Heute gibt es in den "Nachtgedanken" wieder einmal ein Werk einer tragischen Autorenpersönlichkeit. Heinrich Lautensack (1881-1919) starb - gerade einmal 37jährig - in geistiger Umnachtung, die mit dem Tode des von ihm hochverehrten Frank Wedekinds begann, welcher hier auch schon einmal in dieser kleinen Reihe zu Gast war. Titel des bizarren Gedichts: "Das verstörte Fest".
Alle Uhren wurden angehalten.
Nie mehr werde Tag! hieß die Parole
in dem Saal, der voller Spukgestalten
schwamm im starken Duft der Nachtviole.
Und die Zeit stand still in Uhrgehäusen.
Und phantastisch – ohne Augenlider! –
hingen Tausende von Fledermäusen
– Kopf nach unten – als Girlanden nieder.
Zaubrer, Teufel, Wichte und Lemuren!
Goldner Sekt gefror im Silberkühler.
Aus der Damen kupfernen Frisuren
streckten Nachtinsekten Riesenfühler.
– Plötzlich sprangen Tor und Tür entsiegelt,
und – wie graute da den Nachtgespenstern! –
von den Porphyrsäulen abgespiegelt
glomm ein rosa Licht in allen Fenstern.
Und herein trat – tauig frisch die Wangen,
deren Karmesin sich noch erhöhte,
als sie spürte, wie sie hier empfangen! –
eine Huldgestalt: die Morgenröte.
Viele flohn, unnennbar eingeschüchtert,
mit den Stirnen fast im Staub darnieder.
Selbst der Trunkenste schien jäh ernüchtert.
– Tag ward. – Und die Uhren gingen wieder.
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