Montag, 10. November 2008

CD-Rezensionen (095): Farin Urlaub - Endlich Urlaub! (2001)

(Cover: Amazon.de)

Was macht man als langjähriger Ärzte-Fan, wenn der Hauptsongschreiber der Truppe ein Soloalbum veröffentlicht? Richtig, man zieht es sich zu Gemüte. Die Frage vorab: Wird hier Auschußware aus der Praxis der Herren Doktoren verwurstet oder wirklich Neues geboten? Wenn Sänger von Bands Soloplatten veröffentlichen, klingt oftmals der Sound der Stammkapelle durch und man vermeint ein weiteres Album der Hausband erworben zu haben. Für solcherlei Bedenken kann hier überwiegend Entwarnung gegeben werden.

Natürlich schimmert an so mancher Stelle der Ärzte-Stil durch, wird aber immer wieder durch witzige Einfälle und Genrewechsel aufgelockert. Zwar verwendet Meister Urlaub den Ska-Sound reichlich spät nach dessen Blüte, dies mag aber den brillianten Kontakten zu den Busters geschuldet sein, deren Bläserabteilung hier als Gastmusiker ackern.

Die Highlights liegen aber woanders. Nach unterhaltsamen Intro und dem rasanten "Jeden Tag Sonntag" wird mit "Sumisu" eine tiefe Verbeugung vor den Smiths zelebriert, nahezu 1:1 übernommenem Intro aus "What Difference Does It Make" inklusive. "Glücklich" rockt jede Party und "Ich gehöre nicht dazu" ist in seiner beißenden Selbstironie einfach nur sympathisch, was nicht heißen soll, dass Doc Urlaub hier nicht auch ein paar fette Gitarrenriffs vom Stapel lässt.

Im Gegensatz zum zweiten Soloalbum "Am Ende der Sonne" herrschen auf diesem Erstling noch locker-flockige Themen vor, eine der wenigen Ausnahmen sind das Liebeskummer-Drama "OK" und die harmlos im Countrystil daherkommende Mißbrauchs-Ballade "Der Kavalier". Das wirkt lange nach, auch wenn mit "Am Strand" gleich wieder auf die Partyspur eingebogen wird. Richtig spaßig mutet "Wunderbar" an. Zu hektischem Ska-Geklampfe gibt es einen absurden Text über körperliche Unzulänglichkeiten zu hören. Großes Augenzwinkern, großes Kino!

Die zweite Hälfte des Albums schwächelt etwas. "Das schöne Mädchen" plätschert so vor sich hin, das später folgende "Phänomenal egal" ist da die deutlich bessere (weil ironischere) Ballade. "1000 Jahre schlechter Sex" ist für mich wie ein später Nachklapp auf die Indizierungs-Orgien von Ärzte-Songs in den Achtziger Jahren. Solcherlei Provokationen ziehen heute nicht mehr so richtig und wirken schnell bemüht und peinlich. Kommt das Fast-Instrumental "...und die Gitarre war noch warm" noch sehr sympathisch rüber, wird es mit "Lieber Staat" echt fremdschämig. Von Zeit zu Zeit lässt Farin Urlaub auch bei den Ärzten einen "Polit"-Song vom Stapel, der dann aber auch wie hier vor erhobenem Zeigefinger und aufgesetzter Empörtheit gar nicht aus den Startlöchern kommt. Wenn erfolgreiche Popstars darüber schwadronieren, wie geknechtet und unfrei sie sich im eigenen Land fühlen, driftet das schnell ins Oberpeinliche und Unglaubwürdige ab. Somit der absolute Tiefpunkt der CD.

Die drei noch folgenden Tracks wissen allerdings wieder zu gefallen und bringen den Solo-Erstling zu einem versöhnlichen Abschluß.

Bewertung: 4 von 5