Freitag, 20. August 2010

Nachtgedanken (096)

Eine ziemlich kräftezehrende Arbeitswoche liegt hinter mir, aber sie ist noch nicht beendet, denn auch noch morgen heißt es um 04.45 Uhr: aufstehen! Ich hatte daher für die heutige Ausgabe eigentlich etwas mit dem Bezug zur Erwerbswelt gesucht und bin dabei auf den nicht ganz unumstrittenen Arbeiterdichter Heinrich Lersch (1889-1936) gestoßen. Titel: "Der Künstler" (1919).

Ich leb mein Leben schneller, Mensch, als du.
Mich kann der Dinge Schein nicht lange halten.
Mein Blick hat jedes Ding entzwei gespalten.
Ich schmeck den Kern und eile Neuem zu.

Im Weltensausen bin ich tiefste Ruh.
Denn ich bin eine von den Kraftgewalten,
die Welt in sich und sich zu Welt gestalten.
So ist mir alles ich und ich bin allem du.

Mich hält nicht Schönheit, Glanz, nicht Glück noch Macht.
Was gestern ich war, hab ich heut vergessen –
Wo euch noch Chaos stürzt, blüht mir schon Kosmos-Pracht.

Ihr staunt, daß gestern ich bei euch gesessen.....
Heut bin ich schon von neuem Trieb besessen
und taumle trunken in die neue Nacht.

Ob sie mich schimpfen oder sie mich loben.
das rührt, Geliebte, meine Seele nicht.
Mein Tun und Lassen, Tagwerk und Gedicht
sind bunte Bilder in mein Sein gewoben.

Und leuchten ruhig in ihr eitles Toben.
Ich funkle ja aus meinem eignen Licht,
das blitzgleich in ihr armes Dunkel bricht.
Ich bin so über allem Volk erhoben,

daß jedermann mich sehen muß und sieht,
daß ich dem einen Ziel, dem andern Abscheu bin,
daß der mir nachfolgt, daß mich jener flieht.

Doch flucht und lockt mich keiner zu sich hin.
Unwandelbar treibt mich der Gottheit Sinn.
Und was durch mich geschehen muß, geschieht!

2 Kommentare:

Annegret hat gesagt…

Ein sehr kraftvolles Gedicht über einen Menschen, für den alles schnell gehen muß, der alles in Eile erfasst und schnell zum nächsten geht, für den das aber normal zu sein scheint. Werde mich in den Arbeiterdichter einlesen.

Annegret

x hat gesagt…

Viel Spaß! :)