Dienstag, 19. Mai 2009

Eurovision Song Contest-Nachlese Part 03 - Fazit

Nun eben noch abschließend mein eigener Eindruck, geschrieben für das Online-Forum des SPIEGEL.

Nach einer Nacht drüber schlafen hier mal mein alljährliches Statement zum ESC.

Der Sieger: Ich persönlich finde den Song grottenöde, schief gesungen und ganz furchtbar belanglos. Trotzdem: Bei so einer Punktezahl quer durch ganz Europa gibt es über die Verdientheit des Siegs nichts zu diskutieren. Dabei sollte man aber auch nicht aus den Augen verlieren, dass Norwegens Beitrag kein bisschen weniger kühl kalkuliert war, wie die Songs anderer Nationen auch. Man nehme als eine Nation, die sich der freundschaftlich gewogenen Wertungen ihrer nordeuropäischen Nachbarn sicher sein kann, ein nettes Jüngelchen mit slawischen Background, das in seinem Vortrag ungerührt Elemente skandinavischer Folklore (ich bin mal vor Jahren in Schweden auf einem Volksfest gewesen, das klang nahezu gleich) mit Melodien aus der Heimat seiner Eltern verquirlt. Ich bin als Kind der DDR ja auch mit Einigem an sowjetischem Liedgut aufgewachsen und die Melodie der Siegerlied-Strophe klingt wirklich erstaunlich an diese Zeiten erinnernd.

Veränderung des Abstimmungsmodus: Die Wiedereinführung einer Jury hat einen klaren Sieger und der heißt Vereinigtes Königreich. Bei dem Standing, das ein Sir Andrew Lloyd Webber in der Fachwelt hat, dürften die strammen Punktezahlen für UK überwiegend aus dem Jury-Anteil der Bewertungen stammen. Bei einem reinen Telefonvoting bin ich mir sehr sicher, dass der Beitrag von der Insel ähnlich verheerend abgeschnitten hätte wie in den Jahren zuvor, leider lässt sich das aufgrund der mangelnden Transparenz natürlich nicht beweisen. Mit einigen Abstrichen gilt dies auch für mein persönliches Highlight des Abends, der wirklich grandiosen Patricia Kaas. Hier hat aber anscheinend das tapfere Festhalten der Franzosen am Singen in ihrer Sprache eine bessere Platzierung verhindert. Aber Respekt vor soviel Mut!

Persönlicher Geschmack: Neben Frankreich haben mir noch die Beiträge aus Malta, Island, Aserbaidschan, Bosnien und der schräge moldawische Auftritt sehr zugesagt. 

Der deutsche Titel: Ich find ihn nicht sonderlich gut, aber ich werde einen Teufel tun und jetzt in das wohlfeile Draufhauen einstimmen. Es war auf jeden Fall eine ESC-kompatible Nummer, die eben wieder einmal nicht funktioniert hat. Warum ein zumindestens tanzbares Ding so viel schlechter sein soll als z.T. grauenvolle besserplatzierte Titel, muß mir einmal einer erklären. Hier fragte jemand, warum es keine Punkte aus der Schweiz gab. Nun, fragen Sie mal nach bei Herrn Steinbrück... 

Dita von Teese: Der Effekt, die von mir als wirklich hinreißend empfundenen Dame zu verpflichten, verpuffte aus einem nach den Ereignissen im Vorfeld des Finaltags vorhersehbaren Grund: Die Bildregie hatte seitens der EBU anscheinend die Anweisung, Frau von Teese komplett zu ignorieren, um für einen eventuellen "Blankzieh"-Skandal gewappnet zu sein. Bei wohl keinem der auftretenden Künstler, der nicht allein auf der Bühne stand, wurde soviel mit Close-Ups gearbeitet wie hier, nur um das Umfeld ausblenden zu können. Das erinnerte an die Vorgänge um das russische Duo t.A.T.u. 2003, wo seitens der Organisatoren im Vorfeld panische Angst herrschte, die Mädels könnten auf der Bühne in ihren damals üblichen "Nahkampf" gehen. Als sie sich dann ganz brav voreinander hinknieten, hyperventilierte der Bildregisseur so sehr, dass gleich auf eine Art "Hintertorkamera" weitab des Bühnengeschehens umgeschaltet wurde. Dabei tritt mittlerweile jede zweites ESC-Sängerin in Outfits auf, die eine ehrwürdige Kiezdame vor Neid erblassen lassen würden. Bigottes Pack...

Positiv überrascht war ich von dem Umstand, dass plumpe Überrumpelungsnummern wie die aus der Ukraine und aus Griechenland diesmal nicht funktionierten. Da hatte wohl auch die Jury-Einbindung einen Anteil dran. Aber die Griechen können den Athener Busfahrplan aufführen und werden trotzdem 12 Punkte aus Zypern kassieren. "Gemeinsamer Musikmarkt und Kulturkreis"? Ja sicher...

Schmerzlichst vermisst: Kommentator Peter Urban, dessen unsäglicher Vertreter für einiges Haareraufen sorgte.

Fazit: Soviel geklonte Shakira war selten, das (eigentliche branchenfremde) Depeche Mode-Fanforum hatte wie immer einen unterhaltsamen Livekommentarabend und wer mir mit Namen und Telefonnummer der armenischen Punkteverkünderin aushelfen kann, darf sich meines ewigen Danks sicher sein... 

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!