Samstag, 24. Januar 2009

Buch-Rezensionen (117): Dieter Noll - Die Abenteuer des Werner Holt - Roman einer Heimkehr (1963)

(Cover: Amazon.de)

Diesem Roman sollte man eine Chance geben. Oftmals hört man "Ja, der eeerste Band ist toll, aber die Fortsetzung...". Als ich damals die Schullektüre "Werner Holt - Roman einer Jugend" beendet hatte, griff ich sofort danach zur 1963 erschienen Fortsetzung, die sich dankenswerterweise im elterlichen Haushalt befand und heute mein Bücherregal ziert. Wie auch der Vorgänger hat dieses Buch mittlerweile mehrere Lesedurchläufe vor und nach der Wende absolviert, wobei sich mit den veränderten politischen Verhältnissen neue Blickwinkel auf den Inhalt ergeben haben, wenn auch nicht so komplett gegensätzlich wie beispielsweise bei "Wie der Stahl gehärtet wurde".

Das Buch knüpft unmittelbar an das Ende des ersten Bandes an. Holt, aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen, versucht bei seinem Vater in der Sowjetischen Besatzungszone ins zivile Leben und zu seiner großen Liebe Gundel zurückzufinden. Durch seine Kriegserlebnisse desillusioniert und mißtrauisch gegen Menschen und jeglichen politischen Einfluß, flieht er nach einiger Zeit zu seiner Mutter nach Hamburg. Doch auch in den dortigen großbürgerlichen Kreisen scheint er am Leben zu verzweifeln und gerät wieder in eine Sackgasse der persönlichen Entwicklung. Nach vielerlei Verstrickungen in erotische und kriminelle Machenschaften scheint am Ende doch noch eine Chance offen...

Seine Stärken entfaltet das Buch vor allem in Szenen des Wiedersehens mit bekannten Charakteren, so tauchen der ehemalige Flak-Wachtmeister Gottesknecht, Holts Jugendliebe Uta Barnim, seine Schulfreunde Sepp Gomulka und Christian Vetter und natürlich sein Vater sowie Gundel wieder in der Handlung auf. Desweiteren gelang es dem im Jahre 2008 verstorbenen Dieter Noll, der aus meiner Heimatstadt Riesa stammte, gerade in der Gestalt des Ingenieurs Blohm und des skurrilen, koffeinsüchtigen Kulturbundsekretärs Zernick interessante neue Charaktere einzuführen.

Dagegen bleiben andere Figuren holzschnitthaft klischeebeladen. Die Hamburger Verwandtschaft ist hanseatisch-hochnäsig und moralisch natürlich hochgradig dekadent, der Kommunist und Konkurrent um Gundels Gunst Schneidereit ein Widerstandskämpfer ohne Fehl und Tadel. Vielleicht ist hier die Kritik an Nolls Buch am angebrachtesten.

Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich "Werner Holt, Roman einer Heimkehr" einer Epoche widmet, die vielfach vergessen ist - der Zeit zwischen der "Stunde Null" und der Gründung der zwei deutschen Staaten, eine Ära voller Gewalt, Kriminalität, Hoffnungs- und Orientierungslosigkeit. Das hierbei die aufziehende Stalinisierung der Sowjetischen Besatzungszone nicht, beziehungsweise beschönigend dargestellt wird, ist ein Manko des Buchs an sich, welches sich aber fast überhaupt nicht in der Gestalt des Werner Holt manifestiert. Eher wird sein Weg ins Leben zurück geschildert, mit Tiefschlägen und Selbstzweifeln und einem festen Ziel - einem Mathematikstudium - zum Schluß. Eine spürbare Indoktrination kann man allenfalls am Rande erahnen.

Wie auch beim anderen Buch hat mich dieser Roman gefesselt, zum Nachdenken gebracht und manchmal auch emotional berührt zurückgelassen. Hier vor allem in den Szenen mit der verbitterten Uta und einer Momentaufnahme, in der der fiebernde Holt in einer Krankenschwester eine Sanitäterin aus dem Krieg wiederzuerkennen glaubt.

Man hält mit diesem Roman vielerlei in den Händen. Ein Zeitdokument, ein spannendes Buch mit Einblicken in Ideologien der damaligen Jahre, ein Wiedersehen mit bekannten Gestalten und nicht zuletzt eine Liebesgeschichte. Daher noch einmal die Bitte: geben Sie diesem Buch eine Chance...

Bewertung: 4 von 5