Montag, 6. Oktober 2008

DVD-Rezensionen (082): Das Leben der Anderen (2006)

(Cover: Amazon.de)

Da "Das Leben der Anderen" am Freitag im Fernsehen lief und ich ihn vorher noch nicht gesehen hatte, gibt es wieder einmal als Einschub eine Besprechung zu einem Film, der sich nicht in meinen Beständen befindet.

Lange hat mich kein Film mehr mit einem derartig ambivalenten Mix aus Gedanken und Empfindungen zurückgelassen wie dieser. Zum Einen Begeisterung über große Schauspielkunst, zum Teil sehr emotional berührende Szenen und einen interessanten geschichtlichen Hintergrund. Dennoch bin ich als jemand, der 18 Jahre in der DDR gelebt hat und glücklicherweise nicht mit dem MfS aneinandergeriet, unzufrieden. Woran liegt das?

Da wäre einmal die völlig unglaubwürdige Wandlung des Stasi-Offiziers Wiesler. Ein hundertprozentig überzeugter - geradezu eiskalter - Täter (entlarvend die Eingangsszene) wird mal eben so vom Saulus zum Paulus? Das konnte nicht einmal ein Ausnahmeschauspieler wie der unvergessene Ulrich Mühe überzeugend vermitteln.

Viel schwerer wiegen allerdings ärgerliche Fehler im Handwerk. Florian Henckel von Donnersmarck überzeichnet beispielweise den Kulturminister Hempf derart, dass es schon peinlich wird. Es genügt natürlich nicht, dass dieser Charakter einfach eine miese Bonzengestalt ist, nein, er muß natürlich auch ein geiler sabbernder Bock sein. Das ist als wenn man Hitler in "Der Untergang" gleichzeitig auch noch als Pädophilen und Tierquäler inszeniert hätte, damit auch der letzte Volldepp mitbekommt, dass da gerade eine ganz üble Gestalt zu sehen ist. Solche Rollenzeichnungen mit dem Holzhammer sind eher zum Fremdschämen.

Zudem verwirrt der Film völlig, was die dargestellte Zeit angeht. Ich habe zunächst versucht, mich an der Musik zu orientieren und bin komplett gescheitert. Tippte ich zunächst auf die frühen 70er Jahre, da Frank Schöbels "Wie ein Stern" (1971) zu hören war, korrigierte ich mich später auf das Ende des gleichen Jahrzehnts anhand Angelika Manns "Champuslied". Dies erwies sich wieder als Irrweg, als Pankows "Rock and Roll im Stadtpark (1983) erklang, um mich vollkommen konfus zurückzulassen, als von einem Theaterstück zum 40. Jahrestag der DDR (bekanntlich 1989) die Rede war. Und wie klärt sich schlußendlich alles auf? Mit Hilfe einer Zeitung, in der über den Amtsantritt Michail Gorbatschows als KPdSU-Chef berichtet wird - 1985!

Das alles wird noch übertroffen von einer Unzahl von historischen Schlampigkeiten, die mit minimalstem Rechercheaufwand vermeidbar gewesen wären. Da werden Autotypen gefahren, die es 1985 noch nicht gab, Stasioffiziere (die einen militärischen Rang besaßen), tragen halblange Haare und Schnauzbärte (beides strikt untersagt) und die als "asoziales Verhalten" strafbare Prostitution steht dem vom Dienst gestressten Stasi-Schergen natürlich frei Haus zur Verfügung. Da werden einfach historische Fakten (das MfS beschäftigte Prostituierte zur Ausspähung und Erpressung westlicher Geschäftsleute und einheimischer Dissidenten) wüst zum eigenen Nutzen umgedreht.

Dabei hat der Film solche Stärken anzubieten. Aufgrund des steten Lobs für die erste Darstellerriege Mühe, Koch und Gedeck wurde Ulrich Tukur als MfS-Oberstleutnant Grubitz ziemlich unterbewertet, dabei ist es seine Rolle, die mich am meisten beeindruckt hat. Auch wenn die Szene in der Stasi-Kantine, in der unter großem Hallo ein Honecker-Witz erzählt wird, wieder zutiefst unrealistisch ist, vermittelt Tukurs grandioses Hin- und Herwechseln von Jovialität in schneidende Eiseskälte die ganze Schizophrenität des Apparats. Ganz groß!

Somit bleibt ein Eindruck von leichtfertig verspielten Chancen zurück. Ein Oscar-Gewinn lässt freilich jede Kritik am ohnehin scheinbar übergroßen Ego des Regisseurs abprallen, wie dessen bizarre Auftritte nach dem Empfang der goldenen Statue bewiesen haben dürften. Da wünscht man sich ein wenig mehr britisches Understatement im heimischen Kulturbetrieb...

Bewertung: 3 von 5