(Cover: Amazon.de)
Ein in den letzten 15 Jahren immer mehr zu beobachtendes Phänomen der Medienlandschaft ist die zunehmende Anthologisierung von Literatur oder Musik. Immer neue Editionen, die mehr oder weniger marktschreierisch eine repräsentative Auswahl versprechen oder gar nur das Beste präsentieren wollen, drängen mit zum Teil recht großen Namen im Hintergrund auf den Markt. Ob nun Marcel Reich-Ranicki einen Lesekanon der deutschen Literatur zusammenstellt oder die "Süddeutsche Zeitung" eine eigene Bibliothek und Cinemathek mit den angeblich größten Literaturwerken und Filmen des 20. Jahrhunderts ediert - es wird wohl nie so etwas wie eine endgültige Auswahl geben. Von daher ist der Titel dieses umfassenden Kompendiums des 2004 verstorbenen Literaturwissenschaftlers Dietrich Schwanitz schon reichlich kühn gewählt. Oftmals wird Bildung mit schnödem Faktenwissen gleichgesetzt und gelegentlich schrammt auch vorliegendes Hörbuch lautstark knirschend an diesem Riff vorbei.
Warum habe ich mich aber denoch beim Hören des von Matthias Ponnier mit wunderbar sonor-ironischen Stimme gelesenen Audiobooks keineswegs gelangweilt? Nun, zunächst ist "Bildung. Alles was man wissen muß" erst einmal Unterhaltung. Der Lern- und "Aha!"-Effekt stellt sich ganz von allein und geradezu en passant ein. Der Autor spannt einen weiten Bogen von Menschheits-, Demokratie-, Literatur-, Musik- und Kunstgeschichte über grundlegende Fragen der Philosophie bis hin zu grandios kurzweiligen Interpretationen der gesellschaftlichen Eigenschaften und Phänomene ausgewählter Länder und deren Blick auf Deutschland und seine Bewohner. Gerade wenn man Bekannte in einigen dieser Staaten wie den USA, Frankreich oder Österreich hat, kann man sich das eine oder andere Schmunzeln nicht verkneifen, glaubt man doch, den Freund geradezu persönlich porträtiert zu sehen. Großartig!
Natürlich kann und will dieses Buch gar keinen allumfassenden Überblick über die angeführten Bereiche bieten. Anreize, sich tiefer mit allen Dingen zu befassen, gibt es jedoch auf spannende und äußerst eingängige Weise. Leider werden die Naturwissenschaften komplett ausgeklammert, ein riesiger Bereich, der ohne Zweifel definitiv zur Bildung gehört. Eigentlich schade, eine nicht immer bierernst gestaltete Reise durch die Welt von Biologie, Physik, Chemie und anderen Sparten hätte ich mir hier auch sehr gut vorstellen können.Die Hörbuchausgabe kann gerade im Bereich der Musikwissenschaft punkten, können doch so Tonarten, Dreiklänge und ähnliche Grundbausteine der Musik mit Klangbeispielen untermalt und somit verdeutlicht werden. Freilich verpufft dieser Effekt sofort wieder im benachbarten Bereich der Bildenden Kunst. Dennoch darf man aufgrund der sehr guten Sprecherleistungen bedenkenlos zum Kauf dieser Version des mit einem Augenzwinkern versehenen Kanons raten.
Bewertung: 4 von 5
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