(Cover: Amazon.de)
Es ist schon seltsam. Da sieht man ein bestimmtes Spiel und das nicht zum ersten Mal. Man kennt eigentlich das Ergebnis und fiebert, bangt und leidet trotzdem bis zum Schluß mit. Eigentlich logisch, wenn das "Jahrhundertspiel" im Player liegt, oder? Im Grunde genommen hat es der sehr angenehme Kommentator Ernst Huberty bereits an diesem Tag völlig richtig erkannt: Ein Spiel, das in die Geschichte eingehen wird. Jedesmal, wenn erneut ein Tor fiel, ließ er sich zu einem "das ist nicht mehr zu übertreffen" hinreißen. Oh doch...
Dafür, dass sich Franz Beckenbauer trotz schmerzhafter Schulterverletzung (die er sich durch spektakuläres Hineinhechten in den italienischen Strafraum mehr oder weniger selbst zufügte, wie er irgendwo mal zugab) bis zum Schluß quälte, verzeihe ich ihm bis in alle Ewigkeit die Momente, in denen er heutzutage den salbadernden "Firlefranz" gibt.
An diesem Kampfeswillen (soll ja Gerüchten zufolge mal eine typisch deutsche Fußballtugend gewesen sein) können sich heutige Jungmillionäre wirklich mal ein Beispiel nehmen. Man stelle sich mal alle Zutaten zusammen, um sich das zu verdeutlichen: 120 Minuten gegen England in den Knochen, ein Spiel auf 2200 Metern Höhe bei Gewitterschwüle, diverse haarsträubende Schiedsrichterentscheidungen, der hin- und herwogende Spielstand, die 1970 wohl effektivste Defensivtruppe der Welt als Gegner und nicht zu vergessen der damals noch drohende Losentscheid (!) bei einem Remis nach Verlängerung.
Das Einzige, was einen wirklich im Nachhinein noch richtig fuchtig machen kann, sind die erbärmlichen Schauspielleistungen einiger Italiener nach keinen bzw. Allerweltsfouls. Ich besitze einige Ausschnitte der damaligen Radioreportage von Kurt Brumme. Originalton:
"...und der Schiedsrichter lässt sich beeindrucken, weil jetzt ein Italiener auf dem Boden liegt und wir uns fragen, ob er wohl durchkommen wird, ob wir ihn wohl noch lebend antreffen werden...da liegt wieder einer am Boden...Burgnich ist soeben verstorben..."
Das hatte die Mannschaft gar nicht nötig, denn man muß genauso anerkennen, welch gutes Spiel die Italiener ablieferten.
Voll und ganz bestätigen kann ich den im Begleitheft erwähnten Fakt einer unter dem Eindruck dieses Spiels entstandenen "Fußballfreundschaft" zwischen Deutschland und Mexiko. Mochten die Anfeuerungen der Gastgeber anfangs auch der Tatsache geschuldet sein, dass Italien Mexiko aus dem Turnier schmiß, aber insgesamt hat das Auswirkungen bis heute. Ich bin 2003 auf einer Plaza in Mérida von einem Wildfremden mit "Du Alemania?" angesprochen worden. Als ich bejahte, bekam ich ein "Ah...Beckenbauer...der Kaiser!" zu hören. Wohlgemerkt, 2003!
Noch ein putziges historisches Detail zum Schluß. Anfang der Siebziger Jahre bemühte sich die DDR verstärkt um internationale diplomatische Anerkennung. Und so wurden anscheinend auch die knappen Devisen zusammengekratzt, um sich mit Werbetafeln auf internationalem Sportparkett zu präsentieren. Ich kann mich nicht erinnern, dies jemals wieder woanders gesehen zu haben. Mal die Augen aufsperren, es gibt im Aztekenstadion einiges zu entdecken. Wer also mit Begriffen wie MALIMO, PENTACON, ORWO, GERMED, PNEUMANT oder CARL ZEISS JENA nix anfangen kann, es handelt sich um DDR-Marken im Bereich Textil- und Fototechnik, Filmmaterial, Pharmazieprodukte, Reifen und optische Geräte.
Jahrhundertspiel + tolles DVD-Paket = Topwertung!
Bewertung: 5 von 5
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