk-Manier endende "In Your Ivory Tower" als absolutes Highlight dieser CD lassen den Hörer förmlich in die Nacht davonschweben - fantastisch!

Mögen die beiden Schwaben auch damals erfolglos versucht haben, an alte Erfolge anzuknüpfen, das für mich in vielerlei Hinsicht sehr bemerkenswerte Jahr 1993 wäre ohne den Soundtrack aus der "böhmischen Weinstube" nicht komplett. Eines meiner zehn Lieblingsalben innerhalb einer mittlerweile auf über 1000 Tonträger angewachsenen Musiksammlung. Wer diese Rarität irgendwo noch auftreiben kann - kaufen!

Bewertung: 5 von 5