Mittwoch, 5. März 2008

DVD-Rezensionen (019): Die Gustloff (2007)


(Cover: Amazon.de)

Aus aktuellem Anlass eine TV-Kritik:


Erneut schafft es ein mit viel Vorschusslorbeeren gestartetes deutsches Geschichtsdrama nicht, die Erwartungen zu erfüllen. "Dresden" war schon eine sehr bittere Erfahrung, die sich nun mit "Die Gustloff" wiederholt. Einmal mehr ist aus den Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt worden.

Da wären zum einen die freien Erfindungen, statt ganz einfach den historisch gesicherten Fakten zu folgen. Die aus Gründen der politischen Korrektheit eingeführte Figur des von Detlev Buck zwar gut, aber eben auch unnötig dargestellten verräterischen Funkers erschüttert schon von Vornherein die Glaubwürdigkeit des ganzen Films. Gerade weil das Thema "Gustloff" der breiten deutschen Öffentlichkeit unbekannt ist, besteht hier eine gewisse Verantwortung zur Aufklärung, die durch die Suggestion eines völlig falschen Hintergrunds der Katastrophe fahrlässig weggeworfen wird. Wie das mit fiktionalen Mitteln - ohne in falsche revisionistische Hörner zu stoßen - vorbildlich getan werden kann, hat Günter Grass mit seiner Novelle "Im Krebsgang" bewiesen. Stattdessen geben sich hier peinliche Klischeenazis die Ehre, die sowjetische U-Boot-Besatzung bleibt komplett anonym und bis auf die gewohnt guten Karl Markovics, Michael Mendl und Heiner Lauterbach bleibt auch die Mehrheit der Darsteller blass.

Desweiteren ist man nach "Sturmflut", "Dresden", "Die Flucht" & Co. ja schon fast so fatalistisch, um für eine "normale" Liebesgeschichte dankbar zu sein. Endlich mal keine Dreiecksbeziehung! Dennoch berührt die Geschichte um das von Kai Wiesinger und Valerie Niehaus dargestellte Paar nicht sonderlich, auch weil der diesmal fehlende zweite Liebhaber einfach nur durch einen Bruderkonflikt ersetzt wird. Auch hier: Durch das Drehbuch verschenkt. Warum eigentlich? Regisseur Joseph Vilsmaier hat doch mit "Stalingrad" (1993) bewiesen, dass er es versteht, menschliches Leid in Zeiten des Krieges auf ergreifende Art und Weise darzustellen.

Ein Film, der einen solch unfassbar tragischen Schiffsuntergang beschreibt, muss sich wohl oder übel den Vergleich mit "Titanic" gefallen lassen, dies ist einfach unausweichlich, gerade wenn man in der Filmwerbung auf die um ein vielfaches höhere Opferzahl hinweist. Und hier merkt man einmal mehr, dass Deutschland nicht Hollywood ist. Können die CGI-Aufnahmen des Schiffes in der Totalen noch überzeugen, bietet sich in den Szenen auf der "Gustloff" selbst ein ganz anderer Anblick. Sowohl bei der Fahrt als auch beim Untergang hat man in keinem Moment das Gefühl, auf einem völlig überfüllten Schiff mit über 10.000 Personen zu sein. Sowas kann man eben nicht mit nur 400 Komparsen darstellen! Hier ein Grüppchen, da ein Grüppchen - eine Massenpanik, wo Menschen ohne Rücksicht auf andere um das eigene Überleben kämpfen sieht anders aus, auch wenn das beim Hinsehen wehtut! Die gesamte Untergangsszene wirkt einfach nur lieblos dahingeworfen, ein Aneinanderreihen von Schnitten, das den Betrachter seltsam kalt lässt. Auch hier sei zum Vergleich auf James Camerons Film verwiesen, besonders auf die erschreckende Szene, als die von Kate Winslet dargestellte Rose inmitten von um sich tretenden Menschen auftaucht. Alles kann man nicht nur mit den kleineren Budgets erklären, 10 Millionen Euro sind für deutsche Verhältnisse kein Pappenstiel!

Dem Film hätte eine deutliche Kürzung und somit inhaltliche Straffung gutgetan. Vilsmaier verheddert sich in zuvielen Nebensträngen, die irrelevant erscheinen, was zu einem regelrecht gehetzten Schluß führt.

So bleibt am Ende wieder einmal Enttäuschung und Ärger um eine vergebene Chance, Zeitgeschichte einem heutigen Publikum nahezubringen. Das kann doch nicht so schwer sein! Ein blasphemischer Gedanke zum Schluß: Hat man nach "Titanic" das Gefühl gehabt, dass es nie wieder einen Film über das Thema geben wird, weil es nicht mehr realistischer dargestellt werden kann, wünscht man sich hier fast, dass Hollywood einmal auf dieses Thema aufmerksam wird um es besser zu verfilmen. Vielleicht erwacht ja nach "Valkyrie" das Interesse der dortigen Studios an deutscher Geschichte, es wäre den Kriegsopfern im Allgemeinen und den Toten der "Gustloff" im Speziellen zu wünschen.

Bewertung: 2 von 5