Montag, 17. Januar 2011

CD-Rezensionen (214): Farin Urlaub Racing Team - Die Wahrheit übers Lügen (2008)

(Cover: Amazon.de)

Wie so viele meiner Altersgenossen, die ihre Jugend in der DDR der 80er Jahre verbracht haben, bin ich ein langjähriger Ärzte-Fan, der Trennung und Wiederbeginn mit verändertem Stil wohlwollend begleitet hat. Irgendwann kristallisierte sich dann heraus, dass mir persönlich die Songs aus der Feder Farin Urlaubs sowohl in textlicher als auch musikalischer Hinsicht am deutlichsten zusagten. Insofern erschien es mir gar nicht einmal unlogisch, dass ich großen Gefallen an den beiden Soloveröffentlichungen des Blondschopfs, dem bissig-frechen "Endlich Urlaub!" (2001) und dem viel nachdenklicheren "Am Ende der Sonne" (2005) fand. Somit lag sowohl die Messlatte als auch meine Erwartungshaltung sehr hoch, als, nunmehr auch im Studio offiziell von seiner vielköpfigen Livetruppe "Farin Urlaub Racing Team" unterstützt, der dritte Solo-Silberling in die heimischen Plattenbestände wanderte.

Und scheinbar fügte sich alles wie gehabt zusammen. Gleich mit dem ersten Track-Trio kann ich prima leben, selbst wenn der eine oder andere Melodieverlauf arg vertraut erscheint. Die Single-Auskoppplung "Nichimgriff" knüppelt fröhlich vor sich hin, "Unscharf" thematisiert einmal mehr die Vertracktheit zwischenmenschlicher Kommunikation und das mit ordentlich Bläsereinsatz angeschärfte "Gobi Todic" rast durch seinen vor lauter Absurditäten geradezu strotzenden Text. Das ist nicht immer die hehre Kunst, aber mir gefällt's!

Schwieriger wird es danach. Farin Urlaub ist ein eigenwilliger und hochintelligenter Kopf, dessen persönliche Ansichten sich nicht immer mit den meinen decken. Sei's drum, ich mag es nur nicht, wenn ich vor lauter erhobenem Zeigefinger nicht mehr zum Musikhören komme. Das war schon bei "Lieber Staat" auf seinem Solo-Debüt so und setzt sich hier mit "Seltsam" fort. Ja, Pelze sind scheiße, aber das konnte man auch schon mal deutlich unplatter formulieren, schließlich hat man es doch hier eigentlich mit einem Meister des Wortwitzes zu tun.

"Krieg" (herrjeh, "Bap-schuwadiwadi"-Chöre habe ich das letzte Mal anno 1974 bei "Sugar Baby Love" von den Rubettes gehört...) trägt textlich und musikalisch geradezu Helge Schneidersche Züge und da ich den Mülheimer Jazzgott sehr verehre, kann also auch dieser Track bei mir punkten, ganz im Gegensatz zu "Pakistan". Die Reiselust des Autoren mal zu thematisieren ist sicherlich keine schlechte Idee, aber dies geschieht auf mich wenig packende Weise, das Liedchen plätschert halt vor sich hin, ohne jemals so richtig die Kurve zu kriegen.

"Niemals" hätte sehr gut auf "Das Ende der Sonne" gepasst, erneut werden unerwiderte Gefühle auf markerschütternde Art und Weise beschrieben, eindeutig eins der Highlights des Albums und bei "Leiche" ist der alte Zyniker Urlaub ganz in seinem Element. Vor zwei Dekaden hätte das eventuell einmal mehr die Indizierungsbeauftragten auf den Plan gerufen, heute wirkt das wunderbar entspannt. Sehr gut! "Monster" ist textlich zwar wahnsinnig plakativ, aber die Frage sei erlaubt: Trifft die Beschreibung der deutschen Formatradiolandschaft nicht den Nagel auf den Kopf? Und nach dem wunderschönen Liebeslied "Atem" wird bei "Karten" nochmal ordentlich in die Saiten gegriffen, leider ist der Refrain nur ein Wiedergänger von "Unter Wasser".

Damit wäre die "Büffelherde" benamste Haupt-CD abgeschlossen und der Vier-Track-Mini "Ponyhof" darf zu seinen Ehren kommen. Musikalisch komplett konträr wird hier in Reggae- und Dancehall-Gefilden gewildert, "I.F.D.G." groovt da mitsamt seinen bissigen Zeilen derart relaxt durch die Boxen, dass sich gleich ordentlich gute Laune einstellt. "Zu heiss", "Insel" blubbern da aber deutlich schwächer und uninspirierter vor sich hin. Wer mit derlei Musik ohnehin nichts anfangen kann, wird sich freilich irritiert abwenden. Wenigstens darf mit "Trotzdem" noch mal im Affentempo die Ska-Sau durchs Dorf gehetzt werden, selbst wenn der Text zum zigsten Mal die "Loser dieser Welt, gebt nicht auf!"-Thematik beackert. Insgesamt ein eher durchwachsenen Bonus.

Ich gebe zu, dass der Urlaub-Drittling im Gegensatz zu meinen Vorläufern deutlich mehr Durchläufe benötigte, um bei mir zu punkten. Ich mache das eigentlich ungern, entweder es packt mich sofort oder eben auch nicht. Dennoch hat es sich in diesem Falle durchaus gelohnt, auch wenn die zweithöchste Wertung nur für die Haupt-CD allein gilt, im Verbund mit dem "Ponyhof"-Anhang wird die um einen Punkt tiefere gezückt.

Bewertung: 4 von 5

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Mehr als 2 Jahre brauchst du für ein paar Durchläufe??? Dann war das Album wohl doch nicht so spannend... 3 mal musste ich es zwar auch hören, um den gesamten Text und die Zusammenhänge erfassen zu können, aber von da an fand ich es Klasse ;o) H aus E in der M

x hat gesagt…

Ich habs mir doch nicht gleich zugelegt und außerdem arbeite ich mich bei meinen Rezis langsam durch die Sammlung, zeitnah ist was anderes... ;-)