Dienstag, 20. Januar 2009

DVD-Rezensionen (116): Projekt Gold (Special Edition) (2007)

(Cover: Amazon.de)

Es liegt auf der Hand, dass diese Dokumentation zur Handball-WM in Deutschland 2007 automatisch sofort mit dem völlig verunglückten "Deutschland. Ein Sommermärchen" von Sönke Wortmann verglichen wurde. Skeptiker gab es im Vorfeld also viele, aber es ist festzuhalten: Volltreffer, Experiment geglückt! 

In so ziemlich jedem Segment kann der Film seinen Vorgänger übertrumpfen. Das ist auch nicht schwer, enthält er doch im Gegensatz zu Wortmanns Produkt alle Zutaten, die ich von einer spannenden Sportdokumentation erwarte. Packende Ausschnitte aus den Spielen, interessante Einblicke in den Trainings- und Freizeitbetrieb der Mannschaft, intelligente Gesprächspartner, die etwas zu sagen haben. So bleibt die Faszination trotz des bekannten Ausgangs jederzeit erhalten. Das dabei aus Zeitgründen zwei der insgesamt zehn Spiele nicht berücksichtigt wurden, tut der Qualität von Winfried Oelsners Film keinerlei Abbruch, im Gegenteil. Atemlos verfolgt man den Weg des DHB-Teams ins Endspiel und zittert noch einmal - besonders beim Herzschlag-Halbfinale gegen Frankreich - mit. 

Durch den verwendeten Originalkommentar und die passende Musik Rainer Michels sowie die immer wieder in den Hallenszenen zu hörenden Anheiz-Songs der WM kommt wahre Live-Atmosphäre auf, speziell im 5.1-Modus heißt das: mittendrin, statt nur dabei! 

Besonders eklatant die Unterschiede zum "Sommermärchen" bei den Interviews mit Spielern und Betreuern. Ruhige, intelligente Äußerungen, weit jenseits des "Poldi & Schweini"-Geblödels der Fußballer. Natürlich wird zentralen Figuren mehr Gesprächszeit eingeräumt, besonders Oliver Roggisch und Henning Fritz dürfen sich ausführlich äußern. Auch die stets bärbeißige Torwartlegende Andreas "Der Hexer" Thiel überzeugt mit geradezu buddhistisch anmutenden Handball-Weisheiten. 

Und auch beim letzten Punkt, dem auf der zweiten DVD befindlichen Bonusmaterial, geht "Projekt Gold" eindeutig als Sieger vom Platz. Hatte man beim "Sommermärchen" bei den entfallenen Szenen wirklich jederzeit das Gefühl, verdient aussortierte Ausschußware zu sehen, bekommt man hier feinste Ergänzungen kredenzt. So Oliver Roggischs einziges WM-Tor, absurde Wetten zwischen Gerhard Delling und Stefan Kretzschmar, die Auflösung der "Pizza-Affäre", weitere interessante Spielerinterviews, Statistiken, das "Höhner"-Video und vieles mehr. Besonders eindrucksvoll für mich aber eine kleine Szene aus dem Finale. Andreas Thiel steht kurz vor Abpfiff inmitten des bereits feiernden Publikums in der Kölnarena und schaut sich, etwas ungläubig lächelnd, in diesem Hexenkessel um. Das erinnerte mich fast schon an den einsam über den Rasen des Römer Olympiastadions wandelnden Franz Beckenbauer nach dem WM-Sieg 1990. Das es diese starke Sequenz nicht einmal in den Hauptfilm schaffte, spricht nur für das Resultat. Kaufen, marsch, marsch!

Bewertung: 5 von 5