Samstag, 19. Februar 2011

Soundtrack Of My Life (034): Abigail Mead & Nigel Goulding - Full Metal Jacket (1987)

In der 9. Klasse bekamen wir eine neue Musiklehrerin vor die Nase gesetzt. Diese peinigte uns sowohl mit der üblichen Propaganda-Tonkunst, von der mir ganz besonders Paul Dessaus an Arnold Schönberg und Alban Berg angelehntes und somit schwerverdauliches "Lilo Herrmann"-Melodram (lässt sich auf den üblichen Videoportalen nachhören) in peinigender Erinnerung geblieben ist. Allerdings wurde auch versucht, neben dem jetzt dankenswerterweise reduzierten Gesangsanteil (schließlich befand sich so mancher im Stimmbruch), den überwiegend gelangweilten Teenagern Klassik oder Jazz näherzubringen. Das fand man damals natürlich schrecklich öde, der interessierte Blick über den musikalischen Tellerand entwickelte sich bei mir erst deutlich später.

Ein- oder zweimal im Schuljahr wurde uns aber ein ganz besonderes Angebot angetragen. Wir sollten ganz einfach unsere favorisierte Musik anschleppen, diese wurde in einen Kassettenrecorder eingeworfen und danach lehrerseitig diskutiert. Freilich differierte da der männliche und weibliche Geschmack in der Schülerschaft erheblich. Wir halbstarken Jungs verleierten die Augen, wenn uns solche "Perlen" wie "Joe le Taxi" von Vanessa Paradis an den Kopf flogen und die holde Weiblichkeit konnte nix mit den Ärzten oder den Toten Hosen anfangen.

Mein Ehrgeiz bestand bei diesen Gelegenheiten immer darin, etwas mitzubringen, das garantiert keiner auf dem Plan hatte, unsere Lehrerin am Allerwenigsten. Persönliche Antipathie? Rache für "Lilo Herrmann"? Ich weiß es nicht mehr. So malträtierte ich die Klasse einmal mit "Galleons Of Stone" von The Art Of Noise und eines Tages rappelte es mich vollständig, als ich Abigail Meads und Nigel Gouldings "Full Metal Jacket" aus dem gleichnamigen Kubrick-Film (der in der DDR als "zu zynisch" verboten war) anschleppte. Ich hatte den Track, der mit seinen schrägen Tempiwechseln und dem eindringlichen Gebrüll des legendären R. Lee Ermey alles andere als mehrheitsfähig war, zwar seltsamerweise im ostdeutschen Radio ergattert, aber mit wilden Drums angereicherte Marching Chants des United States Marine Corps in einer sozialistischen Schule öffentlich aufzuführen, wirkt in der Rückschau dann doch etwas leichtsinnig-verrückt. Ein Glück, dass die Dame im zweiten Fach kein Englisch gab, sonst hätte das mit großem Ärger enden können...

Freitag, 18. Februar 2011

Soundtrack Of My Life (033): Gazebo - Lunatic (1983)

Wenn man, wie ich zu meinen Teenagerzeiten, nicht gerade mit einem überbordenden Ego gesegnet war, begriff man die ersten Gehversuche auf dem Terrain des Geschlechterkontakts vor allem als eines: Schauen, Schmachten, Starren und irgendwie auf Aufmerksamkeit hoffen. Für selbstbewusste Ansprachen fehlte dann ganz einfach das persönliche Rüstzeug, so dass man immer auf eine glückliche Gelegenheit oder eine wundersame Fügung des Schicksals wartete. Eine dafür gerne aufgesuchte Örtlichkeit war die hier zweimal jährlich stattfindende Kirmes, deren Attraktionen zu DDR-Zeiten sicherlich nicht so spektakulär waren wie jenseits der Mauer, deren Aufbau aber ähnlich daherkam. Das Jungvolk traf sich am Autoscooter oder einer ähnlichen zum Schaulaufen geeigneten Location, man ließ sich von der angesagten und in ohrenbetäubender Lautstärke durch die Boxen gejagten Musik unterhalten und verbrachte damit tagelang den Großteil seiner Freizeit.

Eine jener Wochen aus der Mitte der 80er wird mir aus mehreren Gründen unvergesslich bleiben. Nicht nur, dass ich erstmals hautnah Augenzeuge der Staatsmacht wurde, als zwei angetrunkene, aber relativ harmlose Pöbler von der heraneilenden Volkspolizei brutal niedergeknüppelt wurden, nein man übte sich auch tagelang in oben beschriebener Extremsportdiszplin und stellte neue Dauerrekorde im Stieren ohne Augenblinzeln auf, freilich ohne das das Objekt der Begierde überhaupt auf einen aufmerksam wurde. Ich weiß bis heute nicht mal ihren Namen.

Irgendwie arg durchgeknallt und damit perfekt zu einem damals sehr oft im Hintergrund laufenden Songs passend - "Lunatic" des Italo-Poppers Gazebo...

Dienstag, 15. Februar 2011

Soundtrack Of My Life (032): The Communards - Tomorrow (1987)

Der heute als Riesaer Stadthalle fungierende STERN war in meinen Jugendjahren ab etwa 1986 die erste aufgesuchte Ausgeh-Lokalität. Bereits für Teens ab 14 Jahren wurden solche Veranstaltungen unter dem Namen "Schüler-Diskothek" angeboten. Zeitrahmen: 16-20 Uhr, Alkohol und Einhaltung der eigentlich vorgeschriebenen 60/40-Regelung: Nope! Der Ablauf war jedesmal ähnlich, es gab immer irgendwelche "Runden", damit der Westcharts-Popfan ebenso auf seine Kosten kam wie Anhänger der Ärzte (wüste Spring- und Pogorunden, ich erinnere mich...) oder die dann immer zu wilden Luftgitarren-Performances auflaufenden Anhänger der metallenen Fraktion. Nicht selten kam es dabei vor, dass sich um die gerade die (aus Parkettboden bestehende) Tanzfläche belegenden Akteure ein interessierter Zuschauerkreis bildete, nicht selten eher belustigt als beeindruckt.

An einen ganz besonderers bizarren Auftritt entsinne ich mich noch sehr gut. Der Mitte der 80er die DDR-Kinos stürmende Hip Hop-Film "Beat Street" hatte auch in hiesigen Gefilden Anhänger des Breakdance rekrutiert, die den Leinwandvorbildern natürlich nachzueifern suchten. Nicht immer mit überzeugendem Ergebnis, dafür aber mit umso mehr Enthusiasmus. Allerdings schien sich einer jener Jünger, ein, nun ja, mit einem etwas weniger akrobatikgeeignetem BMI gesegneter und daher respektlos "Fatty, der STERN-Breaker" genannter Tänzer wenig um die dazu passende Musik zu scheren und wogte mit wilden Bewegungen zu allen Klängen, die ihn anzuregen schienen, übers Parkett. Warum er sich aber gerade für einen seiner spektakulärsten Auftritte, der ihm bei versuchten Powermoves wild wegspringende Hemdknöpfe und ein in alle Einzelteile zerlegtes Portemonnaie einbrachte, ausgerechnet das von Jimmy Somervilles Sirene intonierte "Tomorrow" der Communards aussuchte, wird wohl ewig sein Geheimnis bleiben...

Montag, 14. Februar 2011

Soundtrack Of My Life (031): Shalom - Bon Soir, Mademoiselle Paris (1992)

Seltsam. Beackerte ich diese Blogkategorie früher maximal einmal monatlich, fällt mir heute fast jeden Tag eine Geschichte ein. Der heutige Song schließt sozusagen die "Chomutov-Trilogie" (die vorangegangenen Teile hier und hier) ab und führt zurück ins Jahr 1992.

Der Grund, warum es uns damals in die Kleinstadt jenseits des Erzgebirgskamms zog, war der einfache Umstand, dass der "Gasfuß" (siehe Teil zwei) in jenem Jahr seinen Unteroffizierslehrgang im grenznahem Marienberg absolvierte und bei einem Trip auf die andere Seite jenen von Bulgaren geführten Club entdeckte, in den wir später fast wöchentlich einfielen. Klar wurde dort überwiegend der gängige internationale Schmiss gespielt, aber mir fiel in jenen Nächten besonders eine tschechische Ballade auf, von der ich zwar nahezu kein Wort verstand, mir aber trotzdem irgendwie ans Herz ging. Meine Sprachkenntnisse beschränkten sich damals darauf, halbwegs unfallfrei Getränke zu ordern und die Übernachtung zu sichern, für eine tiefergehende Analyse fehlte aber eindeutig das Vokabular. Meine damalige Herzensdame, mit der ich mich mangels englischer oder deutscher Sprachkenntnisse auch nur halbwegs mit Händen und Füßen verständlich machen konnte, vermochte mir zumindestens beizubringen, es hier mit Shalom, dem damals angesagtesten Act der zu diesem Zeitpunkt noch in den letzten Zügen existierenden Tschechoslowakei zu tun zu haben. Erst Jahre später, zu Beginn meiner Internet-Aktivitäten, konnte ich etwas tiefer in der Geschichte der Band schürfen, die als Nachfolgeprojekt des einheimischen Superstars Petr Muk zu seiner ersten Band Oceán (der nationalen Ausgabe von Depeche Mode) gegründet wurde und nur bis 1996 existierte.

Der Song stimmt mich immer noch sehr melancholisch, zumal ich erst durch die Recherche zu diesem Beitrag von dem Umstand erfuhr, dass Petr Muk im Mai 2010 unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde und das im Alter von gerade einmal 45 Jahren. Měj se hezky, Petr a děkuji...*

*Machs gut, Petr und danke...

Samstag, 12. Februar 2011

Soundtrack Of My Life (030): Culture Club - God Thank You Woman (1986)

Wie ich bereits an anderer Stelle einmal anmerkte, sah es im DDR-TV mit dem Abspielen offizieller Videoclips westlicher Bands bis zum Start des als letzten Rettungsversuchs gedachten Jugendprogramms "Elf 99" im Spätsommer 1989 eher düster aus. Im Radio pfiff man fröhlich auf alle Urheberrechte und jagte von sogenannten "Reisekadern" in West-Berlin besorgte Alben in Gänze über den Äther. So einfach waren bewegte Bilder freilich nicht zu bekommen, man behalf sich da lieber mit in Italien angekauften Promoauftritten der Top-Künstler bei den dortigen Musikfestivals von Sanremo und Saint-Vincent. So bekam ich eben "Stripped" von Depeche Mode, "The Wild Boys" von Duran Duran oder andere Acts statt der bei "Formel Eins" oder MTV laufenden Filmchen auf einer Bühne performt zu Gesicht - immerhin besser als nichts!

Nur ganz selten hatte man irgendwo ein "richtiges" Video ergattert, ich erinnere mich da an "The Jet Set" von Alphaville oder "Lovers In A Dangerous Time" von Bruce Cockburn. Ganz besonders ist mir aber ein anderer Clip in Erinnerung geblieben - "God Thank You Woman" von Culture Club aus dem Jahre 1986 - kurioserweise einer der erfolglosesten Songs der Band, der in seinem Erscheinungsjahr nicht einmal die deutschen oder amerikanischen Top100 erreichte und in Großbritannien auch gerade mal auf Position 31 landete. Dabei finde ich den Track mit seinem funky Rhythmus nach wie vor sehr knackig. Boy George, in diesem Fall vergleichsweise recht zurückhaltend gestylt (man vergleiche das einmal mit dem Video zu "The War Song"!), wackelt sich neben seinen Bandkollegen durch eine Studiokulisse, in die Filmsequenzen der Leinwandgöttinnen Claudia Cardinale, Brigitte Bardot, Sophia Loren und Britt Ekland einkopiert sind. Mehr 80er geht wirklich nicht...

Donnerstag, 10. Februar 2011

Soundtrack Of My Life (029): Bizz Nizz - Don't Miss The Partyline (1990)

Das Jahr 1990 wird mir immer als eines der verwirrendsten und ereignisreichsten meines Lebens in Erinnerung bleiben. Besonders die wenigen Monate zwischen Einführung der D-Mark in der DDR am 01. Juli bis zur Wiedervereinigung am 03. Oktober hatten etwas von völlig gesetzlosen Zuständen á la Wilder Westen. Kein Wunder, es galten noch die rechtlichen Regelungen der DDR, die für die tatsächlichen Umstände gar nicht vorgesehen waren und somit reichlich Spielraum für allerlei Anarchie und auch Kriminalität ließen.

Auch in der beschaulichen sächsischen Provinz tat sich diesbezüglich so einiges, darüber hinaus schossen überall behelfsmäßig errichtete Verkaufsstände und auch neue Partylocations aus dem Boden. Der in diesen Erinnerungen schon erwähnte "Dampfer" mutierte in jenen Tagen zum halb illegal bewirtschafteten Roulette-Casino, andere meiner vorher besuchten Wochenend-Ziele schlossen ganz. Dafür eröffnete ganz in der Nähe meiner Wohnung ein später zum Riesaer Großgastronomen (und mittlerweile wieder total abgestürztem) aufgestiegener, vorher völlig Unbekannter ein riesiges Zelt für Partyveranstaltungen. Aus heutiger Sicht geradezu absurd primitiv mit Holzbohlenboden bis zur die Tanzfläche bergende, Stirnseite, ein paar Bierzeltgarnituren am Tand - eine Luxus-Disse sieht anders aus! Trotzdem drängelten sich vor dem Einlass an allen Öffnungstagen die Massen, schon mangels alternativer Angebote in der Stadt.

Was diesem Tanztempel im IKEA-Style allerdings von seinen Vorgängern unterschied, war die zugegeben beeindruckende Licht- und Tonanlage, die sich doch erheblich von den größtenteils per Eigenbau entstandenen Ausrüstungen der DDR-Klitschen unterschied. In den Boden war sogar eine Edelstahl-Tanzfläche eingelassen und das war für uns Ossikinder nun wirklich etwas Neues, hatte man doch bis dato auf dem naturgegebenen Fliesen- oder Parkettboden der jeweiligen Lokalität abgehoppelt. Dieses Stück Metall brachte mich allerdings in einer lauen Sommernacht jenen Jahres in leichte Balanceschwierigkeiten, womit ich den Bogen zum Tanzflur-Stampfer "Don't Miss The Partyline" von Bizz Nizz schlagen kann.

In jenen Tagen war in hiesigen Breiten ein seltsamer Tanzstil aufgekommen, der eine Art schnellen Moonwalk auf der Stelle darstellte. Man joggte also in ruckartigen Bewegungen, ohne sich groß von seiner Position auf der Tanzfläche wegzubewegen. ich braucte eine Weile, bis ich mir das koordinationstechnisch draufgeschafft hatte, dann legte ich aber umso wilder los. Was ich an jenem Abend nicht sah: Irgendjemand hatte just dort eine Tube Haargel fallen gelassen (wer schleppt eigentlich sowas mit auf die Piste???), ich latschte in meinem Toben natürlich drauf und kleisterte meinen Standpunkt ordentlich mit dem perfekten Gleitmittel ein. Ich war so in Partylaune (und wohl alkoholtechnisch auch etwas angebrütet), dass ich das gar nicht mitbekam, mich allerdings über meine immer mehr in den Spagat drängenden Beine wunderte. Mein damaliger Freundeskreis stand freilich breit grinsend daneben und genoss sichtlich die etwas kurios anmutende One-Man-Show...

Dienstag, 8. Februar 2011

Soundtrack Of My Life (028): Queen - Bohemian Rhapsody/Bonnie Tyler - Holding Out For A Hero (1975/1984)

Heute wieder einmal ein Song-Doppelfeature. Die Gemeinsamkeit der beiden doch so unterschiedlichen Tracks besteht in ihrem Einsatz als Beschallung im Auto in einer doch sehr intensiv gelebten Zeit meines Lebens in den Jahren 1992 und 1993. Wie bereits in einem vorangegangenen Blogeintrag geschildert, verbrachten wir - ein aus etwa 4-5 Personen bestehender Freundeskreis - unsere Wochenenden oftmals jenseits der Grenze im tschechischen Kleinstädtchen Chomutov. Ich gebe im Nachhinein gerne zu, dass man es dort ordentlich hat krachen lassen, großzügige Verkostung diverser Alkoholika inklusive. Kein Wunder, war es doch damals bei Wechselkursen zwischen D-Mark und Krone nahe der 1:20-Marke geradezu unverschämt billig, so dass wir auch gerne die etwa 150 Kilometer Anfahrt auf uns nahmen. Aus heutiger Sicht schaut man mit etwas Altersmilde auf die vielen Albernheiten und spätpubertären Ausschweifungen der damaligen Tage, wofür Queens 1975er Opernheuler "Bohemian Rhapsody" und das neun Jahre später veröffentlichte "Holding Out For A Hero" der Waliserin Bonnie Tyler beispielhaft stehen.

Zur Erklärung des ersten Teils ist zunächst einmal die Kenntnis der Klamotte "Wayne's World" aus dem Jahre 1992 notwendig. Gleich zu Beginn fahren die Hauptcharaktere, der von Mike Myers gespielte Wayne, sein bester Kumpel Garth (Dana Carvey) und deren Freunde mit Garths klapprigem AMC Pacer durch die nächtliche City, dabei das im Autoradio laufende "Bohemian Rhapsody" mitsingend. Als endlich Brian Mays ruppiges Gitarrensolo einsetzt, verfallen alle fünf Autoinsassen in wüstes Headbangen. Nun ja, exakt diese Filmszene wurde von ein paar Feierwütigen in diversen fahrbaren Untersätzen auf praktisch jeder Reise zum Teil mehrfach nachgestellt...

Bonnie Tylers Song aus deren Jim Steinman-Phase wiederum diente als Entfernungs- bzw. Zeitmesser. Wir suchten in Chomutov bis zu drei verschiedene Clubs auf und pendelten gelegentlich mehrfach pro Nacht hin und her, je nach Gemütslage und Partyzustand vor Ort. Die Entfernungen betrugen diverse Kilometer quer durch die Stadt, doch einmal schaffte es der rasanteste im Team, die Strecke innerhalb dieses Songs abzubrettern, der Rest der Insassen an alle Angstgriffe der Karre geklammert. Kaum zu glauben, dass der Verursacher dieses Leichtsinns heute als Berufskraftfahrer tätig ist. Aber alles gut gegangen, alles verjährt und wie ich heute weiß, ist er mittlerweile auch deutlich entspannter unterwegs...

Dienstag, 1. Februar 2011

CD-Rezensionen (216): Bay City Rollers - Absolute Rollers (1996)

(Cover: Amazon.de)

Den Teenie-Hysterien und reihenweise Ohnmachtsanfälle auslösenden Bands der Popmusikgeschichte, ob nun Boygroups genannt oder auch nicht, wurde oftmals musikalisches Unvermögen, wenn nicht gar produzentenferngesteuerter Dilettantismus vorgeworfen. Dass aber in den Zeiten, als eben noch nicht verschiedene, auf die jeweilige weibliche Zielgruppe gecastete Typen singend und tanzend auf der Bühne standen, im Regelfall ihre eigenen Songs schreibende und Instrumente spielende echte Musiker zu Werke gingen, wird in der Rückschau gerne vergessen. Die schottischen Bay City Rollers um Les McKeown, Eric Faulkner und die Longmuir-Brüder, deren Songs meine Kinderzeit begleiteten, gehören zu jener erfolgreichen Mischung aus eingängigen Softrock-Songs und den mit dem kommerziellen Erfolg einhergehenden Begleiterscheinungen wie umkippender Mädchen und Fanrivalitäten mit den Anhängern der Konkurrenzkapelle The Sweet.

Diese "Greatest Hits"-Kopplung enthält auf einer mit einer Lauflänge von 75 Minuten rappelvollen CD nahezu alle Hits der Rollers, abgesehen vom zum Jahreswechsel 1976/77 immerhin auf Platz 13 der deutschen Charts gelangten "Yesterday's Hero". Bei den Nummern aus der zweiten Hälfte des Jahrzehnts macht sich hörbar der aufkommende Einfluss der Disco-Welle bemerkbar, während bei den frühen Songs noch eher etwas ruppig-verspielt mit Elementen des Glam Rocks zugelangt wird. Nicht alle Songs wurden von den Bandmitgliedern geschrieben, so finden sich auf diesem Repertoire-Querschnitt beispielsweise die Bowie-Nummer "Rebel, Rebel" oder Stücke aus der Feder Jeff Barrys, Phil Coulters oder Bob Crewes.

Allerdings können nicht alle Tracks überzeugen. "Once Upon A Star" driftet trotz leichter Beatles-Anleihen zu stark ins Schlagerhafte ab, bei anderen, wie z.B. "The Way I Feel Tonight" wird die Kitschgenze deutlich überschritten. Am stärksten waren die Rollers immer dann, wenn einfach geradeaus gespielt würde, ob nun bei "Shang-A-Lang", "It's A Game", "Bye Bye Baby" oder "Rock N' Roll Love Letter"

Der abschließende Megamix mag für Sammler interessant sein, unbedingt nötig war er in diesem 23 Tracks umfassenden Kompendium keineswegs.

Bewertung: 3 von 5

Dienstag, 25. Januar 2011

CD-Rezensionen (215): Garland Jeffreys - Don't Call Me Buckwheat (1992)

(Cover: Amazon.de)

Es gibt sie noch, die glücklichen Zufälle im Leben, die einem großartige Musik näherbringen. Irgendwann im Jahre 1992 oder 1993 saß ich in einer heute schon längst nicht mehr existierenden Kneipe und lauschte einer im Hintergrund abgespielten CD, die mir ungemein gut gefiel, deren Interpreten ich allerdings nicht so recht einzusortieren wusste. Ja, das war immer die gleiche Stimme, dennoch hatte jedes Stück einen komplett anderen Stil zu bieten. Hier mal etwas Gospel ("Moonshine In The Cornfield") und da groovte ein Boogie-Woogie ("Don't Call Me Buckwheat") durch die Boxen. Erst als der damalige Singlehit "Hail Hail Rock 'N' Roll" erklang, konnte ich dieses Sammelsurium dem 1980 durch den Chartserfolg "Matador" zu Bekanntheit gelangten Garland Jeffreys zuordnen.

Dieses Album hat einen textlich roten Faden: Rassismus in der US-Gesellschaft und die damit verbundenen privaten Erfahrungen des Sängers, eines Mischlings. So fröhlich die Musik (z.B. die im Reggae-Sound gehaltenen "Color Line", "Bottle Of Love" und "Murder Jubilee") stellenweise wirken mag, die bitteren Zeilen gehen oftmals schwer an die Nieren, saß doch Jeffreys aufgrund seiner Herkunft oftmals zwischen allen Stühlen.

Die zweite Single-Auskopplung "The Answer" wurde ebenfalls noch zum mittleren Hit, so dass dieses Album Anspruch und kommerziellen Erfolg sehr gut miteinander zu verbinden weiß. Dazu eine beeindruckende Mischung aus karibischen, lateinamerikanischen und gängigen Popklängen sowie einer äußerst wandlungsfähigen Stimme - volle Punktzahl!

Bewertung: 5 von 5

Samstag, 22. Januar 2011

Soundtrack Of My Life (026): Johnny Hates Jazz - Shattered Dreams (1987)

Die heutige Geschichte dreht sich eigentlich weniger um Musik, sondern um - Klamotten.

Bekanntlich kam man in der DDR zwar per Radio durchaus an die gängigen West-Hits, die zugehörigen Musikvideos bekam man aber höchst selten zu Gesicht. Im heimischen TV lief sowas praktisch gar nicht, mit viel Glück konnte man hier, hart am Rand des sogenannten "Tals der Ahnungslosen", mal halbwegs bildrauschfrei "Formel Eins" empfangen, oftmals blieb aber auch das nur Illusion. So kam es, dass ich den Clip des 87'er Hits von Johnny Hates Jazz erst mit einigen Jahren Verspätung so um das Jahr 1992/93 herum erstmals sah. Sänger Clark Datchler stiefelte darin, wenn er nicht mal gerade in schnieke End-Achtziger-Tapete gewandet war, in einer Art 20er Jahre Working Class-Outfit herum, das mir ausnehmend gut gefiel. Ich besorgte mir also umgehend ein paar Hosenträger (meiner Erinnerung nach ein paar hundsteure aus der CAMEL COLLECTION), ein weißes Hemd fand sich noch irgendwo im Schrank, dies mit ein paar Retro-Hosen und passenden Schuhen kombiniert und fertig war mein neuer Ausgehlook, gerne auch vervollständigt durch eine Schiebermütze, ein Familienerbstück. Das war wohl zwar alles andere als 90er Stil, aber mir war das wurscht.

In dieser Zeit pendelte mein Freundeskreis beim wochenendlichen "Pistengang" immer zwischen zwei weit auseinanderliegenden Clubs hin und her. Der eine lag praktisch vor der Haustür, der andere im etwa 150 Kilometer entfernten tschechischen Chomutov. Dort war es Anfang des Jahrzehnts natürlich spottbillig, wie quartierten uns für 14 DM/Nacht in einem Dreibettzimmer ein und waren selbst nach durchfeierter Nacht alles andere als pleite. Ein wenig musste man allerdings aufpassen, ob die dort herumtanzenden Damen rein privat oder aus "gewerblichen" Zwecken anwesend waren. Als mir beispielsweise in einer Freitagnacht die Luft in dem wohl halbillegalen und nicht viel mehr als wohnungsgroßen Etablissement doch zu schneidend wurde, trat ich auf die vorgelagerte Straße und wurde umgehend von zwei sichtlich aufgekratzten Vertreterinnen des Berufsstands angesprochen. Obwohl ich wenig Lust auf ungeplante Finanzausgaben verspürte, wurde mein "Shattered Dreams"-Gedächtnis-Hemd kurzerhand mit zahlreichen Lippenstift-Abdrücken dekoriert, ehe das Duo feixend weiter seines Weges zog. Ich war einfach zu perplex, um dagegen aufzumucken und bei der morgendlichen Inspektion des Kleidungsstücks wirkte das Kussmund-Muster schon wieder in irgendeiner Form cool.

Das wiederum brachte mich auf die verrückte Idee, das Teil in diesem Zustand am wieder in heimatlichen Gefilden verbrachten Samstagabend erneut anzuziehen. Verschwitzt, verraucht, nicht mehr taufrisch? Egal, ordentlich gelüftet und einparfümiert und es war wieder tragbar! Aus heutiger Sicht ist die ganze Geschichte zwar höchstgradig albern und spätpubertär, aber mit dem im Schwarzlicht odentlich hervorstechenden vollgeknutschten Hemd kam man sich in der Kleinstadtdisse wirklich vor wie die coolste Sau im Schweinestall... Danke, Clark!

Donnerstag, 20. Januar 2011

Soundtrack Of My Life (025): Stephan Remmler - Vogel der Nacht (1988)

Von Oktober 1994 bis September 1995 absolvierte ich meinen Wehrdienst in der Regensburger Nibelungenkaserne. Eines der oftmals angesteuerten Ziele nach Dienstschluss war das Mannschaftsheim, ein Mix aus Kneipe und Laden. Sei es, weil das Abendessen wieder einmal wenig einladend gewesen war oder man sich irgend eine Zeitschrift, diversen Soldaten-Nippes oder einfach nur eine Briefmarke für den Brief nach Hause leisten wollte, schließlich reden wir hier über die Prä-WWW-Zeit.

Einer der Mittelpunkte des hölzernen Einrichtungsalptraums war eine uralte Jukebox, deren musikalischer Inhalt scheinbar seit den ausgehenden 80er Jahren nicht mehr ausgetauscht worden war. Immerhin fanden sich darin für ein Mainstreampublikum doch recht ungewöhnliche musikalische Perlen wie "Close To Me" von The Cure, eindeutig meist gewähltetes Stück war jedoch der Schnulzenheuler "Vogel der Nacht" des ehemaligen Trio-Frontmanns Stephan Remmler und das hatte einen ganz bestimmten Grund.

Wurden die auf das Dienstende zusteuernden Rekruten der NVA im truppeninternen Jargon "EK's" (Entlassungskandidaten) genannt, so hatte sich bei der Bundeswehr der Begriff "Ausscheider" oder verknappend einfach "Scheider" eingebürgert. Dies wurde bei jeder sich bietenden Gelegenheit lautstark rufend zum Besten gegeben, manche hatten in der Betonung und Proklamation dieses Begriffs eine geradezu bewundernswerte Kreativität aufzubieten. Also von "Auuuuuuuuuuuuuuuusscheider" über "Aus! Schei! Der!" bis hin zum anbrüllenden "Scheider, Du Ratz!" gegenüber den eingeschüchterten "Frischlingen". Und um dem Ganzen auch noch eine musikalische Komponente hinzuzufügen, hatte man sich nun ausgerechnet des bereits erwähnten Remmler-Songs bemächtigt. Und so schallte es nach Geldeinwurf und Drücken der entsprechenden Taste regelmäßig im Rumbarhythmus durch das Mannschaftsheim:

"Scheider der Nacht! Flieg hinauf bis zum Mond..."

Montag, 17. Januar 2011

CD-Rezensionen (214): Farin Urlaub Racing Team - Die Wahrheit übers Lügen (2008)

(Cover: Amazon.de)

Wie so viele meiner Altersgenossen, die ihre Jugend in der DDR der 80er Jahre verbracht haben, bin ich ein langjähriger Ärzte-Fan, der Trennung und Wiederbeginn mit verändertem Stil wohlwollend begleitet hat. Irgendwann kristallisierte sich dann heraus, dass mir persönlich die Songs aus der Feder Farin Urlaubs sowohl in textlicher als auch musikalischer Hinsicht am deutlichsten zusagten. Insofern erschien es mir gar nicht einmal unlogisch, dass ich großen Gefallen an den beiden Soloveröffentlichungen des Blondschopfs, dem bissig-frechen "Endlich Urlaub!" (2001) und dem viel nachdenklicheren "Am Ende der Sonne" (2005) fand. Somit lag sowohl die Messlatte als auch meine Erwartungshaltung sehr hoch, als, nunmehr auch im Studio offiziell von seiner vielköpfigen Livetruppe "Farin Urlaub Racing Team" unterstützt, der dritte Solo-Silberling in die heimischen Plattenbestände wanderte.

Und scheinbar fügte sich alles wie gehabt zusammen. Gleich mit dem ersten Track-Trio kann ich prima leben, selbst wenn der eine oder andere Melodieverlauf arg vertraut erscheint. Die Single-Auskoppplung "Nichimgriff" knüppelt fröhlich vor sich hin, "Unscharf" thematisiert einmal mehr die Vertracktheit zwischenmenschlicher Kommunikation und das mit ordentlich Bläsereinsatz angeschärfte "Gobi Todic" rast durch seinen vor lauter Absurditäten geradezu strotzenden Text. Das ist nicht immer die hehre Kunst, aber mir gefällt's!

Schwieriger wird es danach. Farin Urlaub ist ein eigenwilliger und hochintelligenter Kopf, dessen persönliche Ansichten sich nicht immer mit den meinen decken. Sei's drum, ich mag es nur nicht, wenn ich vor lauter erhobenem Zeigefinger nicht mehr zum Musikhören komme. Das war schon bei "Lieber Staat" auf seinem Solo-Debüt so und setzt sich hier mit "Seltsam" fort. Ja, Pelze sind scheiße, aber das konnte man auch schon mal deutlich unplatter formulieren, schließlich hat man es doch hier eigentlich mit einem Meister des Wortwitzes zu tun.

"Krieg" (herrjeh, "Bap-schuwadiwadi"-Chöre habe ich das letzte Mal anno 1974 bei "Sugar Baby Love" von den Rubettes gehört...) trägt textlich und musikalisch geradezu Helge Schneidersche Züge und da ich den Mülheimer Jazzgott sehr verehre, kann also auch dieser Track bei mir punkten, ganz im Gegensatz zu "Pakistan". Die Reiselust des Autoren mal zu thematisieren ist sicherlich keine schlechte Idee, aber dies geschieht auf mich wenig packende Weise, das Liedchen plätschert halt vor sich hin, ohne jemals so richtig die Kurve zu kriegen.

"Niemals" hätte sehr gut auf "Das Ende der Sonne" gepasst, erneut werden unerwiderte Gefühle auf markerschütternde Art und Weise beschrieben, eindeutig eins der Highlights des Albums und bei "Leiche" ist der alte Zyniker Urlaub ganz in seinem Element. Vor zwei Dekaden hätte das eventuell einmal mehr die Indizierungsbeauftragten auf den Plan gerufen, heute wirkt das wunderbar entspannt. Sehr gut! "Monster" ist textlich zwar wahnsinnig plakativ, aber die Frage sei erlaubt: Trifft die Beschreibung der deutschen Formatradiolandschaft nicht den Nagel auf den Kopf? Und nach dem wunderschönen Liebeslied "Atem" wird bei "Karten" nochmal ordentlich in die Saiten gegriffen, leider ist der Refrain nur ein Wiedergänger von "Unter Wasser".

Damit wäre die "Büffelherde" benamste Haupt-CD abgeschlossen und der Vier-Track-Mini "Ponyhof" darf zu seinen Ehren kommen. Musikalisch komplett konträr wird hier in Reggae- und Dancehall-Gefilden gewildert, "I.F.D.G." groovt da mitsamt seinen bissigen Zeilen derart relaxt durch die Boxen, dass sich gleich ordentlich gute Laune einstellt. "Zu heiss", "Insel" blubbern da aber deutlich schwächer und uninspirierter vor sich hin. Wer mit derlei Musik ohnehin nichts anfangen kann, wird sich freilich irritiert abwenden. Wenigstens darf mit "Trotzdem" noch mal im Affentempo die Ska-Sau durchs Dorf gehetzt werden, selbst wenn der Text zum zigsten Mal die "Loser dieser Welt, gebt nicht auf!"-Thematik beackert. Insgesamt ein eher durchwachsenen Bonus.

Ich gebe zu, dass der Urlaub-Drittling im Gegensatz zu meinen Vorläufern deutlich mehr Durchläufe benötigte, um bei mir zu punkten. Ich mache das eigentlich ungern, entweder es packt mich sofort oder eben auch nicht. Dennoch hat es sich in diesem Falle durchaus gelohnt, auch wenn die zweithöchste Wertung nur für die Haupt-CD allein gilt, im Verbund mit dem "Ponyhof"-Anhang wird die um einen Punkt tiefere gezückt.

Bewertung: 4 von 5

Donnerstag, 6. Januar 2011

CD-Rezensionen (213): Blind Passengers - Born To Die (MCD) (1994)

(Cover: Amazon.de)

Sich musikalisch mit dem emotionalen Thema Tierversuche zu beschäftigen, ist auf dem ersten Blick erst einmal wohlfeil. Ein paar ergreifende Worte gegen die Qualen der Kreatur, dazu ein emotional aufwühlendes Coverfoto und der allseitige Beifall ist sicher. Ob man dann selbst im Alltag von den Ergebnissen der umstrittenen Tests profitiert oder sich konsequent deren Auswirkungen auf das Privatleben verweigert, ist dann freilich oftmals eine andere Sache. Unterstellen wir jedoch einmal den Berlinern bei ihrer 1994 erschienenen Single nur die besten Absichten.

Im Grunde genommen lässt sich "Born To Die" als Bindeglied zwischen den 1993 und 1996 erschienenen ersten beiden Alben der Blind Passengers verstehen, bietet der Tonträger doch einen Remix des von "The Glamour Of Darkness" bereits bekannten "Yes, Sir!" und mit den beiden Versionen des Titelstücks bereits einen Vorgriff auf den später erschienenen Zweitling "Destroyka". Kann aber der "Hospital-Mix" des erstgenannten Stücks mit gesteigerter Aggressivität und pumpendem Rhythmus noch einige Qualitätspunkte zulegen, fiel die schlußendlich für das '96er-Album verwendete Version von "Born To Die" deutlich schwächer aus als der hier verwendete Edit und der über sechsminütige "Gen-Mix".

Mit dem wild vorwärtsstürmenden "Headache... (New Prosperity)" und dem Instrumental "Sarajevo", welches mit getragenen Synthie-Streicherklängen den damals noch tobenden Bosnien-Krieg thematisiert, werden netterweise noch zwei qualitativ hochwertige B-Seiten als Bonus dreingegeben, in Zeiten, in denen auch mal gerne auschließlich Remixe ein und desselben Stücks auf Maxi-CDs gepressst wurden, ein sehr fanfreundlicher Umstand! Alles in allem bekommt man etwa 22 Minuten im Stil der frühen Bandphase geboten, bevor sich die Herren um Nik Page deutlich härteren Klängen zuwandten.

Bewertung: 4 von 5

Mittwoch, 5. Januar 2011

Soundtrack Of My Life (024): David Bowie & Pat Metheny Group - This Is Not America (1985)

Die heutige Anekdote beinhaltet ein Missverständnis: Für einige Zeit ordnete ich die "This Is Not America" intonierende Stimme falsch zu und vermeinte Boy George und nicht David Bowie singen zu hören. Zu meiner Ehrenrettung sei gesagt, dass ich - für ein Kind der DDR logisch - niemals den Originaltonträger in die Finger bekam und den damaligen Welthit anno 1985 nicht im Radio, sondern in aufregenden Sommertagen an der polnischen Ostseeküste kennenlernte. Aber hübsch der Reihe nach.

Nach der Ausrufung des Kriegsrechts durch General Jaruzelski Ende 1981 kam man als DDR-Bürger nicht mehr einfach so nach Polen hinein. Die Oberen in Ost-Berlin wollten schon aus Eigenschutz verhindern, dass irgendwelche oppositionellen Gedanken á la Solidarność per Urlaubsverkehr ins Land sickerten. Allerdings war die Abschottung nicht vollständig, per Einladung aus Polen oder organisierter Tour konnte man durchaus noch die Grenze überschreiten. Ein glücklicher Zufall wollte es, dass die damalige Firma, in der mein Vater arbeitete, im Austausch gegen eigene Kontingente in der DDR Ferienlagerplätze in der Nähe von Danzig organisiert hatte. Wow, 2 Wochen elternloses Ausland mit 13 Jahren und ich durfte dabeisein!

Treffpunkt Dresden Hauptbahnhof am frühen Nachmittag, ich sehe einige bekannte Gesichter aus einem Erzgebirgs-Camp des Jahres 1982 wieder, alle sind aufgrund der Reise, die bis zum darauffolgenden Morgen dauern wird, recht hibbelig. Und wie das als pubertierender Jüngling so ist - man schaut sich um und sondiert unter den mitreisenden Damen "die Marktlage". Ja, die wäre ja nett, oder die...wenn man nicht so verdammt schüchtern wäre!

Zwischenstop Berlin mit Besichtigung der Ost-Berliner Highlights Fernsehturm und Palast der Republik, inklusive Abendessen in "Erichs Lampenladen" - für ein sächsisches Provinzkind alles andere als eine normale Erfahrung. Der Trip ist schon in den ersten Stunden so neu, so aufregend, dass ich es kaum fassen kann.

Der Nachtzug nach Gdańsk, wie wir damals natürlich sagen, fährt etwa gegen 22 Uhr vom Bahnhof Berlin-Lichtenberg ab, wir sortieren uns irgendwie in unser Abteil ein, an Schlaf denkt schon aufgrund der Enge kaum jemand. Über Stettin, Köslin, Stolp und Gdingen kämpft sich der Zug entlang der Ostseeküste bis nach Danzig, welches wir - komplett übermüdet und zerschlagen - in den frühen Morgenstunden erreichen. Da sich das Ferienlager etwa 40 Kilometer außerhalb der Stadt befindet, werden wir in Busse verfrachtet und machen während der Fahrt durch die Straßen die Erfahrung, dass Danzig stellenweise sehr arm und heruntergekommen aussieht, was bei einem DDR-Einwohner, der auch nicht gerade in luxuriosen Verhältnissen residiert, schon einiges heißen will.

Die folgenden Tage vergehen wie im Fluge und mit einer Fülle von Ereignissen. Ob Besuche der Westerplatte, des Hafens oder einfach Abhängen am Strand - es ist traumhaft. Es wird wild durcheinandergeflirtet, die Sprachbarrieren zwischen anwesenden Polen, Tschechen und Deutschen werden irgendwie mit Händen und Füßen sowie dem von allen ungeliebten Schulrussisch überwunden. Ich ertrinke fast, als mich eine Welle umwirft und ich unter Wasser 20 Meter in Richtung Strand gespült werde, wo ich nach Luft japsend wieder auftauche, mir wird das richtige Küssen beigebracht (unter anderem abseits eines Lagerfeuers am nächtlichen Strand, zu dem wir mehrere Kilometer durch den stockfinsteren Wald gelaufen sind) und ich erlebe eine wilde Fummelnacht auf der Rückfahrt, als ein Liegewagenabteil im Zug mit Decken blickdicht gemacht und somit zum Liebesnest umfunktioniert wird.

All das und noch so einiges mehr wird immer wie von selbst in meiner Erinnerung abgerufen wenn die Zeilen "A little piece of you, the little peace in me, will die..." zu hören sind. Zwei Jahre später werde ich an diesen für mich magischen Ort zurückkehren und dort meine erste große Liebe erleben, natürlich begleitet von erinnernswerter Musik. Aber das ist eine andere Geschichte...

Mittwoch, 22. Dezember 2010

CD-Rezensionen (212): Air - 10.000 Hz Legend (2001)

(Cover: Amazon.de)

Es ist immer so eine vertrackte Sache, wenn man sich als Anhänger eines bestimmten Bandsounds so richtig schön in seiner Erwartungshaltung eingekuschelt hat. Man legt die CD in den Player, freut sich auf Wohlbekanntes in neuer Ausgabe und bekommt dann hin und wieder ganz gepflegt eins mit der "Ätsch!"-Keule übergezogen. So in etwa dürften sich viele "Moon Safarirista" beim erstmaligen Hören des vierten Air-Outputs "10.000 Hz Legend" gefühlt haben.

Dabei haut der Opener "Electronic Performers" durchaus in die Kerbe des Vertrauten. Es blubbert und plöngt zwar etwas heftiger als in früheren Tagen der Franzosen, das geht aber durchaus in Ordnung. Etwas komplizierter schaut die Lage bei "How Does It Make You Feel" aus. Da wird in einer Schmalzballade ziemlich viel zusammengeklöppelt, das auf den ersten Blick nur schwer zueinanderpassen mag. "70er-Schwulst meets OMD meets Beatles". Oder so. Mein Geschmacksdaumen bleibt dabei aber dennoch nach oben gereckt. Die Singleauskopplung "Radio #1" hingegen trifft aber nun gar nicht meinen Geschmack, zu wild zusammengewürfelt wirkt das Ganze.

Und so setzt sich das leider fort. Uninspierierte Vocals treffen auf dahinplätschernde Melodielinien, die Perlen, für die Nicolas Godin und Jean-Benoît Dunckel eigentlich bekannt sind, muss man sich dabei echt herausuchen. "Radian" ist so eine funkelnde Ausnahme. Weltmusikanleihen treffen auf düstere Elektronik, ein nervöser Grundrhythmus gibt die Schlagzahl vor, bis sich alles in die Breite auflöst und den Weg für die gewohnten Air-Spielereien freigibt. Mein Lieblingsstück des Albums! Auch das hyperaktive "Lucky And Unhappy", das wahrhaft giftige "Sex Born Poison" oder das etwas an die frühen Goldfrapp erinnernde schräge "Wonder Milky Bitch" oder der Glam-Hoppler "Don't Be Light" dürfen sich zu den wirklich gelungenen Songs der Platte zählen.

Ansonsten gilt: leider mehr Füllmaterial als früher. Neben bereits erwähntem "Radio #1" fallen auch "People In The City", "Caramel Prisoner" und der Bonustrack "The Way You Look Tonight" in die "durchaus verzichtbar"-Kategorie. Daher muss sich "10.000 Hz Legend" im bandinternen Ranking etwas weiter hinten anstellen, schon blöd, wenn man gleich zu Karrierebeginn so einen Überklopper wie "Moon Safari" auf den Markt geworfen hat...

Bewertung: 3 von 5

Donnerstag, 16. Dezember 2010

CD-Rezensionen (211): Gipsy Kings - Greatest Hits (1994)

(Cover: Amazon.de)

Die ganz großen kommerziellen Erfolge der vielköpfigen Gitans-Truppe sind zwar schon einige Jahre her, die mit diversen außereuropäischen Einflüssen angereicherte Flamenco-Musik der Gitarrenvirtuosen kann aber auch noch heute innerhalb weniger Augenblicke gute Laune, Urlaunsstimmung oder einfach pures Tanzvergnügen vermitteln. Ich tingelte jahrelang als Party-DJ durch die Lande und wenn man dann zu fortgeschrittener Stunde Kracher wie "Baila me" oder "Bamboleo" auflegte, gab es praktisch kein Halten mehr. Da mutiert selbst ein braver deutscher Familienvater schon mal zum feurigen Tanzboden-Torero... 

Zwar geht den Tracks dieser "Best Of"-Kopplung, hintereinander gehört, gelegentlich etwas die Abwechslung ab, dafür schrammeln sich aber die Herren Reyes und Baliardo auf der Mehrzahl der Songs ordentlich die Finger wund. Nur gelegentlich gibt es geradezu liebevoll reduzierte Kleinode wie das anrührende Instrumental "Moorea" zu hören, eine entspannende Pause im doch sonst so dynamisch vorpreschenden Gipsy Kings-Katalog. Und selbst meine Wenigkeit, der der Coverei der persönlichen Lieblingssongs äußerst kritisch gegenübersteht, ist von der Flamenco-Variante des unsterblichen Sinatra-Klassikers "My Way" namens "A Mi Manera (Comme d'habitude)" schwer begeistert!

Gelegentlich geht es sogar regelrecht düster zur Sache. "Un Amor" ist ein etwa dreieinhalbminütiges Stück purer Schwermut und Melancholie und geht arg unter die Haut. Ein in jeglicher Hinsicht außergewöhnliches Stück stellt hingegen "Escucha me" dar. Angetrieben von einem locker-flockigen Reggae-Groove, spielt der Song darüber hinaus mit Bläsersätzen und indischen Sitar-Klängen - eine tolle Mischung! Auch "La quiero" bedient sich mit seinen Steel Drums in eher karibischen Gefilden, "Vamos a Bailar" wildert dafür im argentinischem Tango-Sound.

Insgesamt eine prima Sommermischung auch für kalte Wintertage mit einigen qualitativen Ausreißern nach oben und unten.

Bewertung: 4 von 5 

Montag, 13. Dezember 2010

CD-Rezensionen (210): Digital Orgasm - Appearances Are Deceptive (1992)

(Cover: Amazon.de)

Da beißt die Maus keinen Faden ab, die 90er waren die Dekade der tanzorientierten Musik. Hatten sich bereits etwa ab Mitte der 80er die Dancefloor-Produktionen auf eine kaum noch überschaubare und mit immer neuen Bezeichnungen versehene stilistische Spartenvielfalt aufgesplittet, differenzierte sich das Ganze im Folgejahrzehnt weiter aus. Wo soll man also dieses 1992 erschiene Album von Digital Orgasm, einem der zahlreichen Nebenprojekte des Lords of Acid-Machers Praga Khan, verorten?

Deutlich hörbar hört man der Platte die New Beat-Herkunft seiner Protagonisten an, auch wenn auf "Appearances Are Deceptive" aus allen Branchen munter zusammengemischt wird. Da rumpelt der Opener "Another World" mit seinem Drumloops und wilden Breaks wie The Prodigy zu ihren besten Zeiten, während dem ähnlich beginnenden "Running Out Of Time" ein geradezu simpler Tralala-Refrain im Kommerz-Houserhythmus untergejubelt wird. Ansonsen sehr viele sägende und blubbernde Acid-Klänge, teilweise tanzbar bis zum Exzess. Auf die Dauer geht den Tracks aber deutlich die Abwechslung ab, man ist da schon fast dankbar, wenn einem bei "Switch The Mood" wahre Synthie-Giftpfeile um die Ohren fliegen.

Gelegentlich geht es auch schwer daneben. "Startouchers" paart pure Beliebigkeit mit nichtssagenden Vocals, wirklich einer der Tiefpunkte. So bleibt eine durchwachsene Mischung, ein typisches Nebenprodukt eben. Am ehesten vergleichbar mit dem "White Room"-Album der Pop-Radikalinskis The KLF, freilich ohne jemals dessen Klasse zu erreichen. Anspieltips: "Another World", "Reality" und die an Moments Of Love" von The Art Of Noise erinnernde Hammerballade "Forever And A Day".

Bewertung: 3 von 5

Donnerstag, 9. Dezember 2010

Soundtrack Of My Life (023): George Michael/Wham! - Careless Whisper (1984)

Durch einen nur acht Tage nach meiner Heirat angetretenen neuen Job war es anno 2000 mit einer großangelegten Hochzeitsreise natürlich Essig. Die Frischangetraute und ich holten das dann im Frühjahr 2001 nach, wobei uns die Tour in karibische Gefilde in die Dominikanische Republik führte, damals leider gerade auf dem besten Wege in das tropische Ballermannparadies von heute.

Um nicht völlig im Hotel zu versumpfen, unternahmen wir diverse Ausflüge nach draußen, wobei uns eine Tour an die Südküste in die Nähe von La Romana führte, um mit einem Boot auf die unbewohnte Isla Catalina überzusetzen, ein paar Schnorchelstops inklusive. Die etwa 70 Kilometer lange Anreise zum Hafen überstand die Gattin nicht ohne körperliche Malaisen, Bus fahren (gerade auf herausforderndem Straßenbelag) ist nun wirklich nicht ihre große Stärke. Dementsprechend grün um die Nase ging sie dann an Bord, doch das Schaukeln des Boots machte die Geschichte freilich auch nicht besser, im Gegenteil. Besserung stellte sich erst nach Landgang, dem Essen und der Rücktour ein, die uns noch einen Zwischenstop an einer geradezu traumhaften Sandbank bescherte. Vom Boot wurden diverse hochprozentige Mischgetränke ins etwa 28 Grad warme und sattgrüne Wasser gereicht, dazu die malerische Aussicht ans Ufer und noch die mir vorher nicht bekannte Extended Version von George Michaels (bzw. Wham!, wenn man mal über die etwas komplizierte Entstehungsgeschichte des Songs nachdenkt) Riesenhit "Careless Whisper" im Hintergrund - so stelle ich mir das Paradies vor.

Und so konnte ein mir damals schon seit über 15 Jahren liebgewonnenes Stück noch einmal völlig neue Stärken entfalten. Immer wenn ich etwas Sonnenschein im Gemüt brauche, pfeife ich auf die eigentliche Intention des Texts, werfe Herrn Panayiotou in den Player und schon ist die Wärme da...

Donnerstag, 25. November 2010

CD-Rezensionen (209): H-Blockx - Time To Move (1994)

(Cover: Amazon.de)

Wenn in der laut LivCom-Award "lebenswertesten Stadt der Welt" Münster mal eben so ein Debütalbum aus dem Armel geschüttelt wird, das dem geneigten Hörer ordentlich den Rost aus den Knochen zu pusten weiß, dann ist das schon mehr als nur bemerkenswert. Im beschaulichen Westfalen entstand somit ein echter Crossover-Kracher, der deutlich mehr als nur mehrere Hitsingles mit putzigen Musikvideos aufzubieten hat. Zwar erfanden die Mannen um Henning Wehland das Genre nicht neu, für deutsche Ohren gab es da zuvor aber vergleichsweise wenig zu hören, gleich gar nicht im Lichte einer breiten Medienöffentlichkeit.

Es rumpelt, kracht und scheppert also an allen Enden, dies alles getragen von einem zur körperlicher Aktivität anregenden Beat. Gelegentlich vermeint man diverse Vorbilder um die Ecke schauen zu sehen, wie beispielsweise die Red Hot Chili Peppers bei "Say Baby" (ein wild dazu springender Flea drängt sich da vor meinem inneren Auge förmlich auf), dies ist aber alles andere als pures Epigonentum. Vielmehr liefert man mit "Move" ein wirkliches Brett ab, nicht zu Unrecht als Single ausgewählt. 

Erst bei Track gibt es mit der Ballade "Little Girl" eine kleine Atempause, doch selbst die entfaltet noch ausreichend Druck, um den Gesamteindruck des Albums aufrecht zu erhalten. Sollte trotzdem der unwahrscheinliche Fall eingetreten sein, diesen Song zu schlaff zu finden, wird schon unmittelbar darauf mit "Risin' High" der Puls wieder ordentlich in die Höhe gejagt. Sägende Megaphon-Raps á la Mike D (Beastie Boys) wechseln sich ab mit amtlichem Gitarren-Geknüppel. Sehr fein, das! "Real Love" packt noch mal ordentlich Speed drauf, falls es also jemanden bis dato zu langsam zugegangen sein sollte - bitte sehr, damit kann im Wortsinn schnellstens Abhilfe geschaffen werden, wie auch bei "Go Freaky".

In der Summe gesehen ein erstaunliches Debütalbum, dem - in der Gesamtheit betrachtet - vielleicht ein wenig die Abwechslung abgeht, dies führt aber nur zu minimalen Abstrichen.

Bewertung: 4 von 5

Donnerstag, 18. November 2010

CD-Rezensionen (208): Beck - Loser (MCD) (1994)

(Cover: Amazon.de)

Da von dieser Single-Veröffentlichung diverse Formate mit differierendem Tracklisting existieren, eine Anmerkung vorneweg: Diese Rezension bezieht sich auf die vier Songs enthaltende Veröffentlichung von 1994.

"I'm A Loser Baby, So Why Don't You Kill Me?" Dieses lässig hingerotzte Statement passt wie die Faust aufs Auge für die 1994 mit dem Tod von Kurt Cobain zeitweise völlig gelähmte Grunge- und Alternative-Szene, auch wenn der Song schon im Jahr zuvor in Kleinstauflage bei einem Minilabel erschienen war. Doch erst mit der Wiederauflage beim mächtigen Geffen-Konzern schoss die schräge Nummer auf hohe Chartspositionen (Platz 10 in den USA, immerhin Position 18 in Deutschland). Dabei hat "Loser", bei Lichte besehen, alles andere als Hitpotential. Herr Hansen rappt mit Absicht leicht neben der Spur, alle Instrumente klingen irgendwie verstimmt, der Track schlurft im Zeitlupentempo vor sich hin und der Text ist ist an Abgedrehtheit auch kaum zu überbieten. Aber irgendwie ist die Nummer mit den Sitarklängen in ihrer Schluffigkeit verdammt cool.

In diesem Stile geht es weiter, auch "Totally Confused" klingt wie aus einer Riesen-Marihuanawolke vorgetragen. Ein dominierender Bass plongt nebst unterstützendem Schlagzeug scheinbar ziellos vor sich hin, während Beck damenunterstützt über die Liebe räsoniert. Das hat fast schon Woodstock-Qualitäten! "Corvette Bummer" hingegen läd trotz schaumgebremstem Tempo dank seines lässigen Grooves sogar zum gepflegten Abhotten ein. Sehr genehm, das!

Das wenig schmeichelhafte Statement "MTV Makes Me Want To Smoke Crack" gibt gleichnamigen Song seine Titelzeile - wenn ich mich recht erinnere, war die damals noch hauptsächlich Musik sendende Station so selbstironisch, dies als gelegentlichen Jingle einzuspielen. Der gesamte Song ist eine interessante Soundcollage, die ein wenig planlos beginnt, sich dann aber dann zu einer Las Vegas-Entertainernummer á la "Rat Pack" entwickelt. Ungewöhnlich, aber gut, was für die gesamte Maxi-CD gilt. Knapp 16 Minuten originelle Alternative-Musik!

Bewertung: 4 von 5

Donnerstag, 11. November 2010

Soundtrack Of My Life (022): Kim Wilde - The Second Time (1984)

Ich habe es in dieser Rubrik schon mehrfach erwähnt - als Jugendlicher in der DDR war man nicht eben gesegnet mit Originaltonträgern westlicher Bands und Solisten. Hatte man keine spendable Verwandschaft jenseits der Grenze oder schickte man nicht die reiseberechtigte eigene Oma zum Plattenkauf gen Westen, musste halt das rührige Jugendradio DT64 mit seinen zahlreichen Mitschnittsendungen oder auch das normale Tagesprogramm - welches auch dankenswerterweise die gespielten Songs ohne störendes Reingequatsche der Moderatoren sendete - herhalten. Um so etwas wie Copyright scherte man sich im Funkhaus in der Ostberliner Nalepastraße ohehin wenig bis gar nicht.

Irgendwann im Frühwinter 1984 hockte ich dann mit meinen knapp 13 Jahren auch erstmals bewußt vor dem Radiorecorder, stundenlang auf der Jagd nach Hits und seltenen Stücken. Ich kann mich sogar noch sehr genau an meine ersten Beutestücke jenes kalten Nachmittags erinnern, auch wenn die damals aufgenommene ORWO-Kassette schon längst den Weg alles Irdischen gegangen ist. Ein völlig wilder Stilmix kam da zusammen, "Some Guys Have All The Luck" von Rod Stewart, "Tea In The Sahara" von The Police, "Thank God It's Christmas" von Queen und "Nutbush City Limits" von Ike & Tina Turner. Den Höhepunkt dieses ersten bewußten Musikhörens stellte wohl aber ein absoluter New Wave/New Romantics-Heuler dar, das damals brandneue "The Second Time (Go For It)" der Britin Kim Wilde. Aus heutiger Sicht eine recht schräge Nummer mit all seinen Staccato-Klängen, Miss Wildes dünnem Stimmchen und den fräsendem Synthie-Geplärr. Trotzdem: Schon aus nostalgischen Aufwallungen eine von mir immer wieder gern herausgekramte Nummer.

PS: Über meine damalige lautmalerische Niederschrift der Songtitel im Kassetten-Inlay decken wir an dieser Stelle mal besser den großen dunklen Mantel des Schweigens. Zur Entschuldigung: Mein Englischunterricht in der Schule hatte erst ein Vierteljahr zuvor begonnen...

Samstag, 6. November 2010

CD-Rezensionen (207): Enya - The Memory Of Trees (1995)

(Cover: Amazon.de)

Das Gute an Enya-Alben ist für mich die Tatsache, dass man so herrlich kontrovers darüber diskutieren kann. Wunderschöne Kontinuität oder der in Töne gegossene Stillstand, das Hochhalten irisch-keltischer Traditionen oder mit Klangbombast überzuckerter Edelkitsch - so ganz wird man sich da wohl nie einigen können. Ich gebe zu, dass ich die Erzeugnisse aus dem Hause Bhraonáin/Brennan auch nicht täglich genießen kann, aber bei entsprechender Situation und Gefühlslage gibt es wenig, das mir derart innere Ruhe verschafft.

Auch beim vierten Album geht es aus oben genannten Gründen vertraut zur Sache. Getragenes Tempo, vielfältige Hall- und Soundeffekte plus Enyas gar nicht mal umfangreiche, aber dennoch sehr berührende Stimme, die sowohl englische als auch lateinische und gälische Texte interpretiert, erzeugen einen Film im Kopf, bei dem man buchstäblich ganze Heerscharen von Tolkienschen Fantasy-Gestalten durch abenteuerliche Landschaften wandeln sieht. Herausragend hierbei "Pax Deorum", das mit seinen düsteren Klängen eine bedrohliche Atmosphäre erzeugt. "Anywhere Is" hingegen gelangte durch umfangreichen Radioeinsatz zu Weltruhm (immerhin Platz 7 in den britischen Charts).

Gelegentlich rutscht die Irin aber doch deutlich über die Kitschgrenze ("Hope Has A Place"), zudem ist im Allgemeinen die Gefahr der Verwechselbarkeit einzelner Songs aufgrund der gelegentlich sehr ähnlichen Arrangements groß. Eine echte Ausnahme bietet da "Tea-House Moon" mit seinen asiatisch angehauchten Sounds. Und für Enya-Verhältnisse geradezu fröhlich-optimistisch geht das Album mit "On My Way Home" zu Ende. Insgesamt eine wiederum typische Veröffentlichung, die an schlechtgelaunten Tagen drei, an melancholischen vier Wertungspunkte einfährt.

Bewertung: 4 von 5

Donnerstag, 4. November 2010

"Haste Scheiße am Fuß..." - Part Three!

Langsam mache ich mir über meine Alltagstauglichkeit Sorgen. Ich fühle mich derzeit arg an die Folge der Kult-Sitcom "Eine schrecklich nette Familie" erinnert, in der Bud "Dumpfbacke" Kelly für die Teilnahme an einem TV-Sportquiz brieft. Zum Schluss der Vorbereitung ist Kellys Kopf dann zwar randvoll mit allerlei Sportstatistiken und Athletennamen, für die Speicherkapazität mussten dann aber ein paar Basics im Hirn gelöscht werden. Genauso fühle ich mich seit einigen Tagen auch. Schießt sich eine Einser-Klausur und bekommt dann privat kein Bein mehr auf den Boden. Aber wieder einmal hübsch der Reihe nach.

In den Wochen wie dieser, in der ich mich arbeitstechnisch der Spätschicht widme, gehört es zu meinen Aufgaben, den Junior in den Kindergarten zu bringen. Man steht auf, macht Sohnemann Frühstück und begibt sich dann kurz nach Acht auf den Weg - solange das Wetter noch mitspielt, per Rad. Ich greife mir also heute Rucksack und Helm für den Zwerg, der mir schon stolz wie Bolle draußen die Schuhe zum Anziehen hingestellt hat. Ich ziehe also die Tür hinter mir zu und merke in gleichen Moment, dass der Schlüssel noch steckt - innen! Gleich panisches Kopfkino: Handy dabei? Nö, wozu auch, geh ja nicht auf Weltreise. Fahrrad nicht greifbar, da eingeschlossen und Kindergarten knapp 2 Kilometer weg, also zu weit zu Fuß. Letzter Ausweg: meine Eltern, zumindestens um den Kleinen an seinen Bestimmungsort zu bringen. Macht auch 25 Minuten Fußweg, die Sohnemann aber klaglos und mit Interesse durch die Blättermassen stapfend, absolviert.

Also mit Dad automobile Rundtour, da meine letzte Hoffung den Namen meiner Schwiegermutter trägt, da bei ihr ein Ersatzschlüssel geparkt ist. Aber auf der Arbeitsstelle treffe ich sie nicht an und zu Hause geht weder jemand ans Telefon noch wird die Tür trotz Sturmklingelns aufgemacht. Dabei steht das Auto vor der Tür und eine Jalousie ist noch unten - verdammt!

Nächster Anlauf: Schwägerin. Hat die nicht auch einen? Hmmmm...also raus aufs Land. Auto steht da, Glück gehabt! Der Freund empfängt mich mit "Pssst, Nachtschicht..." Geminsames Suchen in den Schlüsselbeständen - kein Ergebnis. Wieder zurück, wieder Anruf bei der Schwiegermutter - keiner da. Letzte Hoffnung: die Großeltern meiner Frau. Vielleicht steckt SchwieMu ja da? Kurzes Telefonat - negativ. Juniors Urgroßeltern versprechen mir allerdings, sich an der Fahndung zu beteiligen und bekommen irgendwann später die Gesuchte doch noch ans Telefon, die mich dann endlich bei meinen Eltern zurückruft. Also wieder Aufbruch - Zweitschlüssel abholen. Dabei plagt mich immer mehr ein Gedanke. Der Schlüssel steckte doch innen - oder doch nicht? Und falls ja, lässt sich dann der Ersatz überhaupt einstecken und schließen?

Gemeinsam mit meinem Geduldigen Senior stehe ich dann schlussendlich vor meiner Wohnungstür. Der große Moment fällt erwartungsgemäß unerfreulich aus. Der Schlüssel geht zwar ins Schloss, drehen läss er sich allem Ruckeln und Drücken zum Trotz aber nicht. Zudem werden wir misstrauisch von ein paar Möbelpackern beäugt, die im Haus einen Umzug stemmen. Sieht ja auch seltsam aus, wie sich gleich zwei an einem Türschloss zu schaffen machen.

Ich will gerade entnervt die vorher rausgesuchte Nummer des Schüsseldienstes anrufen, als meinem alten Herrn noch eine Idee kommt. "Die Tür ist doch nur rangezogen, nicht zugeschlossen oder?" Ich nicke stumm. "Das macht der Schlüsseldienst auch nur mit so einer Art Karte auf, das probieren wir mal. " Ich überlege noch, welches meiner Plastikteile am ehesten Bruch machen darf und finde im Portemonnaie Gott sei Dank noch eine Payback-Punktekarte, um die es nicht weiter schade wäre. Na, wenn jetzt die Möbelfritzen kommen...

Zwei, drei Rüttler und Stochereien später ist die Tür auf. In meiner Familie tummeln sich schon komische Talente...und ich brauch dringend was mit Ginseng!

Dienstag, 2. November 2010

CD-Rezensionen (206): DJ Bobo - Take Control (MCD) (1993)

(Cover: Amazon.de)

Genau drei Tonträger des umtriebigen Schweizers haben es in meine CD-Bestände geschafft, allesamt durch großzügige Überlassungen meines zum Erscheinungszeitpunkt der Maxi-Singles elfjährigen Bruders. Gelegentlich werden also aus Nostalgiegründen im Familienkreis die drei 93er-Erscheinungen "Somebody Dance With Me", "Keep On Dancing!" und "Take Control" herausgekramt. Was erwartet also nun den geneigten Hörer bei diesem dritten Streich?

"Nur kein Risiko" schien hier die vorherrschende Devise zu sein, denn auch wenn sich der Song durchaus eigenständiger anhört als seine sich wie ein Ei dem anderen gleichenden Vorgänger, gibt es dennoch all den üblichen Zutatenmischmasch der damaligen Eurodance-Ära zu hören. Herr Baumann rappt Knallerzeilen á la "You Take, You Shake, You Break, I'm Not Fake" und eine nicht weiter erwähnenswerte Dame darf im Refrain ebenfalls Lyrics sinnbefreiter Art zum Besten geben. Da muss "Trance" natürlich auf "Dance" folgen - reim Dich oder ich fress Dich!

Diese Höhenflüge mitteleuropäischen Tonschaffens gibt es hier in drei Versionen (Radio Mix, Club Dance Mix und Instrumental), wobei der gestreckte Clubremix einen gewissen trashigen Reiz hat. Richtig dreist allerdings der Bonustrack "Move Your Feet", der einerseits billig aus Schnipseln der anderen Singles wie auch als schamlos geklauten Passagen des Haddaway-Heulers "What Is Love?" aus dem selben Jahr zusammengeschustert wurde. Als Krönung dazu noch ein paar Alltime-Tanzboden-Phrasen wie "Move Your Feet To The Rhythm Of The Beat" oder "Pump Up The Volume" und fertig ist ein Produkt mit aufpappendem Recycling-Siegel.

Nach nicht ganz zwanzig Minuten ist der Spaß zu Ende. Fazit: Musik mit deutlichen Verfallserscheinungen, aber einem nicht unsympathischen Nostalgiefaktor.

Bewertung: 2 von 5

Mittwoch, 27. Oktober 2010

"Haste Scheiße am Fuß..." Reloaded

Heute Nachmittag gegen 15.45 Uhr wähnte ich mich wirklich im falschen Film. Nach all den Pleiten, Pech und Pannen der letzten Tage ereilte mich das nächste Desaster.

Die Vorgeschichte: Nach Nachtschicht und dem anschließenden Schlaf radelte ich zum Kindergarten, um den Junior abzuholen. Auf dem Rückweg kurzer Zwischenstop im Supermarkt um ein paar Kleinigkeiten mitzunehmen. Mein üblicher Wagenchip hing diesmal nicht am Schlüsselbund, sondern befand sich noch in der von mir gestern getragenen Hose. Daher Portemonnaie aus dem Rucksack fischen, Euro rausholen, einschieben, Sohnemann in die Kiste setzen, Geldbörse in die Jacke, ab die Post!

Nach nicht mal 5 Minuten waren alle Sachen erledigt, also Kasse, Zeug rauf auf's Band, Griff in die Jacke - Portemonnaie weg! Hektische Blicke in alle Richtungen - nix. Kassiererin Bescheid geben, Einkäufe wieder vom Band holen, umdrehen und zurück in den Laden stürzen war praktisch eins. Mit zunehmender Verzeiflung alle Regale abgefahren, an denen ich war, keine Spur. Personal gefragt, Leute angehauen - nur Kopfschütteln. Es frage sich jeder ehrlich: wie reagiert man selbst, wenn man was findet?

Das enthaltene Geld war weniger das Poblem, ich schleppe eh nie viel Bares mit mir rum, mehr als 20 Euro waren es daher nicht. Aber erst am Samstag das Handy und jetzt das hier - das war einfach zu viel. Besonders bizarr, dass während ich kurz vor dem Hyperventilieren stand, der Kleine alles für einen großartigen Spaß hielt und demzufolge bester Laune war. Ich rechne mir also demzufolge den zeitlichen und finanziellen Aufwand für die den Ersatz/die Sperrung von Personalausweis, Führerschein, Krankenkassen - und EC-Karte aus, als ich den Laden irgendwann ergebnislos verlasse.  beim Losschließen des Fahrrads spricht mich noch eine ältere Dame an, die das ganze Drama mitbekommen hat. "Es gibt halt keine ehrlichen Menschen mehr" meint sie bedauernd. "Das Geld wird rausgenommen, der Rest fliegt in die nächste Mülltonne - schlimm sowas."

Zu Hause angekommen ziehe ich mir aus dem Netz erst einmal alle Informationen zum Procedere bei Verlust von Dokumenten - herzlichen Glückwunsch aber auch! Ich wappne mich schon für den Bericht an meinen familiären Finanzminister, als es eine Stunde nach geschehen des Ganzen an meiner Tür klingelt. Und das Wunder geschieht. Die nette Dame vom Fahrradständer steht nebst Ehemann vor der Tür und überreicht mir strahlend das Corpus delicti mit vollständigem Inhalt. Es muss mir wohl im Vorraum des Supermarkts im Sichtfeld des dortigen Bäckerstands aus der Jackentasche geflogen sein und gelangte so in die Hände der Lady hinter dem Tresen. Die durchforstete daraufhin die Börse nach einer Telefonnummer (erfolgslos, wir stehen auch nicht mehr im Telefonbuch) und kam wohl mit besagtem Paar ins Gespräch - manchmal ist Smalltalk auch zu etwas Nutze! Die beiden erklärten sich bereit das Fundstück bei mir abzuliefern und weigerten sich dann hartnäckig, auch nur den geringsten Finderlohn von mir anzunehmen. ich bin dann nochmal eine Runde gefahren und hab mich bei allen Beteiligten ausführlich bedankt. Mein Menschenbild ist heute wieder etwas optimistischer geworden, aber dank der andauernden Pechstähne hatte ich selbst bei simplen abendlichen Schnippelarbeiten in der Küche ein ungutes Gefühl. Bei meinem derzeitigen Lauf säge ich mir noch halbe Finger ab...

Dienstag, 26. Oktober 2010

CD-Rezensionen (205): a-ha - East Of The Sun, West Of The Moon (1990)

(Cover: Amazon.de)

Es deutete sich bereits in einigen Stücken des dritten a-ha-Outputs "Stay On These Roads" (1988) an - die drei Norweger investierten hörbar in Bemühungen, sich vom Synthie- und Teenager-Pop-Klang der ersten Alben zu lösen. Wie das nach dem stellenweise noch etwas unentschlossen klingenden Vorgänger konsequent zu einem überzeugenden Endergebnis entwickelt wurde, kann man sehr gut an "East Of The Sun, West Of The Moon" ablesen, auch wenn der Platte kein ganz großer kommerzieller Erfolg mehr beschieden war.

Vielmehr hat man es hier mit einer Mischung aus Jazz ("Early Morning", "I Call Your Name", "The Way We Talk"), erwachsen gewordenem Pop ("Slender Frame", "Rolling Thunder" und ganz toll: "Waiting For Her") oder Blues ("Sycamore Leaves") zu tun, die sich zwar merklich von älteren Songs unterscheidet, deren Qualität dies aber überhaupt keinen Abbruch tut. Im Gegenteil, die neue Ernsthaftigkeit bringt eine ungewohnte, aber sehr wohltuende Klangfarbe mit ins Spiel. Mein Albumfavorit, das traumhaft-düstere "East Of The Sun" wäre im rein synthesizerlastigen Popbereich wirklich verschenkte Liebesmüh.

Die als Singleauskopplung fungierende Coverversion des Everly Brothers-Hits von 1961 "Crying In The Rain" fällt da ob ihrer Radiotauglichkeit fast schon aus dem Rahmen, "Seemingly Nonstop July" verweigert sich etwas einer stilistischen Einordnung und das etwas bemüht auf rockig getrimmte "Cold River" kann nicht wirklich überzeugen. Ansonsten bietet dieses Album nur wenig Angriffspunkte, auch wenn sich der eine oder andere a-ha-Fan damals etwas vor den Kopf gestoßen gefühlt haben mag. Auch bei mir hat "East Of The Sun, West Of The Moon" erst einige Umwege und Jahre benötigt, bis ich es wirklich zu schätzen gelernt habe. Nun möchte ich aber dieses erwachsene Stück Musik nicht mehr missen.

Bewertung: 4 von 5

"Haste Scheiße am Fuß...

...haste Scheiße am Fuß." Ein unsterblicher Spruch von Andreas Brehme. Langsam bin ich geneigt, dem Final-Torschützen von 1990 zuzustimmen, denn nach dem ohnehin verkorksten Wochenende ging es gestern munter in dieser Gangart weiter. Zunächst stand ein Weiterbildungslehrgang in der Firma an. Leider mächtig an der Praxis vorbeiproduziert, denn mit Messsensortechnik arbeiten im Haus allenfalls die Abteilungen Entwicklung und Musterbau, während es sich in der Prüf- und Testsektion der Produktion eher im Bereich der Kontaktmessung abspielt. Und wenn dann noch ein Prof. Dr. der TU Dresden als Dozent loslegt, schlackern dem gemeinen Facharbeiter aber mal so richtig die Ohren...

Wieder zu Hause die nächste Hiobsbotschaft. Das von mir für Ende November belegte Präsenzseminar in Leipzig wird mangels ausreichender Teilnehmermeldungen nicht stattfinden. Ich muss im Laufe der Studienzeit zwei solche Seminare absolvieren und hatte mich über die Tatsache gefreut, dass endlich mal eines in erreichbarer Nähe stattfindet. Aber wie ich schon auf der Studierendenplattform der FernUni mitbekommen habe - allzuviele Ossis sind im Bereich der Politikwissenschaft nicht am Start, so dass ich mich wohl oder übel für diese Seminare auf etwas Reisetätigkeit einstellen muss.

Zu guter Letzt noch ein Reinfall bei einer Hausbesichtigung, da man mit der Anschaffung von Wohneigentum liebäugelt. Nicht zu übersehende Fassadenschäden an einem gerade mal 15 Jahre alten Haus, dazu völlig überzogene Preisvorstellungen und ein (wahrscheinlich durch einen finanziellen Notstand bedingt) sehr aggressiver Alteigentümer - nee, das war auch nix... Es darf sehr schnell sehr viel besser werden, langsam nervt die Situation.

Sonntag, 24. Oktober 2010

Ein mieses Wochenende

"Es gibt Tage, da bleibt man besser im Bett". Dies ist keine besonders neue Weisheit. Aber wenn ich nun auf dieses ausklingende Wochenende zurückschaue, muss ich dem unbekannten Verfasser dieses Satzes sehr recht geben. Gestern wieder 4.45 Uhr aufstehen, um die sechste Frühschicht abzureißen, nach einer kurzen Pause der eigentlich zur Entspannung geplante Besuch eines hier stattfindenden Box-Events mit dem besten Freund. Die sportliche Qualität - gerade des Hauptkampfs - war allenfalls mäßig, zu allem Überfluss bemerkte ich auf dem Heimweg noch den Verlust meines Handys. Die sofortige Umkehr und Suche vor Ort verlief natürlich ergebnislos, das Ding wird sicherlich in den nächsten Tagen bei Ebay auftauchen. Auch wenn das Teil nicht sehr neu war und die SIM-Karte sofort gesperrt wurde, ärgert mich das doch, gerade weil Fotos von Sohnemann drauf sind.

Natürlich hat man an dem Abend ein, zwei (vielleicht auch drei) Bier getrunken, aber muss man deswegen gleich am Tag danach verkatert sein? Früher hat man ganze Nächte durchgefeiert und war trotzdem morgens einigermaßen fit. Man wird wohl wirklich alt... Dummerweise hatte ich meinem alten Herrn noch die Mithilfe bei ein paar Umräum- und Transportarbeiten zugesagt - mit Kopfschmerzen wirklich eine tolle Erfahrung! Dazu scheiterte am Mittag noch die Ersteigerung zweier Bücher im Netz, langsam sollte ich wohl besser mal ins Bett gehen, bevor noch mehr gegen die Wand läuft. Morgen aufgrund einer Weiterbildungsmaßnahme nochmal früh raus - mir reichts!

Freitag, 15. Oktober 2010

CD-Rezensionen (204): Culture Beat - Anything (MCD) (1993)

(Cover: Amazon.de)

Als diese Single als dritte Auskopplung aus dem "Serenity"-Album im Dezember 1993 erschien, war Produzent Torsten Fenslau bedingt durch einen Verkehrsunfall seit etwa einem Monat tot. Man kann diese Maxi mit insgesamt fünf Versionen des Songs (Grosser Club Mix, Introless, Tribal House Mix, Radio Converted, MTV Mix) also durchaus als das musikalische Vermächtnis des zur damaligen Zeit äußerst populären und erfolgreichen DJs und Produzenten betrachten.

Den Auftakt zur "Variation" des Reißbrett-Tracks bietet mit dem "Grossen Club Mix" die bereits beste Interpretation des insgesamt recht durchschnittlichen Eurodance-Stampfers klassischer Bauart. Ein sich langsam und düster aufbauendes Intro leitet die siebeneinhalb Minuten ein, die so alles beinhalten, was damals in der Rezepteküche des ausufernden Genres zu finden war. Abwechselnde männliche Rap- und weibliche Vocalparts, die fixen HiHat-Klänge im Hintergrund und klassischer Beat höherer Schlagzahl. Das bekam man in den Jahren 93/94 derartig oft und nur minimal variiert zu hören, dass einen im Nachhinein der kommerzielle Erfolg (in vorliegendem Fall Platz 4 der deutschen und Position 5 der britischen Charts) doch arg erstaunt. Gerade die Remixe borden nicht eben vor Kreativität über, so ist Track Zwei tatsächlich nur eine des Intros beraubte Version des ersten.

Selbst der recht vielversprechend beginnende "Tribal House Mix" erschöpft sich schon sehr bald im gewohnten Einheitssound, der nur mit ganz leichten Synthiespielereien angereichert wurde. Auch beim Rest ist sieht es nicht wirklich anders aus, so dass man den Eindruck eines knapp halbstündigen Endlostracks hat. Viel verschenktes Potential, schade.

Bewertung: 3 von 5

Dienstag, 12. Oktober 2010

CD-Rezensionen (203): The Cure - Pornography (Deluxe Edition) (1982)

(Cover: Amazon.de)

Es gibt in der Geschichte der populären Musik einige Platten, die man als seelisch labiler Mensch mit etwas Vorsicht genießen sollte. Das 1982er Erzeugnis der Herren Smith, Gallup und Tolhurst gehört mit Sicherheit dazu. Die zu diesem Zeitpunkt schwer drogen- und alkoholgeplagte Band goss hier alles, was die wenig optimistischen frühen 80er Jahre an Hoffnungslosigkeit zu bieten hatten, in ein absolut markerschütterndes Soundgewand, eine Ton gewordene Ausgabe von Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" in acht Songs.

Wo soll man anfangen? Mit der die abgrundtiefe Stoßrichtung bereits zu Beginn aufzeigenden Textzeile "It Doesn't Matter If We All Die" beim mit seinen sägenden Gitarrenklängen schwer unter die Haut gehenden "One Hundred Years"? Oder dem wilden Bass/Drums-Duell der Singleauskopplung "The Hanging Garden"? Man taucht mit zunehmender Spieldauer immer tiefer in die Cure'sche Abwärtsspirale ein, Smiths teilweise wie hingeworfen klingende Gitarrenakkorde wirken in ihrer Filigranität wie ein Netz, das sich den Hörer umso tiefer darin verstricken lässt, je energischer er sich daraus zu befreien sucht. Diese hypnotische Wirkung wirkt faszinierend und beunruhigend zugleich, sehr gut beispielsweise beim Track "Siamese Twins" oder dem über sechsminütigen "The Figurehead" zu beobachten.

"A Strange Day" bekam einen grandiosen Chorus spendiert, der gegen die tiefdepressiven Strophen aufzubegehren scheint. Übertroffen noch von "Cold", einer einzigartigen Mischung aus Synthesizer- und Cello-Klängen, Robert Smiths klagendem Gesang und stark schaumgebremsten Drums. Sollte es jemals so etwas wie eine ultimative Wave-Hymne geben - hier ist sie! Mit der verstörenden Soundcollage "Pornography" entrinnt man dem Alptraum mit knapper Not, nicht ohne jedoch den Ratschlag "Find A Sickness, Find A Cure!" hinterhergerufen zu bekommen. Ein schaurig-schöner Höllentrip!

Die Bonus-CD dieser Deluxe Edition widmet sich wie auch schon diejenigen der Vorgängeralben allerlei Raritäten aus dem Demo- und Liveaufnahmenbereich. In ersterem darf "Break" schräg aus den Boxen scheppern, während die ohne Vocals aufgenommenen "Demise" und "Temptation" wie auch "The Figurehead" und "The Hanging Garden" in sehr guter Soundqualität daherkommen. "One Hundred Years" klingt hingegen noch richtig unfertig, eine breit wabernde Synthiefläche drängt die das Albumoriginal prägenden Gitarrensounds deutlich in den Hintergrund, die Drums sind lediglich behelfsmäßig mit einer Sequencer-Linie vertreten. Richtig experimentell geht es hingegen beim 13minütigen "Airlock: The Soundtrack" zur Sache. Ein wild und scheinbar ohne Plan klimperndes Piano, kombiniert mit allerlei Geräuschkulisse und einem ebenfalls eher improvisierten Bass ergeben ein schwerverdauliches, aber nicht uninteressantes Endergebnis.

Sechs Live-Tracks in Bootleg-Qualität (bis auf die scheinbar aus dem Soundboard gezogenen "A Short Time Effect" und "Siamese Twins") geben einen guten Einblick in die Konzertqualitäten der Truppe, bevor das hervorragende Studiodemo "Temptation Two" nach stolzen 115 Minuten Spieldauer einen Schlußpunkt unter dieses Glanzstück einer jeden Musiksammlung setzt. Volle Punktzahl, gar keine Frage!

Bewertung: 5 von 5