Donnerstag, 2. September 2010

DVD-Rezensionen (200): Kinski Paganini (1989)

(Cover: Amazon.de)

Ich gebe zu, dass mich Klaus Kinskis letzter Film etwas ratlos zurückgelassen hat. Etwa Mitte der 90er hatte ich das zugehörige, die teils unter chaotischen Umständen verlaufenen Dreharbeiten schildernde Buch gelesen und im Anschluss erwartet, es mit einem der wohl größten Meisterwerke der Kinogeschichte zu tun zu haben. Nachdem der Film über lange Zeit nirgendwo zu sehen oder erhältlich war, schlug ich als Kinski-Fan bei Erscheinen der Box natürlich sofort zu, um "Kinski Paganini" als persönliche DVD-Premiere zu erleben. Greifen wir einmal vor: Ich hatte Anderes, Größeres, erwartet.

Kinski ist zeit seines Lebens vorgeworfen worden, überwiegend sich selbst gespielt zu haben. Hier treibt er es aber von sich aus auf die Spitze, in dem er schon im Vorfeld eine mentale Verbindung und Seelenverwandschaft mit dem weltberühmten Violinisten Niccolò Paganini (1782-1840) herstellte, sich sogar als eine Art Reinkarnation des legendären Musikers inszenierte, ähnlich wie in seiner frühren Rolle als moderner François Villon. Auch wenn Einiges am Leben Paganinis nach wie vor ungeklärt sein mag, lässt sich eine scheinbare Ähnlichkeit im Charakter beider Ausnahmekünstler sicherlich nicht leugnen.

Dieses Projekt beschäftigte Kinski also seit Jahren, die Realisation scheiterte aber immer wieder an Finanzierungsproblemen und Kinskis Willen, den Film ganz nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Werner Herzog lehnte bekanntlich ab, Regie zu führen, da er nach eigener Aussage Kinskis Drehbuch "für unverfilmbar hielt". Was nun schlussendlich herauskam, als der Schauspieler alles in seine Hände nahm, kann man auf dieser DVD in zwei Versionen besichtigen, einmal in einer vom verzweifelten Verleih umgeschnittenen und gekürzten Fassung in besserer Bildqualität und einmal in der Kinskis Vorstellung entsprechenden "Versione originale", deutlich rüder und teilweise mit pornographischen Elementen ausgestattet. Überzeugt haben mich beide nicht wirklich.

Dass Kinski auf Dinge wie eine halbwegs schlüssige Handlung und jegliche künstliche Ausleuchtung der Szenen verzichtete - geschenkt. So mancher Arthaus-Film hat mit ähnlichen Attributen beeindrucken können. Und auch die eigentliche Idee des Films, Paganini als einen von der Musik und den Frauen besessenen Getriebenen zu zeichnen, ist vom Ansatz her überhaupt nicht verkehrt. Schlimmer macht es eigentlich die pure Ideenlosigkeit in den einzelnen Szenen, die sich zum Teil komplett ereignislos dahindehnen. Es verwundert nicht, dass für diesen Film geradezu aberwitzige Mengen an Material belichtet wurden.

Trotzdem besitzt "Kinski Paganini" auch seine starken Momente, selbst wenn dies gelegentlich recht simplen filmischen Mitteln wie Zeitlupeneinstellungen geschuldet ist. Ein allein über eine Piazza wandelnder Kinski, dessen suchend-wissender Blick über die ihn umgebenden Personen wandert - das hat schon was! Da vergisst man auch die doch recht überschaubaren darstellerischen Qualitäten Kinskis damaliger Geliebter Debora Caprioglio als Antonia Bianchi. Sein Sohn Nikolai in seiner ersten Filmrolle hingegen macht seine Sache sehr gut, wie auch in den gemeinsamen Szenen auffällt, wie liebevoll der sonst als Berserker verschrieene Mime mit seinem Kind umgeht. Diese von geradezu abgöttischer Zuneigung geprägte Beziehung ist mir auch schon in Kinskis Lebenserinnerungen aufgefallen und wird durch das gemeinsame Spiel mehr als bestätigt.

Sehr gelungen ist die Aufmachung der Doppel-DVD. Neben den beiden Filmversionen finden sich darauf nicht verwendete Szenen, ein ausführliches "Making Of", sowie Bildergalerien, Trailer, Interviews und Kinskis legendäre Kurz-Pressekonferenz in Cannes, bei der er sich in der ihm eigenen Art über die Nichtzulassung seines Films beim dortigen Festival erregt. So mag ich das!

"Kinski Paganini" wird entweder abgöttisch geliebt oder grundlegend abgelehnt. Ich möchte mich dennoch irgendwo in der Mitte einreihen, da ich diversen Passagen des Films sehr wohl etwas abgewinnen kann. Ich würde zum Anschauen der "Versione originale" raten, da diese viel mehr den ungezügelten und authentischen Klaus Kinski zeigt als die geschnittene Fassung. Dennoch treibt mich nun schon lange eine Frage um: Was hätte Werner Herzog gemeinsam mit Kinski aus dem Stoff gemacht?

Bewertung: 3 von 5