Mittwoch, 10. September 2008

DVD-Rezensionen (071): Woodstock (Director's Cut) (1970/1994)

(Cover: Amazon.de)

Manchmal wünsche ich mir (Jahrgang 1971) wirklich, an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit gelebt zu haben. Nachdem man diesen Film gesehen hat, möchte man dabeigewesen sein in diesen dreieinhalb Tagen voller Musik, Chaos, Liebe und Schlamm. Was sich vom 15. bis 18. August 1969 auf der Wiese des Farmers Max Yasgur bei Bethel im Bundesstaat New York abspielte, darf getrost als eines der bedeutendsten Ereignisse in der Geschichte der modernen Musik bezeichnet werden. 32 Bands und Solisten, teilweise die bekanntesten Vertreter ihrer Zunft zum damaligen Zeitpunkt, spielten vor 400.000 Glücklichen, die das Gelände erreicht hatten, während noch einmal mehr als die gleiche Anzahl auf verstopften Straßen steckenblieben oder gleich von der Polizei zurückgeschickt wurden.

Der dazu entstandene Begleitfilm bietet sensationelle 216 Minuten Bühnenauftritte und Impressionen vom Festivalgelände, teilweise in der damals revolutionären Splitscreen-Technik.

Neben der Musik haben mir besonders die vielen kleinen Details der Dokumentaraufnahmen gefallen. Grandios der coole Kloreiniger und der Auftritt des Eigentümers des Festivalgeländes. Völlig unverständlich bei dieser DVD-Veröffentlichung hingegen die mit "spartanisch" noch wohlwollend ausgedrückte Ausstattung der Scheibe. Kein Booklet, kein Bonusmaterial, gar nichts. Besonders verwerflich: das Fehlen von Untertiteln (Englisch hätte völlig genügt). Einige der Interviewten sprechen ziemlich heftigen Dialekt oder sind dermaßen mit allerlei Mitteln bedröhnt, das man kaum etwas versteht. Da stößt selbst der des Englischen mächtige Zuschauer sehr schnell an seine Grenzen.

Meine musikalischen Favoriten des Films: Richie Havens, Canned Heat (aus heutiger Sicht unglaublich: ein Fan entert die Bühne und wird kumpelhaft begrüßt, darf neben Sänger Bob "The Bear" Hite stehenbleiben und bedient sich erstmal an dessen Kippen), Joe Cocker (die Schuhe!!!), Jefferson Airplane (Grace Slick zum Anbeißen, was deutlich sichtbar auch der Kameramann so empfand), Country Joe McDonald, Arlo Guthrie ("The New York State Thruway is closed, man!"), Sly & The Family Stone und der nur noch am Morgen des 18. August vor ein paar Unentwegten spielende Jimi Hendrix. Die zu diesem Zeitpunkt schon recht gelichteten Zuschauerreihen täuschen über die Tatsache hinweg, dass sie bei seiner einzigartigen zerstörerischen Version des "Star-Spangled Banner" Ohrenzeugen einer musikhistorischen Legende geworden sind.

Für den Film alle Punkte dieser Welt, Abzug nur für die miese Aufmachung der DVD.

Bewertung: 4 von 5