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Dienstag, 21. September 2010

Buch-Rezensionen (201): Gerhard und Christiane Vogel - Blase und Bläschen (1963)

(Cover: Amazon.de)

Für mich war es immer ein Festtag, bei meinen Besuchen meiner Großeltern in den Kinderbüchern meines Vaters und seiner jüngeren Geschwister zu stöbern. Somit fielen mir ein ums andere Mal Erscheinungen aus den frühen 60er Jahren in die Hände, die man heute als Erwachsener als interessante Zeitdokumente der DDR jener Jahre lesen kann, so auch dieses 1963 erschienene Kinderbuch des Schriftstellerehepaars Gerhard und Christiane Vogel.

Erzählt wird die Geschichte der beiden befreundeten Zweitklässler Udo und Werner alias Blase und Bläschen. Diese leben in einem für die Jahre kurz nach der Zwangskollektivierung typischen Dorf der DDR und vertreiben sich die Zeit mit frechen Streichen. In den normalen Alltag platzt im April 1961 die Nachricht über Juri Gagarins ersten Weltraumflug. Der großsprecherische Blase ist sofort Feuer und Flamme und will selbstverständlich auch Kosmonaut werden. Doch erst einmal muss er seinen skeptischen Freund von der Notwendigkeit seiner außergewöhnlichen Trainingsmethoden überzeugen...

Die Euphorie, die gerade den Ostblock nach Gagarins Flug erfasste, kann man heute kaum noch nachvollziehen, ansatzweise ist sie aber in diesem Buch zu erahnen. Somit vermengen sich hier Kinderstreiche nach Art der Lausbubengeschichten mit realem geschichtlichen Hintergrund. Ein gewisser moralischer Zeigefinger ist dabei jederzeit zu bemerken, denn das sozialistische Erziehungsideal wirkt selbstverständlich umgehend auf alle Aktivitäten der beiden Neunjährigen ein. Dies wirkt aus heutiger Sicht etwas fremd, ebenso wie Begriffe und Einrichtungen, die schon zu meiner Kinderzeit - etwa 15 Jahre später - überholt waren, wie die Maschinen- bzw. Reparaturtechnischen Stationen (MTS und RTS) auf dem Land. Auch die im Buch noch zahlreich vorkommenden Maikäfer dürfte heutzutage nur noch selten jemand zu Gesicht bekommen.

Dies alles sollte man bei der Lektüre im Hinterkopf behalten, was aber nicht davon abhalten kann, dass "Blase und Bläschen" auch noch nach fast fünf Jahrzehnten zu unterhalten weiß. 1968 erschien mit "Feuer, Wasser und Wolkenbruch" eine weitere Geschichte um die beiden Jungen.

Bewertung: 4 von 5

Montag, 13. September 2010

Buch-Rezensionen (200): Thomas Bernhard - Der Untergeher (1983)

(Cover: Amazon.de)

An und für sich bilde ich mir ein, auch gegenüber anspruchsvoller und nicht en passant zu konsumierender Literatur aufgeschlossen zu sein. Gerade die Bibliothek der Süddeutschen Zeitung hat diesbezüglich einige Herausforderungen in petto. Dennoch kam ich nicht umhin, mich nach der anstrengenden Lektüre des fünften Buchs der Edition aus der Feder des 1989 verstorbenen Österreichers Thomas Bernhard zu fragen: "Was war das jetzt?"

Zunächst die Fakten: Das 1983 erschienene Buch ist ein Monolog eines namenlos bleibenden Ich-Erzählers über die zunehmende Sinnlosigkeit seines Lebens und das des befreundeten Wertheim, beide Konzertpianisten und angesichts der virtuosen Genialität des ehemaligen Mitstudenten am Salzburger Mozarteum, Glenn Gould, von schweren Zweifeln bis hin zu Suizidgedanken gequält.

Dies klingt gar nicht mal uninteressant, insbesondere die Verquickung zwischen fiktiven und historischen Personen wie Gould oder Vladimir Horowitz und deren Einbindung in einen Kontext, der den realen Personen einen frei erfundenen Lebenslauf zuweist, ist von einer gewissen Genialität geprägt. Allerdings gebe ich auch gerne zu, dass mich Bernhards sprachliche Umsetzung fast an den Rand des Wahnsinns getrieben hat. Dass das gesamte Buch mit gerade einmal vier Absätzen (von denen drei die ersten drei Zeilen bilden) auskommt, ordne ich noch in die Rubrik "verschrobenes Stilmittel" ein. Aber die endlosen Wiederholungen von "dachte ich" "dachte er", "sagte ich", "sagte er" in ewig langen Schachtelsätzen zauberte mir diverse Knoten in die Gehirnwindungen. Scheinbar ließ sich Sven Regener von diesem Buch zu den sehr ähnlich klingenden Absätzen in "Herr Lehmann" inspirieren.

In einem Buch muss nicht zwangsläufig viel passieren, um es spannend und interessant zu gestalten. Aber "Der Untergeher" hat mich stellenweise echt in die Knie gezwungen. Scheinbar bin ich der Höhenkammliteratur nicht in jedem Fall gewachsen. Ich versuche diesen subjektiv gesehenen Totalausfall der SZ-Bibliothek mit Humor zu nehmen und zitiere aus einer Sternstunde des deutschen Fernsehens: "Aber es muss doch wohl erlaubt sein, ähm, zu sagen ich kann damit nichts anfangen. Deswegen müssen Sie doch nicht sagen, ähm, dass ich also weniger intellektuell bin als andere Leute. ... Und das Lamm schrie: Hurz!!!"

Ein Extrapunkt für die Herausforderung.

Bewertung: 2 von 5

Dienstag, 31. August 2010

Buch-Rezensionen (199): Thomas Hermanns - für immer d.i.s.c.o. (Hörbuch) (2009)

(Cover: Amazon.de)

Selten habe ich mich derart im Nachhinein zu der Entscheidung beglückwünscht, die Audiovariante eines Buches gewählt zu haben wie bei den Jugenderinnerungen des TV-Entertainers Thomas Hermanns. Die höchst unterhaltsamen Ausführungen über die zweite Hälfte der Siebziger und die frühen Achtziger Jahre, die damals die Tanzflächen beherrschende Disco-Music und Hermanns' erste Schritte in der Schwulenszene mögen auch in gedruckter Form funktionieren, aber wer einmal die brüllend komische Schilderung - besser: Nachinszenierung - eines geradezu bizarren Amanda Lear-"Konzerts" in der Nürnberger Meistersinger-Halle gehört hat, wird verstehen, was ich meine. Zusätzlich werden höchst passend im Text erwähnte Titel als Hintergrundmusik eingespielt, was die Wirkung und Verständlichkeit enorm erhöht.

Der Erfinder des "Quatsch Comedy Clubs" spannt einen weiten Bogen über seine von viel Musik in trister Wohnumgebung geprägten Kinder- und Jugendjahre in Nürnberg bis hin zu seinem Studium in München und den später erfolgten beruflichen Durchbruch. Zwar ist der überwiegende Teil von "für immer d.i.s.c.o." von Humor geprägt und wird von Hermanns in angenehmem Tonfall gewohnt charmant gelesen. Dennoch werden ernst Themen nicht ausgespart, angefangen von der ersten Gefühlsverwirrung, das eigene Coming Out über Schwulenfeindlichkeit im In- und Ausland bis hin zum HIV- und AIDS-Schock der frühen 80er mitsamt seiner Todesspur im Bereich der Disco-Musik. Dass ein dermaßen amüsierendes Buch immer wieder durch diese extremen Gegensätze radikal gebrochen wird, hat mir ganz besonders imponiert.

Ein weiteres Plus der Audiobookversion: Auf CD 4 sind noch einmal alle im Buch verwendeten Tracks in voller Länge - von Thomas Hermanns kurz anmoderiert - enthalten. Da darf man gleich mal die gegebenen Hustle-Tanzlektionen in die Praxis umsetzen...

Zielgruppe dieses Buchs? Vielfältig, möchte ich meinen. Der offen oder versteckt lebende Schwule wird sich ebenso einfinden wie das Kind der Siebziger, Interessierte an Musikgeschichte und Popkultur sowieso. Zwar kann "für immer d.i.s.c.o." nicht für sich in Anspruch nehmen, eine umfassende historische Darstellung dieses Musikstils zu liefern. Dafür werden ein paar allzu gewagte Verschwörungstheorien über das Ende der Ära aufgestellt. Schließlich verendete Disco nicht (wie von Hermanns und diversen ehemaligen Protagonisten suggeriert) an den permanenten Störmanövern von Gegnern in Musikbiz und Gesellschaft sondern schlicht und einfach an einem der normalsten Vorgänge der Musikwelt - der kontinuierlichen Weiterentwicklung. Jede Musik hat ihre Zeit, gelegentlich mit diversen Retrowellen geadelt. Doch diese gelegentlichen Ungereimtheiten seien einem bekennenden Disco-Aficionado nachgesehen - für mich ein klasse Hörbuch mit einigen persönlichen Musik-Neuentdeckungen, kam doch die Disco-Welle für mich ein dreiviertel Jahrzehnt zu früh...

Bewertung: 5 von 5

Montag, 23. August 2010

Buch-Rezensionen (198): Michael Köhlmeier - Biblische Geschichten (Hörbuch) (2002)

(Cover: Amazon.de)

Ohne Frage kann man auch als Atheist an der Bibel Interesse finden. So vermittelt sie immer noch gültige ethische Werte und man stellt immer wieder fest, wie viele Redewendungen, Geschichten und Personen in den Alltagssprachgebrauch eingegangen sind. Und so kam es, dass ich diese von mir durch einen Zufall entdeckte Veröffentlichung mit großer Aufmerksamkeit verfolgt habe.

Diese auf 5 CDs versammelte Geschichtensammlung des Österreichers Michael Köhlmeier ist keine Lesung biblischer Texte, wie sie beispielsweise Ben Becker in seinem beeindruckenden Bühnenprogramm darbietet. Er erzählt sie eher im leichten Plauderton nach und bringt sie somit in einer zeitgerechten Fassung an den interessierten Zuhörer. Es handelt sich ausnahmslos um Schilderungen des Alten Testaments, eines bis auf wenige Ausnahme (Schöpfungsgeschichte, Sündenfall etc.) in der allgemeinen Wahrnehmung eher vernachlässigten Teils der Heiligen Schrift. Es ist ohnehin nicht leicht, sich in der dort vorherrschenden puren Masse von Namen zurechtzufinden, daher ist Köhlmeiers Ansatz, die Personen und ihre wechselseitige Beziehung etwas näher aufzudröseln, sehr lobenswert.

Zwar wirkt das ganze manchmal etwas improvisiert und unfertig, dennoch ist diese unorthodoxe Methode alles andere als misslungen. Keine Höchstwertung zwar, aber nahe dran - empfehlenswert!

Bewertung: 4 von 5

Mittwoch, 18. August 2010

Buch-Rezensionen (197): Jochen Hauser - Zwei Krähen fliegen aus (1979)

(Cover: Amazon.de)

Wie man ein an für sich ernstes Sujet humorvoll und augenzwinkernd darstellen kann, zeigt dieses 1979 erschienene Kinderbuch des sächsischen Autors Jochen Hauser. Thematisiert werden die Probleme alleinerziehender Eltern und deren Kinder im Alltag der DDR, immer beobachtet von den beiden verfressenen Krähen Kratsch und Kretsch.

Der neunjährige Jens und sein nach einem Verkehrsunfall verwitweter Vater ziehen in eine Kleinstadt nahe eines Braunkohletagebaus. Gleich am Tag seiner Ankunft gerät Jens mit dem gleichaltrigen Martin aneinander, der sich ausgerechnet noch als Mitschüler entpuppt. Beide Drittklässler bemühen sich um die Freundschaft zur aufgeweckten Mia, was die Rivalität nur noch verstärkt. Nach Monaten voller Gehässigkeiten und Missgunst platzt die Bombe - Jens' Vater und Martins geschiedene Mutter haben sich ineinander verliebt und schmieden Zukunftspläne. Das ist zu viel, beide Jungen reißen unabhängig voneinander von zu Hause aus. Doch die clevere Mia lockt sie auf dieselbe Insel...

Die DDR-typische Altersempfehlung des Buchs nennt die gleiche Jahreszahl wie das Alter der Protagonisten. Neunjährige dürfen sich also sowohl an einer kindgerechten Geschichte als auch an den tollen Illustrationen von Harri Parschau erfreuen. Der ernste Hintergrund wird wohl nur eher Erwachsenen auffallen, so dass ich mit Erstaunen feststellen konnte, nach so vielen Jahren immer noch deutliches Gefallen und Interesse an diesem Buch gefunden zu haben, auch wenn man ihm freilich den Entstehungszeitpunkt und -ort deutlich anmerkt. Dennoch: Unterhaltung für jung und alt - eine feine Mischung!

Bewertung: 4 von 5

Donnerstag, 12. August 2010

Buch-Rezensionen (196): Wolfgang Held - ...auch ohne Gold und Lorbeerkranz (1983)

(Cover: Amazon.de)

Nach einem schweren gesundheitlichen Schicksalsschlag wieder in das normale Leben zurückzufinden, dürfte zu den härtesten Prüfungen zählen, die einem Menschen auferlegt werden können. Schlimmer noch, wenn davon Kinder und Jugendliche getroffen werden. Von einem solchen Kampf um wieder zu erlangende Normalität erzählt dieses 1983 in der DDR erschienene Jugendbuch des Thüringer Autors Wolfgang Held.

Der zwölfjährige Sebastian, ein vielversprechender Nachwuchsturner, verliert bei einem Verkehrsunfall einen Teil seines linken Fußes. Mit diesem körperlichen Handicap scheint es unmöglich zu sein, den geliebten und bisher den Lebensmittelpunkt bildenden Sport weiter auszuüben. Denn auch wenn sein Trainer und die Freunde Koni, Eule, Heinz und Steffen aus seiner "Die Musketiere" genannten Turnriege an ihn glauben - wie soll er mit Schmerzen und einem halben Fuß die Anforderungen des Leistungssports erfüllen? Zumal ihn der erfolgssüchtige Sektionsleiter Waldemann aus dem Verein drängen will...

Auch wenn sich die fiktive "BSG Elektron Tannenthal" aufgrund ihrer Eigenschaft als sogenannte Betriebssportgemeinschaft nur auf einer unteren Hierarchiestufe des DDR-Sportsystems befindet, bekommt man in diesem Buch dennoch einen rechts guten Einblick in das Förder- und Leistungssystem des untergegangenen Staates. Der Unsympath Waldemann steht dabei symptomatisch für die verknöcherte Sportfunktionärskaste, denen für den auf die eigene Person abstrahlenden Erfolg kein Mittel und keine Intrige zu schade ist. Und auch wenn die sehr einfühlsam geschriebene Geschichte Sebastians im Vordergrund steht, kann man dennoch die knallharten Ausmaße des landestypischen Selektionsprinzips erahnen.

Ein gewisses Hintergrundwissen erleichtert die Lektüre des Buchs, muss man sich doch mit DDR-typischen Wortschöpfungen wie "Rollbrett" als Synonym für Skateboard auseinandersetzen. Die damals herausgegebene Altersempfehlung beträgt 12 Jahre, Leser dieses Jahrgangs dürften sich aber aufgrund des ihnen sehr fremden Szenarios und des für heutige Verhältnisse gemächlichen Erzähltempos langweilen. Daher aufgrund der gegebenen Einsichten in den ostdeutschen Alltag eher ein Lesetip für Erwachsene aus Ost und West.

Bewertung: 4 von 5

Montag, 9. August 2010

Buch-Rezensionen (195): Suleikas Hochzeitsgeschenk (1967)

(Cover: Amazon.de)

Nachdruckband sieben der Ritter Runkel-Serie enthält wiederum sechs Hefte des Mosaiks von Hannes Hegen aus dem originalen Veröffentlichungszeitraum Juli bis Dezember 1967, historisch betrachtet wirklich hochdramatischen Monaten. Während also in der realen Welt praktisch täglich Geschichte geschrieben wurde, befindet man sich in der Welt der Digedags immer noch im ausgehenden 13. Jahrhundert.

Dig, Dag und Runkel haben mittlerweile das Gebiet erreicht, in dem Runkels Vater vor vielen Jahren einen legendären Schatz versteckt zurücklassen musste. Das Gebiet wird von einem Emir beherrscht, der Vater und Schwiegervater von guten alten Bekannten des Trios ist - Suleika und ihr Mann Janos Koloda. Runkel eckt mit seiner plumpen und tollpatschigen Art ein ums andere Mal beim sittenstrengen Herrscher an, der aufgrund einer seit Jahrhunderten geführten Familienchronik so einige Märchen der Rübensteinschen Familiengeschichtsschreibung entlarvt. Aber Runkel ist von seinen Schatzsucherplänen nicht abzubringen...

Die erste Hälfte dieses Sammelbands widmet sich der Schatzsuche in Kleinasien, mit interessanten Rückblicken in die Zeit um 1205, in der Dig und Dags verschollener Gefährte Digedag höchstselbst eigene Erlebnisse in die Chronik der Burg Neurübenstein einträgt. Die zweiten drei Hefte begleiten die Abenteurer auf ihrer Weiterreise am Euphrat, in dem sie es mit kriegerischen Mongolen, dem Scheich von Basra und drei Alchemisten-Scharlatanen zu tun bekommen. Und auch auf diesem Abschnitt der Reise hat Digedag seine Spuren hinterlassen. Das Finale gipfelt in einer turbulenten Geschichte im Harem von Basra, Verfolgungsjagden und Kissenschlachten inklusive.

In dieser Ausgabe geht es wahrlich quirlig zu, es passiert praktisch nonstop etwas Aufregendes. Selbst die Geschichtsrückblicke sind für das Verständnis der Handlung informativ, wird dort doch beispielsweise der Ursprung der Fehde zwischen den Geschlechtern derer von Rübenstein und Kuckucksberg erklärt. Trotzdem ist das Szenario stellenweise sehr düster, sowohl die kriegerischen Mongolen als auch der die durch viele Kämpfe heruntergekommene Stadt Basra beherrschende Scheich sind aller Komik zum Trotz recht finstere Gesellen. Aber nach dem stellenweise recht langatmigen sechsten Band der Nachdrucke ist dieser Nachfolger aufgrund seiner einzigartigen Mischung aus Spannung und Bildung wieder vorbehaltlos zu empfehlen!

Bewertung: 5 von 5

Dienstag, 3. August 2010

Buch-Rezensionen (194): Eoin Colfer - Artemis Fowl-Die verlorene Kolonie (Hörbuch) (2008)

(Cover: Amazon.de)

Eines vorneweg: ich bin ein erklärter Fan das Handlungsuniversums rund um das jugendliche irische Superhirn Artemis Fowl und seiner unterirdischen Freunde. Dennoch: mit diesem fünften Band der Reihe hat sich Autor Eoin Colfer meines Erachtens keinen Gefallen getan und richtig gründlich danebengegriffen. Der intelligente Mix aus Fantasy und Technikelementen plus Artemis' ausgeklügelten Gaunereien, der die vorangegangenen Romane so spannend und unterhaltsam machte, scheint hier leider vollständig abhanden gekommen zu sein.

Diesmal dreht sich alles um die neu eingeführte Rasse der Dämonen, die durch einen missglückten Bann auf einer Insel im Zeitmeer leben. Da dieser Bann an Wirkung verliert und durchlässig zu werden scheint, droht die Gefahr des Eindringens der Dämonen in die menschliche Dimension. Neben Artemis scheinen sich noch andere zwielichtige Gestalten für diese neuen Entwicklungen zu interessieren, bis die Lage nach einem ungewollten Dimensionssprung dramatisch zuspitzt...

Auf dem Papier scheinen eigentlich alle Zutaten für einen erneut spannenden Plot vorhanden zu sein. Bekannte und liebgewonnene Gestalten geben sich einmal mehr ein Stelldichein, die Handlung vollführt ihre gewohnten wilden Schlenker und reale und fiktive Örtlichkeiten und Technik werden geschickt miteinander verwoben. Dennoch hat mich diese Folge trotz des erneuten Mitwirken meines absoluten Lieblings, des kleptomanischen Zwergs Mulch Diggums, seltsam kalt gelassen. Das gewohnte atemlose Mitfiebern mit den Protagonisten will sich selten bis überhaupt nicht einstellen und auch die neu eingeführten Gegenspieler wirken unangenehm blutleer und unausgereift. Da kann auch diesmal Rufus Beck mit seiner Stimmakrobatik nicht viel ausrichten - es hakt einfach an zu vielen Enden!

Doch es kann Entwarnung gegeben werden. Nach diesem zwischenzeitlichen Tief besann sich Colfer wieder auf seine Stärken und lieferte mit dem Nachfolger "Das Zeitparadox" wieder erstklassige Qualitätsarbeit ab. Somit sollte man "Die verlorene Kolonie" als verzeihbares Schwächeln ansehen und sich der Vollständigkeit zuliebe auch einmal dieses Bands annehmen.

Bewertung: 2 von 5

Mittwoch, 28. Juli 2010

Buch-Rezensionen (193): Dan Brown - Meteor (2001)

(Cover: Amazon.de)

Es ist für mich immer ein seltsames Gefühl, wenn ich einen Dan Brown-Roman beendet habe. Einerseits ärgert man sich, einmal mehr einen zum Teil vor lauter Klischees triefenden und scheinbar am Autoren-Reißbrett zusammengezimmerten Hightech-Thriller-Hokuspokus vor sich zu haben, andererseits stellt man aber verwundert fest, dass selbst den abstrusesten Plotschlenkern und aberwitzigen Cliffhangern noch eine gewisse Faszination innewohnt, die einen bei der Stange bleiben und nicht eher ruhen lässt, bis man den großen Showdown passiert hat.

"Meteor" (Originaltitel: "Deception Point") aus dem Jahr 2001 macht da keine Ausnahme. In Deutschland erst nach dem großen Erfolg von "Sakrileg/The Da Vinci Code" und "Illuminati" veröffentlicht, hält auch dieser Roman alle klassischen Brown-Zutaten bereit. Die Bösewichter sind halt böse und werden so aufdringlich als undurchsichtig-unverdächtig gezeichnet, dass man - sofern man schon vorher ein Buch des Amerikaners kennengelernt hat - zielgerichtet auf den die Strippen ziehenden Unhold tippen kann. Dazu kommen die zahlreichen Rechercheschnitzer - gerne mit künstlerischer Freiheit beschönigt - und Logiklöcher, die ein ums andere Mal für Verstimmung sorgen. Dass dennoch am Schluss eine unterhaltsame und nicht unspannende Handlung dabei herauskommt, ist Dan Browns eigentliche Kunst.

Dabei ist der Inhalt relativ knapp zusammenzufassen. Im arktischen Eis wird durch die krisengeschüttelte NASA, deren weitere Existenz im laufenden US-Präsidentschaftswahlkampf kontrovers diskutiert wird, ein Meteor mit scheinbar außerirdischen Lebensspuren entdeckt. Die offensichtliche wissenschaftliche Sensation entwickelt sich jedoch zu einem tödlichen Strudel, in dem Geheimdienste, Regierungsbeamte, Spezialeinheiten und die beiden Präsidentschaftskandidaten mit vorwiegend unsauberen Methoden mitmischen. Tödliche Methoden...

Das von Anne Moll ruhig und mit angenehmer Stimme gelesene Hörbuch bietet einen guten Kontrast zum teilweise atemlosen Plot. Die vom Autor zielgerichtet gesetzten Szenenwechsel, die den Leser/Hörer immer an einem gerade entscheidenden Handlungspunkt ungeduldig zurücklassen, verfehlen auch in der Hörversion ihre Wirkung nicht. Dennoch: eines von Browns schwächeren Werken, das auch von der guten Audiobook-Fassung nicht gerettet werden kann.

Bewertung: 3 von 5

Donnerstag, 22. Juli 2010

Buch-Rezensionen (192): Gunter Preuß - Tschomolungma (1981)

(Cover: Amazon.de)

Ich erinnere mich, dass mich das Lesen dieses Buchs immer etwas deprimiert und ratlos zurückgelassen hat. Denn Gunter Preuß, der mit seiner kritischen Haltung zur DDR ein ums andere Mal bei den Kulturgewaltigen aneckte, zeichnet in diesem 1981 erschienenen Jugendbuch in recht düsteren Farben die Probleme zweier heranwachsender Leidensgenossen.

Schauplatz der Handlung ist eine namenlose erzgebirgische Kleinstadt. Der sensible vierzehnjährige Peter, ehemals bester Schüler der Schule, steckt in einer tiefen Lebens- und Sinnkrise. Gemobbt von den Mitschülern, unverstanden vom Vater, einem Sägewerksarbeiter, der in seiner Freizeit Gewichte hebt, flüchtet er in seine Traumwelt, in der er den höchsten Berg der Erde, den Tschomolungma, besser bekannt als Mount Everest, besteigt. Peter zerbricht fast an der Erwartung seines Vaters, dass aus ihm ein "richtiger Kerl" wird, seine schulischen Leistungen sind im Keller, insbesondere als seine fast einzige Vertraute, die Klassenlehrerin Frau Weinhold, in Pension geht. Peter verzweifelt am Leben und findet nur in seinem Freund Rutscher und seiner Mitschülerin Rose etwas Halt. Doch die sitzt nach einem Verkehrsunfall im Rollstuhl und sieht gerade die Ehe ihrer Eltern zerbrechen. Als Rose entdeckt, dass sie wieder laufen kann, beschließt sie, diese Neuigkeit für sich zu behalten, um ihre Eltern an sich zu binden...

Auch wenn sich am Ende des Buches so etwas wie ein kleiner Hoffnungsschimmer für Peter und Rose auftut - ein Happy End sieht anders aus. Mit dem Abstand der Jahre habe ich das eine oder andere Problem eines pubertierenden Jungen anhand eigener Erfahrungen durchaus wiedererkannt, daher hat mir der erneute Lesedurchgang nach über 20 Jahren sehr zugesagt. Obwohl das Buch eine Altersempfehlung ab 12 Jahren angibt, dürften auch Erwachsene und insbesondere Eltern von Jugendlichen Gefallen daran finden. Gleichzeitig wird der typische DDR-Kleinstadtalltag ohne großen ideologischen Hintergrund skizziert und selbst die Hochkultur kommt nicht zu kurz, da ausgiebig aus Brechts "Leben des Galilei" zitiert wird. Ein wenig optimistisches, aber sehr empfehlenswertes Buch.

Bewertung: 5 von 5

Mittwoch, 14. Juli 2010

Buch-Rezensionen (191): Roland Neumann - Im Abseits (1984)

(Cover: Amazon.de)

Bücher, Jugendbücher zudem, die kontrovers und aus verschiedenen Perspektiven Problemstellungen ohne den allseits wahrnehmbaren ideologischen Zeigefinger behandelten, waren in der DDR rar. Entweder gab es klare Freund/Feind-Konstellationen oder das Thema war einfach konfliktfrei gehalten. In diesem 1984 erschienenen Buch mit der Altersempfehlung ab 13 Jahren liegt die Situation deutlich anders.

Die Neuntklässler Bodo und Filipp reichen für einen Schul-Fotowettbewerb Bilder ein, die eine Prügelattacke am Rande eines Fußballspiels dokumentieren. Ihr Mitschüler Tilo, der FDJ-Sekretär der Schule, stellt daraufhin den Antrag, sie aus der Organisation auszuschließen, da sie sich seiner Meinung nach der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht hätten. In der Schule bricht daraufhin ein heftiger Meinungsstreit unter Schülern und Lehrern aus, der bis zur lebensgefährlichen Sabotage von Tilos Fahrrad eskaliert. Tilo ist isoliert und wird verdächtigt, die Lehrstellenchancen seiner Mitschüler durch seine Aktion bewusst zum eigenen Vorteil zu mindern.

Ein wirklich kontroverser Plot, den Autor Roland Neumann da angepackt hat, thematisiert er doch gleich mehrere Tabus der DDR. Da wäre zum einen der auch im Osten in den Achtzigern aufkommende, jedoch immer totgeschwiegene Hooliganismus sowie die Fehlbarkeit von Partei- (in diesem Falle FDJ-)Kadern. Natürlich setzt das Buch etwas an Hintergrundwissen über das Bildungs- und Lehrstellensystem der DDR voraus, denn ein Ausschluss aus der FDJ wäre einer Unmöglichmachung der begehrten und raren Berufsausbildung mit Abitur gleichgekommen. Dennoch dürfte auch bei Lesern, die alters- oder wohnortbedingt nicht diesseits der Mauer aufwuchsen, durchaus Interesse an der Handlung aufkommen.

Das Ende dieser Coming of Age-Geschichte ist bewusst offen gehalten und lässt Spielraum für eigene Interpretationen. Auch nach über 25 Jahren - empfehlenswert!

Bewertung: 4 von 5

Montag, 7. Juni 2010

Buch-Rezensionen (190): Ann-Charlott Settgast - Zirkuskinder (1959)

(Cover: Amazon.de)

Dieses noch vor dem Bau der Berliner Mauer erschienene Kinderbuch der 1988 verstorbenen Mecklenburger Schriftstellerin Ann-Charlott Settgast ist ein gutes Beispiel dafür, wie in einer für sich doch recht spannenden und unterhaltsamen Handlung ganz DDR-typisch der erhobene Zeigefinger dauerpräsent und ideologische Einflussnahme allgegenwärtig ist. Das macht das Buch zu einem trotzdem lesenswerten Zeitdokument.

Erzählt wird die Geschichte des zwölfjährigen Waisenjungen Fritz, genannt Fiete, und seiner jüngeren Schwester Susi. Diese werden von ihrem Onkel, der in einem Zirkus als Dompteur arbeitet, zu sich genommen. Besonders der aufschneiderische Fiete ist in der neuen abenteuerlichen Umgebung ganz in seinem Element, prahlt er doch schon bald gegenüber einem Zeitungsreporter mit seiner unmittelbar bevorstehenden Karriere als großer Dressurstar. Die zehnjährige Susi hingegen fühlt sich im Zirkus ganz und gar nicht wohl und wird aufgrund eines missverstandenen Scherzes ihres Onkels von Zukunftsängsten geplagt. Und auch wenn sich die beiden schnell mit den anderen Zirkuskindern anfreunden, bringt sich Fiete mit seiner großen Klappe mehr als einmal in Teufels Küche, während die heimwehgeplagte Susi still vor sich hin leidet.

Eine zentrale Figur des Buches ist der dreizehnjährige Bruno, genannt Bumm. Auf den ohne Vater aufwachsenden Sohn der Bärendompteuse wird praktisch alles an negativen Eigenschaften projiziert, was das damalige DDR-Gesellschaftsbild so hergab. In den Illustrationen von Hans Wiegandt unsympathisch mit Schiebermütze und Ganovenoutfit gezeichnet, kein Mitglied bei den Pionieren, grob und unkameradschaftlich gegenüber den anderen Kindern und darüber hinaus noch ein Fan von westlichen Groschenromanen, hier mit dem schon seit der Zeit der Weimarer Republik verwendeten Kampfbegriff "Schund- und Schmutzliteratur" versehen. Als dann auch noch drei Rhesusaffen aus dem Zirkus gestohlen werden, fällt daher der Verdacht logischerweise schnell auf Bumm, der zu allem Überfluss auch noch Richtung Westen verschwindet...

Natürlich wird am Ende alles zur allseitigen Zufriedenheit gelöst und auch Bumm, frisch bekehrt und geläutert, wird als neuer Pionier in die sozialistische Gemeinschaft der Zirkuskinder aufgenommen. Das wirkt aus heutiger Sicht sehr klischeehaft, da hier wirklich alle Stereotype der Zeit Verwendung finden. Ein typisches Buch der 50er Jahre und deren Moralvorstellungen, die sich vor allem an der Wandlung der Figuren Bumm und Fiete manifestieren, sowie ein Kinderroman mit vielen heute sehr fremdartigen Dingen wie Kinowochenschau oder ein Zirkusgastspiel als tagelanges gesellschaftliches Hauptereignis der Stadt. Diese Zeiten sind wahrlich lange vorbei. Dennoch: durchaus immer noch als lesenswert zu betrachten, interessierte Kinder (die landestypische Altersempfehlung nennt eine geeignetes Lesealter ab 11 Jahren) sollten aber die eine oder andere erklärende Anmerkung von Erwachsenen mit auf den Weg bekommen.

Bewertung: 4 von 5

Mittwoch, 19. Mai 2010

Buch-Rezensionen (189): Dante Alighieri - Die Göttliche Komödie (Hörbuch) (1307-1320)

(Cover: Amazon.de)

Bei einem fast 700 Jahre alten Text der Weltliteratur liegt es in der Natur der Sache, dass er immer wieder neu übersetzt, interpretiert, gekürzt und verändert wird. Dies ist auch bei Dante Alighieris Jahrtausendwerk "Die göttliche Komödie" nicht anders, das hier - gesprochen von den Schauspielern Hannes Messemer, Siemen Rühaak und Thomas Holtzmann - in einer vom WDR produzierten Hörspielversion auf 3 CDs vorliegt. Bedenkt man die Länge des italienischen Originals von insgesamt 14.233 Versen wird schnell klar, dass es sich um eine deutlich gekürzte Fassung handeln muss. Tut dies der Intensität der Geschichte um Dante und seine fantastische Reise in Hölle, Purgatorium und Paradies einen Abbruch? Ich meine: nein!

Die Handlung ist bekanntermaßen derartig komplex, dass Interpretationen und Untersuchungen zur "Divina Commedia" ganze Buchregalreihen füllen. Zu gewaltig ist die Mischung aus theologischen, philosophischen, historischen und politischen Elementen, Anspielungen und Fakten. Doch selbst wenn man den gesamten intellektuellen Überbau einmal ins zweite Glied rücken lässt, bleibt immer noch ein wunderbar poetischer und anrührender Text übrig, der einerseits eine emotional höchst eindrucksvolle Liebeserklärung an die angebetete Beatrice darstellt und darüber hinaus ein umfassendes Bild von der mittelaterlichen Vorstellung von Himmel, Erde und Unterwelt bietet. Dantes Reise durch die Kreise der Hölle mit all ihren Scheußlichkeiten und Qualen der Sünder in Begleitung des antiken Dichters Vergil ist somit nicht nur Abenteuer und spirituelle Erfahrung sondern gleichzeitig für den Zuschauer auch noch höchst bildungsvermittelnd. Zu Recht ein ganz großes Werk der Weltliteratur!

Die drei Sprecher intonieren den Text mit dem Können von theatererfahrenen Schauspielern. Unterstützt von teils dramatischen Soundeffekten und passend gestalteter Musik ergeben sich für den Hörer eindrucksvolle und realistische Bilder vor dem inneren Auge. Und somit darf hier durchaus die Höchstwertung verliehen werden, auch wenn man gern noch eine weitere Beschäftigung mit Dantes Ausnahmedichtung in Form einer gedruckten Gesamtausgabe anraten darf - es lohnt sich.

Bewertung: 5 von 5

Montag, 10. Mai 2010

Buch-Rezensionen (188): F. Scott Fitzgerald - Der große Gatsby (1925)

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Bei der Anschaffung der gesamten SZ-Bibliothek gerieten einerseits wahre Meisterwerke (wie beispielsweise Umberto Ecos "Der Name der Rose") als auch in meinen Augen Totalausfälle ("Der Untergeher" von Thomas Bernhard) in meinen Besitz. "Der große Gatsby" des Amerikaners F. Scott Fitzgerald (1896-1940) aus dem Jahre 1925 liegt irgendwo zwischen diesen beiden Extremen.

Erzählt wird die Geschichte des Jungmillionärs Jay Gatsby, der in den aufregenden 1920er Jahren versucht, ohne Rücksicht auf sich, sein Vermögen und gesellschaftliche Widerstände die Zuneigung seiner großen Liebe Daisy, die in seiner Abwesenheit während seines Militärdienstes im Ersten Weltkrieg einen anderen heiratete, zurückzugewinnen. Doch unaufhörlich steuert alles auf die große Katastrophe zu...

Es bringt einen schon manchmal ins Grübeln, warum man ein von der Literaturhistorie als großen Roman geadeltes Werk nicht so recht in sein privates "Finde ich toll!"-Portfolio aufnehmen mag. Ist man einfach zu unintellektuell, um die Kriterien der Kritikergilde nachzeichnen zu können oder ist alles nun doch nur eine Frage des persönlichen Geschmacks, über den sich bekanntlich (nicht) streiten lässt? An vorliegendem Buch stört mich vor allem der unglaublich zähe Fluss der Handlung, die bis auf die dramatischen Wendungen gegen Ende nur spröde und spannungsarm vor sich hin tröpfelt. Für die dem Roman immer wieder zugeschriebene Gesellschaftskritik fehlt mir hier einfach ein tieferer und umfassenderer Einblick in eine der ereignis- und abwechslungsreichsten Dekaden des 20. Jahrhunderts.

"Der große Gatsby" ist kein schlechtes Buch, mit Sicherheit nicht. Zieht man aber ähnlich hochgehandelte Romane - wie beispielsweise das zu etwa der gleichen Zeit erschienene "Ulysses" von James Joyce - als Vergleichsmuster heran, dann verliert Fitzgeralds Werk den Wettbewerb sehr deutlich. Immerhin stand mit der Figur des Meyer Wolfsheim ein Handlungscharakter für den Namen einer meiner favorisierten Bands Pate.

Bewertung: 3 von 5

Dienstag, 27. April 2010

Buch-Rezensionen (187): Manfred Mai - Deutsche Geschichte (Hörbuch) (1999)

(Cover: Amazon.de)

Eingangsfrage: kann man knapp 2000 Jahre Geschichte, die dieses Hörbuch umfasst, erschöpfend auf 4 CDs abhandeln? Die Antwort liegt klar auf der Hand - selbstverständlich nicht! Dies war aber offensichtlich auch gar nicht der Anspruch Manfred Mais, vielmehr wird hier auf eingängige Art und Weise in freilich vereinfachender und straffender Art und Weise Wissensvermittlung für den ambitionierten Laien geboten. Dies ist nicht nur für Schüler, sondern auch für andere an historischen Ereignissen und Entwicklungen Interessierte gut geeignet, regt es doch zur weiterführenden Beschäftigung mit der Materie an.

Dementsprechend weit gefasst sind die einzelnen Zeitabschnitte auf den vier Tonträgern. Disc eins umfasst den Zeitraum der Germanenzeit bis zum Jahr 1500, Disc zwei behandelt die reichlich 300 Jahre zwischen Reformationszeit und dem Revolutionsjahr 1848, die dritte CD schildert die Entwicklung des Deutschen Reichs bis 1933 unter besonderer Betrachtung der Einigung durch Bismarck und der Konstitution des Hohenzollern-Kaisertums 1871 und mit der deutschen Geschichte vom Beginn der NS-Herrschaft bis zum Wendejahr 1989 wird dieses populärwissenschaftliche Hörbuch abgeschlossen.

Leider liest Mark Bremer den Text relativ emotionslos und gleichförmig, was auf die Dauer etwas ermüdend wirkt. Mir hätte da eine gewisse ironische Brechung, wie das Matthias Ponnier bei (in seinem Geschichtsteil gut als Ergänzung geeigneten) "Bildung. Alles was man wissen muss" von Dietrich Schwanitz so wunderbar gestaltete, besser gefallen. So wirkt die hochinteressante Materie leider etwas trocken, was auf ungeduldige Naturen etwas abschreckend wirken könnte. Dennoch sollte man "Deutsche Geschichte" durchaus eine Chance geben, denn das Wissen um die Vergangenheit ist der Schlüssel zur Gestaltung der Zukunft!

Bewertung: 4 von 5

Dienstag, 20. April 2010

Buch-Rezensionen (186): Martin Selber - Die Sklavenhändler (1968)

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Der 2006 im Alter von 82 Jahren verstorbene Martin Selber gehörte zu den populärsten Autoren der DDR, der neben einer großen Anzahl von Jugend- und Abenteuerromanen auch mehrere Bücher über Amateurfunk und Elektrotechnik veröffentlichte.

Das 1968 erschienene "Die Sklavenhändler" erzählt die Geschichte des elfjährigen Waisenjungen Hannes Klaasen, der im Schleswig des Jahres 1840 ins Haus seines hartherzigen Onkels aufgenommen wird, um ihm in dessen Großhandel als billige Arbeitskraft zu dienen. Nachdem Hannes den Schlägen, der Lieblosigkeit und der Ausbeutung durch Weglaufen kurzzeitig entkommen kann, wird er nach seiner hungerbedingten Rückkehr von seiner eigenen Verwandtschaft an einen holländischen Kapitän für dessen vakante Schiffsjungenstelle verkauft. Findet Hannes nach anfänglicher Angst vor dem Meer und der raubeinigen Mannschaft auch langsam Gefallen an seinem neuen Leben, erwartet ihn bei seiner Ankunft an der westafrikanischen Küste ein Schock. Dieses Schiff handelt nicht mit Baumwolle oder Gewürzen, sondern einer ganz anderen Ware - Sklaven...

Mit der Schilderung der Ozean-Überfahrt der holländischen Brigg "Nereide" beleuchtet Martin Selber ein sehr dunkles Kapitel der Weltgeschichte - den Atlantischen Dreiecks- und Sklavenhandel. Angesiedelt in einer Zeit, in der Staaten wie das Vereinigte Königreich die Verschleppung von Schwarzafrikanern bereits verboten hatten, ergeben sich durch die Konfrontation mit britischen Kriegsschiffen und der Befreiungsbewegung im Zielort Suriname zahlreiche spannende Abenteuer. Auch wenn nicht alle Dinge historisch und geographisch korrekt dargestellt werden - dies ist ein lehrreiches und spannendes Buch für etwas ältere Kinder. Die DDR-typische Empfehlung nennt ein geeignetes Lesealter ab etwa 10 Jahren. Natürlich ist ein gewisser ideologischer Einfluss spürbar, dieser hält sich aber ob des menschenverachtenden Sujets in nachvollziehbaren Grenzen. Gerade die Passagen in Schleswig tragen Züge des Schaffens von Charles Dickens, dessen deprimierende Zustandsbeschreibungen der englischen Gesellschaft bekanntlich im gleichen Zeitraum angesiedelt waren.

Das durch Hans Wiegandt illustrierte Buch wurde 1970 durch die Erzählung "Das Klippergespenst" fortgesetzt.

Bewertung: 4 von 5

Mittwoch, 14. April 2010

Buch-Rezensionen (185): Auf der Insel Pordoselene (1967)

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Sechs Hefte - original erschienen zwischen Januar und Juni 1967 - umfasst der sechste Nachdruckband der Ritter Runkel-Serie des Mosaiks. Dig, Dag und Runkel sind in letzter Minute dank eines kaiserlichen Gnadenerlasses dem Scharfrichter entronnen und befinden sich auf einer militärischen Strafexpedition gegen die aufmüpfige Insel Pordoselene, die dem Kaiser die fälligen Tributzahlungen verweigert. Natürlich verspüren die Protagonisten wenig Verlangen, für die Byzantiner in die Schlacht zu ziehen und so sinnen sie darauf, das ganze Unternehmen zu sabotieren...

Nach dem doch sehr düsteren Vorgängerband "Die Hochzeit in Byzanz" herrscht hier wieder deutlich mehr Humor vor, zudem können Dig und Dag erneut eine Spur ihres verschollenen Gefährten Digedag entdecken. Dies wird gleich gekoppelt mit der historisch lehrreichen (wenn auch aus dramaturgischen Gründen vereinfachten) Geschichte der Eroberung Konstantinopels durch die Venezianer im Jahre 1204. Somit ist auch dieser Band nicht nur etwas zur Unterhaltung, sondern birgt noch den einen oder anderen Erkenntnisgewinn - auch so dürfen Comics aussehen!

Da allerdings die Geschichte um die Belagerung der Stadt Pordoselene etwas künstlich in die Länge gezogen wirkt, reicht es diesmal nicht ganz zur Höchstwertung, da andere Bände der Runkel-Serie dramaturgisch deutlich mehr gestrafft erscheinen. Ein Ansichts- und Lesevergnügen sind die Hefte aber auch nach über 40 Jahren nach wie vor!

Bewertung: 4 von 5

Dienstag, 23. März 2010

Buch-Rezensionen (184): Hillary Rodham Clinton - Gelebte Geschichte (2003)

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Ich gebe zu: ich bin bekennender Fan der Clintons und war doch ziemlich geknickt, als die ehemalige First Lady das Vorwahlrennen der Demokraten für die Präsidentschaftskandidatur gegen Barack Obama verlor. Das bisher eher glücklose Agieren des im letzten Jahr ins Amt eingeführten ersten schwarzen US-Präsidenten scheint mich eher in meiner Meinung zu bestätigen, dass Frau Rodham Clinton einfach die bessere Alternative gewesen wäre. Jahre vor diesem aufregenden Wahlkampf erschien mit "Gelebte Geschichte" eine Zwischenbilanz der heutigen Außenministerin der USA und nachdem mich die Präsidentenmemoiren "Mein Leben" ihres Mannes aufgrund ihrer Zähigkeit doch arg enttäuschten, war ich gespannt, ob der Einblick in amerikanische Spitzenpolitik und Zeitgeschichte aus erster Hand hier besser gelingt. Mein Fazit: definitiv!

Wie auch in Bill Clintons Erinnerungen ist die Beschreibung von Kindheit, Schule und Studium sehr kurzweilig und interessant geraten. Es fällt auf, wie früh sich Hillary Clinton politisch engagierte, geprägt durch ihren konservativen Vater zunächst bei den Republikanern. Auch interessant die Ausführungen über ihre Jahre als Gouverneursgattin in Arkansas, gerade weil dies die Zeit war, in der sie ohne Absicht begann, rhetorisch in Fettnäpfchen zu treten, da im Politikbetrieb praktisch jedes einzelne Wort auf die Goldwaage gelegt wird. Auch die ersten Probleme in Form von Kampagnen, Affären und juristischen Auseinandersetzungen resultieren aus dieser Phase ihrer politischen Arbeit.

Im Gegensatz zu "Mein Leben" driftet "Gelebte Geschichte" in der Schilderung der Präsidentschaftszeit nicht in ein scheinbares Abarbeiten des Terminkalenders ab. Zwar werden auch prägende Ereignisse erzählt, erwähnenswerte Treffen mit Präsidenten, Premierministern und Monarchen geschildert, aber es bleibt auch genug Raum für viele kleine Details am Rande, die für ein staatstragendes Buch wie die Lebenserinnerungen des ehemals mächtigsten Menschen der Welt vielleicht zu profan gewesen wären.

Eher zurückhaltend behandelt Hillary Clinton die Ereignisse um die außerehelichen Eskapaden ihres Mannes, ein Verhalten, dass man einer betrogenen Ehefrau wohl zugestehen sollte. Was bringt es auch, Jahre später schriftlich auf jemanden wie Monica Lewinsky einzuprügeln? Umso schärfer geht sie mit den politischen Gegnern Bill Clintons ins Gericht, die diese moralischen Verfehlungen zu politischen Zwecken zu nutzen versuchten. Sehr lesenswert auch die Schilderungen, wie die Familie per Partnertherapie darum kämpfte, die Ehe zu retten - erfolgreich, wie man heute weiß.

Insgesamt ein spannendes Buch einer von mir sehr bewunderten, starken Frau, der ich noch viel Kraft und Glück für ihr weiteres politisches Tun wünsche. Neben den persönlichen Erlebnissen erlaubt "Gelebte Geschichte" Einblick in die Prozesse amerikanischer Innen- und Außenpolitik sowie den Zustand eines von uns Europäern nicht immer zu verstehenden Landes. So ist der auch bei Frau Clinton festzustellende starke religiöse Einfluss auf ihre politische Arbeit für mich persönlich eher befremdlich, was nichts daran ändert, großen Gefallen an diesem Buch gefunden zu haben. Dieses endet zum Zeitpunkt ihrer Wahl zur Senatorin des Staates New York, sicherlich wird nach ihrer Amtszeit im US-Außenministerium ein weiteres Buch erscheinen - ich freu mich drauf!

Bewertung: 4 von 5

Montag, 15. März 2010

Buch-Rezensionen (183): Eoin Colfer - Artemis Fowl-Die Rache (Hörbuch) (2005)

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Ein Wiedersehen der unangenehmeren Art hält der vierte Band der Reihe rund um den irischen Nachwuchs-Gangster Artemis Fowl bereit. Die im zweiten Buch eingeführte und für alle Ewigkeit ausgeschaltet geglaubte Wichtelin Opal Koboi treibt wieder ihr Unwesen, diesmal mit einem geradezu genialischen Plan. Und wie sollen Artemis und sein getreuer Leibwächter Butler den Unterirdischen helfen, wenn ihnen doch nach dem letzten Abenteuer sämtliche Erinnerungen an das Erdvolk aus dem Gedächtnis gelöscht wurden?

Kaum zu glauben, aber Eoin Colfer schafft es hier noch einmal, an der Spannungs- und Temposchraube zu drehen. Atemlos eilt man von Höhepunkt zu Höhepunkt, selbst die Colfer-typischen wilden Handlungsschlenker fehlen nicht. Hier duellieren sich zwei Superhirne auf Top-Niveau, nie weiß man so recht, wer gerade dem anderen geistig einen Schritt voraus ist, woraus das Buch seine unerhörte Spannung zieht. Nicht zuletzt trägt Sprecher Rufus Beck mit seinem erneut grandiosen und einzigartigen Vortrag zum perfekten Gesamteindruck bei. Wieder einmal springt der Schauspieler in rasender Geschwindigkeit zwischen den einzelnen Stimmen hin und her, wobei auch mein erklärter Liebling, der kleptomanische Zwerg Mulch Diggums, wieder glänzen darf. Wer also Gefallen an einer wilden Mischung aus Fantasy und Science Fiction, erdigen Zutaten und Hi Tech finden kann, sollte hier schnellstens zugreifen, trotz einer gekürzten Lesung würde ich dabei aufgrund der einsamen Klasse Becks definitiv zur Hörbuchfassung raten!

Im Nachklapp war ich der Meinung, dass mit diesem Buch die Fowl-Saga hätte enden sollen, um den Leser vor dem völlig missratenen Nachfolgeroman zu bewahren. Aber das grandiose Comeback mit Band sechs belehrte mich dann doch eines Besseren...

Bewertung: 5 von 5

Mittwoch, 10. März 2010

Buch-Rezensionen (182): Dan Brown - Illuminati (2000)

Ich stelle gerade fest, dass ich mich durch eine Umgewichtung der Amazon-Rezensionsbewertungen neuerdings mit dem Titel "Top500-Rezensent" (genauer: Platz 284) schmücken darf. Das ist zwar nicht mein Antrieb, aber es freut mich. Also weiter im Text...

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Das Erstaunliche (und oftmals auch einfach Ärgerliche) an Dan Browns Büchern ist die Chuzpe, mit der der Amerikaner historische Versatzstücke, Hi-Tech, Mythen und Verschwörungstheorien und noch diverse andere - eigentlich wenig vereinbare - Zutaten in einen großen Sack gibt, einmal kräftig schüttelt und aus dem herauspurzelnden Ergebnis einen spannenden Pageturner präsentiert. Nirgendwo ist mir die Diskrepanz zwischem innerlichem Widerwillen ob der offensichtlichen Mängel respektive groben Schnitzer und begeisterter Faszination so begegnet wie beim im Jahre 2000 unter dem Originaltitel "Angels and Demons" erschienenen "Illuminati".

Zu oft überreizt Brown einfach das Logikniveau und die offensichtlich sehr freie Interpretation geographischer und historischer Fakten sorgt nicht nur bei Rom-Kennern oder studierten Historikern für Ärger. Trotzdem ist die Geschichte um den mittlerweile zu zweifachem Filmruhm gekommenen Symbolologen Robert Langdon, eine im Vatikan tickende Antimaterie-Bombe und einen wiederauferstandenen Geheimbund stellenweise alles andere als unspannend - dafür Chapeau, Mr. Brown! Zwar kann der Kenner mehrerer Bücher des Autors ziemlich schnell und zielgerichtet auf den Bösewicht tippen, aber diese Charakterisierung nach Schema F sei in diesem Falle einmal ausdrücklich verziehen. Wenn man also die erwähnten unstimmigkeiten großzügig ausblendet, bekommt man prima Thriller-Unterhaltung gepaart mit zumindestens zu Eigenrecherche anregenden Impressionen aus Architektur-, Kirchen- und Wissenschaftsgeschichte.

Besonderen Reiz zieht diese (gekürzte) Hörbuchfassung durch das warme Timbre Wolfgang Pampels, der deutschen Synchronstimme von Harrison Ford.

Bewertung: 4 von 5