Sonntag, 5. April 2009

DVD-Rezensionen (135): Start zur Kassiopeia (1973)

(Cover: Amazon.de)

Gerüchteweise deutete es sich ja spätestens seit der russischen Veröffentlichung an - endlich erscheinen zwei der wohl meistgesuchten sowjetischen Filme auf DVD. Denn schaute man sich einmal in diversen Filmforen um hatte man oftmals den Eindruck, es hier mit so etwas wie dem "Heiligen Gral" des osteuropäischen Kinder- und Jugendkinos zu tun zu haben. Vielleicht trug auch die lange Verbannung von deutschen Bildschirmen zu dieser Art Legendenbildung bei. Umso lobenswerter, dass sich einmal mehr die in solchen Dingen recht rührige Firma ICESTORM um die Herausgabe des Doppelpacks "Start zur Kassiopeia" (1973) und seines ein Jahr später entstandenen Nachfolgers "Roboter im Sternbild Kassiopeia" kümmerte.

Der Plot um eine jugendliche sowjetische Raumschiffcrew, die sich aufgrund eines vermutlich von vernunftbegabten Lebewesen ausgesandten Funksignals auf eine Jahrzehnte dauernde Expedition zum Planeten Schedir im Sternbild Kassiopeia macht, ist natürlich blühender Unsinn. Welche normalen Eltern würden denn tatsächlich ihre 13jährigen Sprösslinge auf eine Reise ohne Wiedersehen schicken? Aber trotzdem, dies hat uns als begeisterte jugendliche Zuschauer nicht im Geringsten gestört. Im Gegenteil, man fieberte mit den Protagonisten mit und fand alles irre aufregend und spannend. Da gerade der erste Teil der Abenteuer über 20 Jahre nicht mehr im deutschen TV zu sehen war, stellt sich nunmehr als Erwachsener mit veränderten Sehgewohnheiten die Frage: Wirkt die alte Magie noch?

Zunächst einmal fällt die doch recht ideologielastige Grundhaltung des Films auf. Da wird selbstverständlich vor dem Abflug an der Kremlmauer salutiert und es herrscht im Allgemeinen ein recht belehrender Tonfall vor, der aus dem Mund von Frühpubertierenden doch etwas befremdlich und seltsam wirkt. Desweiteren handelt es sich beim Flug des Raumschiffs "Sarja" natürlich um ein rein sowjetisches Projekt, Angehörige anderer Nationen kommen nur als dümmliche Stichwortgeber bei einer internationalen Pressekonferenz vor. Aber der Film ist einfach ein Kind seiner Zeit, einer Ära purer Fortschritts- und Technikgläubigkeit. So ist die Handlung der Einführung zufolge im Frühsommer des Jahres 2007 (!) angesiedelt. Man glaubte von Autorenseite wohl, das Tempo der damaligen Raumfahrtentwicklung (zwischen dem ersten Sputnik-Flug und der amerikanischen Mondlandung lagen immerhin nur knapp 12 Jahre!) für die nächsten drei Jahrzehnte voraussetzen zu können. Nun, inzwischen wissen wir es besser...

Im Rückblick besonders interessant der vom "König der sowjetischen Schauspieler" Innokenti Smoktunowski dargestellte Charakter des "Sonderbeauftragten der Interplanetaren Behörde". Empfand ich diese Gestalt in Kindertagen als sehr störend, verblüfft mich heute geradezu die Ähnlichkeit zu den in der Serie "Star Trek - The Next Generation" (1987-1994) eingeführten "Q". Scheinbar mit omnipotenten Kräften, auftauchend und verschwindend nach Belieben, Zeit und Raum überwindend - John de Lancie hätte es nicht besser machen können!

Zwar vollführt die Logik des Geschehens mitsamt einigen physikalischen und astronomischen Fakten ein paar Bocksprünge, dies wird jedoch mit für die Entstehungszeit sehr guten Filmtricks wieder wettgemacht. Einige der Schwebeszenen in der Schwerelosigkeit scheinen tatsächlich "in echt" während eines Flugzeugparabelflugs entstanden zu sein, da keinerlei Haltedrähte zu sehen sind und die gesamte Kulisse etwas wackelt. Das Raumschiffinterieur versprüht Seventies-Schick in bunten Farben und die Filmmusik (sehr an Frank Sinatras "Strangers In The Night" angelehnt) versprüht eher Melancholie denn Weltraumbombast á la John Williams.

Die Bildqualität ist vertretbar, der Ton liegt in Stereo vor, allerdings gibt es ausschließlich die deutsche Sprachfassung - O-Ton-Fans gehen hier leer aus. Als Extras werden lediglich eine verzichtbare (weil lediglich aus Filmstandbildern bestehende) Galerie, Trailer für andere Filme der "Science Fiction Klassiker"-Edition und eine aus der russischen Wikipedia zusammengestoppelte Biographie des Regisseur Richard Wiktorow geboten.

Wahrscheinlich können Kids von heute mit diesem Film aufgrund des doch eher langsamen Erzähltempos nichts anfangen, in der Bundesrepublik aufgewachsene Erwachsene aufgrund der politischen Anklänge wohl auch nicht so recht. Aber einer gesamten Generation von DDR-Kindern und -Jugendlichen dürfte diese DVD eine kleine Zeitreise bereiten, wenn auch mit so mancher Schwäche. Das durchaus auch für sich funktionierende Sequel hat da deutlich mehr Klasse zu bieten.

Bewertung: 3 von 5