Donnerstag, 3. September 2009

Buch-Rezensionen (158): Manfred Krug - Abgehauen (Hörbuch) (1996)

(Cover: Amazon.de)

Manfred Krugs erfolgreich verfilmter Bestseller von 1996 ist als Hörbuch etwas anders aufgebaut als die gedruckte Ausgabe. So fehlt der im Buch als einleitender Teil enthaltene heimlich von Krug angefertigte Tonbandmitschnitt eines Treffens von elf bekannten DDR-Schauspielern und -Schriftstellern mit drei hochrangigen SED-Politikern und wird nur gelegentlich erwähnt. Eigentlich unverständlich, würde doch dieses Tondokument geradezu ideal zum Medium Audioliteratur passen. Ich kann mir dies also nur mit juristischen Maßnahmen der Beteiligten erklären, denn dass im Nachzug der historischen Ereignisse der Jahre 1976/77 viele ehemals enge Freundschaften zwischen Kulturschaffenden der DDR mit und ohne Einwirken der Staatsmacht zerbrochen sind, ist ein offenes Geheimnis.

Doch auch so sind Krugs Tagebucherinnerungen ein interessantes und spannendes Stück ostdeutscher Zeitgeschichte, denn die Vorkommnisse, die letztendlich zur Ausreise Manfred Krugs und anderer Prominenter aus Musik, Literatur, Theater und Film führten, bilden den verfrühten Auftakt zum Ende der DDR.

Die 4 CDs schildern in Krugs Worten die Ereignisse des Zeitraums vom 19. April 1977, dem Tag der Abgabe des Ausreiseantrags bei der zuständigen Ost-Berliner Behörde, bis zum 18. Juni 1977, dem Tag der Übersiedlung Krugs nach West-Berlin. In diesen Wochen führte der erfolgreiche und beliebte Schauspieler und Sänger ein Tagebuch, das zum einen einen der beklemmendsten und eindrucksvollsten Dokumente jener Tage zählt. Dem vorausgegangen war die Ausbürgerung des mit Auftrittsverbot belegten Liedermachers Wolf Biermann am 16. November 1976 und der daraufhin folgenden Protestpetition namhafter Künstler, der sich auch Manfred Krug anschloss. Wie andere bekam er umgehend berufliche Nachteile und Repressalien zu spüren, die detailliert im Wortlaut des Ausreiseantrags aufgelistet sind.

Am interessantesten ist "Abgehauen" (DDR-Umgangssprache für jegliches Verlassen des Landes in Richtung Westen, unabhängig ob offiziell oder unter Lebensgefahr), wenn die direkte Konfrontation mit dem SED-Staat beschrieben wird, hier vor allem in der Person des von westlichen Medien oftmals als "Hoffnungsträger" und "Kronprinzen" beschriebenen Werner Lamberz, der 1978 unter nie vollständig geklärten Umständen bei einem Hubschrauberabsturz in Libyen ums Leben kam. Mit Schmeicheleien, Versprechungen und Drohungen zugleich versuchte man Krug zur Zurücknahme seines Antrags zu bewegen. Diese Wortduelle und die anschließenden Gedankengänge des Autors hierzu sind die spannendsten Momente des Buchs.

Doch auch die Auseinandersetzungen mit Bekannten und Freunden machen das ganze Dilemma und Mißtrauen untereinander deutlich. Stasi-Spitzel oder nicht? Diese Frage wird hier mehr als einmal gestellt. Wie schwierig und verworren die Lage war, wird besonders am beschriebenen Umgang mit dem Freund Armin Mueller-Stahl deutlich, der 1980 ebenfalls die DDR verließ. Unter der permanenten Unsicherheit hat diese Beziehung miterlebbar sichtlich gelitten.

Manfred Krug liest seinen eigenen Text mit sonorer und angenehmer Stimme, auch dies macht dieses Hörbuch zu einem absoluten Kauftip.

Bewertung: 5 von 5