Samstag, 28. März 2009

Nachtgedanken (032)

Friederike Kempner (1828-1904), spöttisch der "schlesische Schwan" genannt, war so etwas wie der Star des unfreiwilligen Humors. Es finden sich wirklich drollige Formulierungen in ihren Gedichten, eher politische habe ich für die heutigen "Nachtgedanken" herausgesucht. Nicht ganz unzeitgemäß, wie mir scheint.

Wie heißt das Wort, das in der halben Welt
Man gleichbedeutend mit dem Gelde hält,
Doch mit dem Geld, das stets im Säckel bleibt,
Und schon von selbst die besten Zinsen treibt?
Es ist, es heißt die, die, die, die,
Die teure Bourgeoisie! 

Wie heißt das Wort, das in der halben Welt
Man gleichbedeutend mit dem Elend hält,
Doch mit dem Elend, – das mit wackerem Mut
Die schwere, große Arbeit tut?
Es ist, es heißt: der, der, der, der,
Es heißet: Proletarier!

Wie heißt das Wort, das in der halben Welt
Man gleichbedeutend mit Utopien hält,
Doch mit Utopien, ähnlich Morgenlicht,
Das hell und warm zu jedem Herzen spricht?
Es ist, es ist mein Ideal,
Das große Wort, es heißt: sozial.